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Fluchtroute Omaheke, Sandfeld und Kaukau-Veld

Claudia Reiter
Wir leben in einer Zeit, da die öffentliche Diskussion um das von der deutschen und namibischen Regierung angebotene Versöhnunspaket für Schäden des Kolonialkriegs 1904 – 1908, auf politischer Ebene genannt Genozid, extrem aus dem Ruder gelaufen ist. Da bleibt es ratsam, zu belegbaren Fakten zurückzukehren.

Das gegenwärtig unwürdige Klima zeichnet sich durch legendäre Totenzahlen aus, geschweige denn Respekt vor und Würde der Toten. Ständig steigende, illusionäre Totenzahlen sollen Billionen- und Trillionen Namibia-Dollar hergeben. Das erfordert kritisch-offenen Dialog auf Augenhöhe, aber auf der Grundlage verlässlicher Quellen. Dieser Bedarf bestand bereits lange vor und noch mehr während der langwierigen Verhandlung zwischen Deutschland und Namibia, welche Schritte und Leistungen für eine würdige Umgangsart sowie einer einvernehmlichen Erinnerungskultur erforderlich wären, um wenigstens auf Regierungsebene auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Der von Hans Hilpisch verfasste kleine Band mit Von Trothas Ausspruch als Buchtitel „Wo sind die Herero geblieben“ war nach erster Auflage 2019 rasch vergriffen. Er räumt mit „agitatorischen Zweckbehauptungen“ auf. Der Autor hat sofort viele Hinweise und Anregungen zur Ergänzung der ersten Ausgabe erhalten. Davon hat er Etliches aufgegriffen, so dass der Kuiseb-Verlag letzthin die erweiterte Schrift bei der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft mit einem Kenner der Omaheke, Kai-Uwe Denker, vorstellen konnte. Der Ausruf von Trothas stammt aus dem kritischen Zeitverlauf zwischen den Gefechten der Schutztruppe und den Ovaherero am Waterberg im August 1904 und der Proklamation, dem Schießbefehl von Trothas, am 2. Oktober 1904 sowie der Widerrufung der umstrittenen Proklamation am 9. Dezember 1904 in Berlin bis zu diversen misslungenen, erfolglosen Verfolgungszügen einzelner Trupps unter von Trothas Befehl Anfang 1905. Für etliche postfaktische Historiker der Myopie und für die militante Reparationslobby ist dieser Zeitverlauf – generell unter Aussparung des Schießbefehls von Maharero gegen die Deutschen und der Widerrufung des Trothaschen Schießbefehls - der alleinige Anhaltspunkt für Agitation und Forderung.

Hilpisch bemüht sich um eine umfassende Schilderung der vorherrschenden Witterung 1904, um die Wasser- und Weideverhältnisse sowie der Fluchtrouten durch die Omaheke und das Kaukauveld, wo mehrere Gruppen der Ovaherero ins damalige Betschuanaland (Botswana) oder über Routen nach Norden zum Okavango und ins Ovamboland entkommen sind. Detailliert behandelt er 26 historische, teils lückenhafte und neuere Landkarten der Omaheke, woraus deutlich hervorgeht, dass die Herero den Verfolgungstrupps in der Geländekenntnis weit überlegen waren. Schutztruppler sind an manchen Wasserstellen lediglich auf zurückgebliebene Alte, Kinder und Rinderkadaver gestoßen. Für den Plural von Omuramba (Rivierlauf auf flachem Land) benutzt der Autor den an Otjiherero angelehnten Begriff Omiramba. Prof. Wilfrid Haacke, ehemals vom Lehrstuhl für afrikanische Sprachen an der Universtität von Namibia, hat den eingedeutschten Plural Omiramben geprägt.

In Abwesenheit des Autors hat der Berufsjäger und Farmer Kai-Uwe Denker bei der Vorstellung der ergänzten Schrift auf zahlreiche dokumentierte Brunnen hingewiesen, die er als mehrjähriger Jäger in der Omaheke kennen gelernt hat. Die San (Buschleute) haben Denker durch Namen und Überlieferung mitgeteilt, dass selbige Brunnen von den Ovaherero abgeteuft wurden, da die Omaheke auch zu Friedenszeiten als Weidegebiet genutzt und nach den Gefechten am Waterberg nicht nur als Fluchtroute gedient hat. Die Klischees von der „wasserlosen Omaheke“, von der Wüste Kalahari, das unbedarfte Autoren wiederholt voneinander abschreiben, hat mit Hilpisch wie vorher bei Schneider-Waterberg („Der Wahrheit eine Gasse“) keinen Bestand. Hilpisch zitiert hier aus der Dissertation von Karl-Johan Lindholm, Univ. Uppsal, Schweden. Autoren, die sich für unantastbar halten, bedienen sich bei grundlegender Anfechtung ihrer Stellung mit der Abwehr: „Ich habe meine Meinung gebildet. Kommen Sie mir jetzt nicht mit Fakten.“ Die „wasserlose Omaheke“ wurde jüngst im Spiegel-Online-Interview mit dem deutschen Unterhändler Ruprecht Polenz bemüht.

Der vorliegende Band bietet der interessierten Leserschaft ein umfangreiches Quellenverzeichnis, eine Liste weiterer Fachliteratur, eine Zeittafel, Kartenverzeichnis, in Namibia gebräuchliche Kartenbegriffe sowie ein Namen-, Orts- und Sachregister.

Hilpischs Darstellung – ohne Berührungsangst zitiert er aus Quellen sowohl wissenschaftlicher Autoren als auch aus Schriften der Genozid-Dogmatiker – beschränkt sich auf die Fluchtrouten der Herero und die erfolglose Verfolgung durch Abteilungen der Truppe. Daher ist das Leiden zurückkehrender Herero, die in schlecht versorgten Gefangenenlagern mit hohen Todeszahlen gehalten wurden, ihr Vieh verloren und große Areale ihres angestammten Bodens verloren haben, hier nicht berücksichtigt. Dazu gibt es viele andere verlässliche Werke, in denen man vergeblich nach dem pauschalen Medienbild der „Massaker und Gräultaten“ an den Herero sowie den legendären Volks- und Totenzahlen sucht. Im vorliegenden Band sind einige Verfolgungsgefechte erwähnt, wird die aussichtslose „Absperrung“ der Omaheke behandelt und sind sind die Quellen einer annähernden Einschätzung der Bevölkerungszahlen aufgeführt. Der Autor schließt die Schrift wie folgt ab: „ ... (es) ist darauf hinzuweisen, dass der Gebrauch sowol über- als auch untertriebener Zahlen zu Zwecken der Instrumentalisierung die Würde all derjenigen missachtet, die im Verlaufe der damaligen Kriege auf beiden Seiten ihr Leben verloren, schwer verwundet oder anderweitig geschädigt wurden.“

Hilpischs Schrift dient der kritisch-sachlichen Auseinandersetzung mit grundlegenden Gegebenheiten und regt zu weiterer Forschung an. Ein wesentlicher Schritt zu einem sachlich ausgewogenen und differenzierten Geschichtsbild. Um diese Ergebnisse mit einem breiteren Publikum zu teilen, bleibt es unerlässlich, dass die Schrift und andere wesentliche Quellen ins Englische übersetzt werden. Das postfaktische, mythologische Geschichtsbild ist dort schon fest angesiedelt.

Eberhard Hofmann

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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