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Filmemacher auf Umwegen

Alles fing mit dem Wunsch an, Archäologe zu werden. Kurz hatte der 13-Jahre junge Klaus-Dieter mit dem Gedanken gespielt, Förster zu werden. Aber dann war das Berufsbild fest und es hielt ohne Zweifel die nächsten 40 Jahre: Archäologe. Dafür nahm der junge Mann aus der Uckermark, zu seiner Zeit noch in der DDR gelegen, sogar die Ausbildung zum Maurer in Kauf, um auf diesem Weg sein Abitur zu bekommen. Denn in der DDR konnte er so auf Umwegen mit einer Ausbildung und dem gleichzeitigen Besuch der elften und zwölften Klasse sein Abitur bestehen. Der große Wunsch war dann das Archäologiestudium in Halle oder Berlin. Dort immatrikulierten die Universitäten wegen dem begrenzten Arbeitsplatzangebot aber nur alle zwei Jahre acht Studenten und so entschied sich der Abiturient vorerst für ein Studium der Museologie in Leipzig. Mit 21 Jahren schien er seinem Traum in gutes Stück näher: Klaus-Dieter Gralow bekam eine Anstellung als Archäologe für den Bezirk Schwerin. Weil die Universität Halle nun ein berufsbegleitendes Studium unterstützte, erfüllte sich endlich der Wunsch des jungen Entdeckers. Mit der Zustimmung seines Chefs konnte er endlich sein Archäologiestudium aufnehmen. Bis zur Wende arbeitet der junge Gralow in seinem Beruf und beschäftigt sich schon nebenbei mit Ethnologie und der afrikanischen Kolonialgeschichte. Mit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 bricht er dann aus seinem vertrauten Umfeld aus. Mit drei anderen Wissenschaftlern zieht es ihn ins so ferne Kavangoland, wo sie auf der katholischen Missionsstation Shambuy ein Museum aufbauen.
Von nun an verbrachte der von Namibia so begeisterte Archäologe all seine Urlaubstage in Namibia. Den Abschluss der Ausstellungen finanzierte er über drei Jahre hin mit seinem Verdienst als Bezirksarchäologe in Deutschland. "Ich spürte, es gibt hier so viel für mich zu tun, dass ich hängen geblieben bin," erzählt Gralow, der nach der Wende eigentlich doch die ganze Welt bereisen wollte.
Zu der Zeit reichte ihm der Urlaub in Namibia noch aus. Doch dann kam die Einsicht: Als Klaus-Dieter Gralow 1996 an Krebs erkrankte, wurde ihm klar, dass sich etwas ändern musste. Er kündigte seine Anstellung als Dezernent in Deutschland und wollte etwas aufbauen, das mit Afrika zu tun hatte. Da er als Wissenschaftler bereits viele Publikationen verfasste, entschied er sich nun über Afrika zu schreiben, konzipierte und gestaltete zahlreiche Ausstellungen und betrieb zeitweise sogar Handel mit afrikanischer Kunst. Im Jahr 1995 wollte er mit seiner Freundin, seiner heutigen Ehefrau, und dem gemeinsamen Sohn nach Namibia übersiedeln. Da beide aber als Archäologen arbeiteten, wurden sie vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED) nicht benötigt.
Für jeden Namibiaaufenthalt plant der Archäologe heute Touren zu ganz bestimmten Orten oder Sehenswürdigkeiten, die er schon immer anfahren wollte. Die typischen Touristentouren reizen ihn da nicht mehr. Er will die alte Literatur, die er damals studierte, heute auf ihre Aktualität und ihrer Wahrheit prüfen.
Manchmal fühle er sich als "reisender Wanderprediger", wenn er versucht die Leute für die Vielfalt der Archäologie zu sensibilisieren, denn aus Namibia stammt mit 28 000 Jahren die älteste Kunst Afrikas, doch nirgendwo ist sie zu sehen und nur wenigen ist diese Tatsache bekannt: "Macht doch was aus dieser Sache und präsentiert sie dementsprechend," appelliert Gralow immer wieder. Vor einigen Tagen gestaltete er zusammen mit seiner Frau im Swakopmunder Museum eine Ausstellung über den Landmesser Hugo Voss, der von 1907 bis 1919 hier im Land tätig war, und über den bald drei Bücher erscheinen werden, die Gralow geschrieben hat.
Der Besuch der Apollo 11-Grotte in den Hunsbergen, in der im Jahr 1969 der deutsche Archäologe Dr. W.E. Wendt die älteste Kunst Afrikas entdeckte, war bisher das größte Erlebnis für den Archäologen. Hier entstand auch Gralows erster Film, zudem ihm ein Freund, ein Kameramann, ermunterte - sein Titel "Verborgen in der Wüste - Die Entdeckung der ältesten Kunst Afrikas".
Nach umfangreichen Recherchen und Gesprächen mit den sogenannten namibischen "DDR-Kindern" folgte 2006 dann der Film "Die Ossis von Namibia". Gerade bei diesem Film habe Gralow selbst "unwahrscheinlich viel gelernt": "Wir jammern über Dinge, über die man gar nicht zu jammern braucht, wenn man ihre Geschichte kennt" hat er heute erkannt. Es war nicht einfach die jungen Leute für den Film zu gewinnen und so ließ er ihnen genügend Raum, selbst zu entscheiden, worüber sie reden wollten, nachdem sie schon von so einigen Filmemachern enttäuscht wurden. Sein jüngstes Projekt, das vorige Woche in Windhoek seine Premiere feierte, ist der Film "Vom Klassenzimmer in die Kalahari". Zusammen mit Jugendlichen der Nichtregierungsorganisation EduVentures, drei Wissenschaftlern und einigen erfahrenen Helfern ging es auf eine vierzehntägige Expedition in die Kalahari. Ein Archäologieprojekt, eins zu Skorpionen und Spinnen und ein weiteres zum Alltagleben der San wurden im Film verarbeitet Der deutsch-französische Fernsehsender ARTE strahlte diesen Film bereits wiederholt in der Sendereihe Geo-Reportage 360"° aus.
Neue Filmideen beginnen für Klaus-Dieter Gralow immer mit den Fragen "Kann das ein Film werden? Reicht der Stoff? Welche Bilder kann man da zeigen?". Nach oft umfangreichen Recherchen schreibt er ein Exposé, in dem schon einzelne Bilder und Szenen zu erkennen sind. Sein Produzent geht dann damit zu den entsprechenden Fernsehsendern. Kann er eine Redaktion dafür begeistern und die Finanzierung ist gewährleistet, geht es los zu den Drehorten, meist mit einem kleinen Filmteam. "Das ist viel einfacher und natürlich preiswerter wegen der Logistik," erklärt Gralow. Zu schätzen weiß der Archäologe die gute Zusammenarbeit in seinem Leuten, das ihn als Seiteneinsteiger so gut aufnahm. Das gesamte Team diskutiert die neuen Filmideen und so muss Gralow des Öfteren feststellen: "Im Entstehungsprozess des Filmens wird ein Film manchmal ganz anders als geplant. Gerade bei Dokumentation ist das nicht selten der Fall."
Das Drehteam bei guter Laune zu halten ist wichtig und so trägt Gralow als Nichtraucher nicht selten eine Packung Zigaretten mit sich, um seinen rauchenden Kameramann in aller Ruhe die brillanten Bilder machen zu lassen, die später dem Zuschauer eine andere Welt zeigen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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