"Forum für die Zukunft" und der Kampf um Selbstbestimmung
Eine Woche nach den dritten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sitzen in einem Konferenzzentrum in Okahandja rund 80 Vertreter von Zivilgesellschafts-Gruppen aus dem ganzen Land beisammen. Sie sprechen über ihre Arbeit, ihre Probleme, ihre Erfolge und ihre Ängste.
Das Treffen ist von "Forum for the Future" einberufen worden. Einmal im Jahr lädt die namibische Nicht-Regierungsorganisation zu einem "Annual Sharing Meeting" ein. Das Wochenende soll dem Erfahrungsaustausch dienen. Eenhana könnte von Mariental lernen, die Probleme der Leute von Gobabis sind vielleicht ganz ähnlich wie die von den Menschen in Rundu. Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden. Man interessiert sich dafür, wie Andere mit den täglichen Herausforderungen an die Zivilgesellschaft umgehen. Vor allem aber verlässt man sich nicht auf die Unterstützung der Regierung. Man versucht sich selbst zu helfen.
Eine Bürgergruppe aus Karibib will Gelder für die Gründung eines Jugendzentrums suchen und eine Fußgängerbrücke bauen, damit die Einwohner der Vororte auch in der Regenzeit das Rivier ohne Lebensgefahr überqueren können. Eine Randgruppe aus Eenhana organisiert Diskussionsabende und versucht so etwas gegen die politischen Einschüchterungsversuche von Swapo-Unterstützern zu unternehmen. Einwohner aus Otjimbingwe wollen ein Kunsthandwerkszentrum errichten. Oshakati macht seine Mitbürger u.a. darauf aufmerksam, dass das Fischen in dem Abwasserdamm des Ortes gesundheitsschädlich ist.
Stampriet hat einen Fußballclub gegründet, setzt sich für Aids-Aufklärung ein und hätte gerne eine Stadtbibliothek. "Wir wollen gegen Korruption angehen", erklärt der jugendliche Vertreter ehrgeizig.
Die Gruppe von Usakos ist stolz darauf, landesweit bekannt zu sein dafür, dass sie Korruption in ihrem Stadtrat bekämpft hat. Einer ihrer Mitglieder sitze nun selbst in der Behörde, und sie fungiere als Bindeglied zwischen der Gesellschaft und dem neu ernannten Politiker. "Aber achtet darauf", warnt einer der Teilnehmer des Treffens, "dass ihr eure Unabhängigkeit bewahrt. Politiker kommen und gehen, aber ihr seid das Volk, und ihr bleibt."
Was all die kleinen Selbsthilfegruppen aus rund 30 verschiedenen Orten Namibias gemeinsam haben: Sie werden von "Triple F" unterstützt, FFF, dem "Forum für die Zukunft". Die namibische Organisation will bei dem Aufbau einer aktiven und selbstbewussten Zivilgesellschaft helfen und das demokratische Verständnis im unabhängigen Namibia fördern. Direkte finanzielle Zuwendungen gibt es von FFF nicht, aber seit ihrer Gründung vor rund zwei Jahren bietet die Organisation kostenlose Seminare an. "Understanding your National Budget" heißt eines davon. Es soll dem FFF-Zielpublikum verständlich machen, wie der Staatshaushalt funktioniert - und welches Anrecht Namibias Bürger auf die Nutzung dieser Gelder für die Entwicklung ihres Ortes, ihrer Stadt, ihrer Region haben.
Denn dass sie ein Mitbestimmungsrecht haben, ist für viele der FFF-Seminarteilnehmer neu. Anderen ist es zwar theoretisch bewusst, aber in der Praxis unmöglich. "In Tses gibt es keine Menschenrechte. In Tses gibt es keine Demokratie", sagt der einzige Vertreter aus dem 1500-Seelendorf in der Nähe von Mariental. In dem ehemaligen Missionsort sind 80 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Die Ortsverwaltung ist korrupt, behauptet der junge Mann aus Tses, aber seine Augenzeugenberichte würden von den leitenden Behörden ignoriert. Sie stecken alle unter einer Decke. Seit Jahren versuche er, seine Mitbürger zu mobilisieren und mit Projektvorschlägen die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Doch es herrsche Misstrauen, denn er gelte, obwohl treuer Swapo-Wähler, als Oppositioneller.
Das Thema politische Einschüchterung ist nun auf den Tisch gebracht. "Erfährt noch jemand in seiner Region Ähnliches?", will FFF-Mitarbeiter Jackson Mwalundange wissen.
Der Gruppenleiter von Okahandja steht auf. "Ich habe neulich ein Parlamentsmitglied getroffen", erzählt er. "Wir sind beide in Okahandja aufgewachsen, aber seit er im Parlament sitzt, leben wir gewissermaßen in ?Scheidung?." Die Zuhörer lachen.
"Er meinte zu mir: ?Ich weiß von diesen komischen FFF-Aktivitäten. Weißt Du: Wir haben gekämpft, und wir sind bereit zu sterben. Seid Ihr das auch??" Das Lachen verebbt.
Je weiter der Nachmittag im Konferenzraum von Okahandja voranrückt, desto mehr besorgte Stimmen melden sich zu Wort. "Lasst uns wachsam sein, lasst uns ehrlich sein!", fordert mit Nachdruck eine gehbehinderte Frau aus Ondangwa. Sie erzählt von Beamten, die sie benutzt hätten, um Gelder für Behinderte im Ausland zu generieren - Gelder, die nie ihre Bestimmung erreicht haben. Sie erzählt, und zwischendurch muss sie für Momente innehalten, denn ihre mühsam unterdrückten Tränen lassen ihre Stimme quäkig klingen. "Heute reist keiner mehr für mich ins Ausland. Ich spreche selbst für mich und meinesgleichen", sagt sie. "Und wenn mir gedroht wird, dann habe ich Angst. Aber ich halte deswegen nicht den Mund."
Ein Pastor aus Rehoboth berichtet von einem Kirchentreffen in Simbabwe. Dort habe man das neue Gesetz für Nicht-Regierungsorganisationen diskutiert, das alle NGOs verpflichtet, sich bei der Regierung registrieren zu lassen und klare Angaben über ihre Verfassungen und Zielsetzungen zu machen. FFF-Mitarbeiter George Haimbiri erzählt von einem kürzlichen SADC-Treffen, bei dem Botswana, Namibia und Swaziland als diejenigen Länder genannt worden seien, die in Zukunft dem Beispiel Simbabwes folgen könnten.
Ein etwa 30-jähriger Mann steht auf. "Ich habe Angst", sagt er. Sein dunkelhäutiges Gesicht wirkt blass. "Ich mache mir große, große Sorgen. Die Demokratie stirbt. Die Opposition in Namibia ist so gut wie tot. Wo werden wir in fünf Jahren stehen? Schon jetzt sind einige Personen in diesem Land unberührbar geworden."
Jackson Mwalundange versucht, die Gemüter wieder zu beruhigen. "Es mag hier viele Einschüchterungsversuche und viel Ungerechtigkeit geben", sagt der FFF-Mann. "Aber wenigstens haben wir in Namibia noch unsere Gesetze, die uns schützen. Wir haben Gerichte. Unsere Verfassung ist wasserdicht. Aber wir dürfen nicht zu faul sein, für uns selbst zu denken, sonst nutzen Andere uns aus und versuchen für uns zu denken. Unser größter Feind ist die Unwissenheit. Und ihr seid die Zivilgesellschaft, ihr seid das Volk. Ihr könnt für euch selbst reden."
Das Treffen ist von "Forum for the Future" einberufen worden. Einmal im Jahr lädt die namibische Nicht-Regierungsorganisation zu einem "Annual Sharing Meeting" ein. Das Wochenende soll dem Erfahrungsaustausch dienen. Eenhana könnte von Mariental lernen, die Probleme der Leute von Gobabis sind vielleicht ganz ähnlich wie die von den Menschen in Rundu. Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden. Man interessiert sich dafür, wie Andere mit den täglichen Herausforderungen an die Zivilgesellschaft umgehen. Vor allem aber verlässt man sich nicht auf die Unterstützung der Regierung. Man versucht sich selbst zu helfen.
Eine Bürgergruppe aus Karibib will Gelder für die Gründung eines Jugendzentrums suchen und eine Fußgängerbrücke bauen, damit die Einwohner der Vororte auch in der Regenzeit das Rivier ohne Lebensgefahr überqueren können. Eine Randgruppe aus Eenhana organisiert Diskussionsabende und versucht so etwas gegen die politischen Einschüchterungsversuche von Swapo-Unterstützern zu unternehmen. Einwohner aus Otjimbingwe wollen ein Kunsthandwerkszentrum errichten. Oshakati macht seine Mitbürger u.a. darauf aufmerksam, dass das Fischen in dem Abwasserdamm des Ortes gesundheitsschädlich ist.
Stampriet hat einen Fußballclub gegründet, setzt sich für Aids-Aufklärung ein und hätte gerne eine Stadtbibliothek. "Wir wollen gegen Korruption angehen", erklärt der jugendliche Vertreter ehrgeizig.
Die Gruppe von Usakos ist stolz darauf, landesweit bekannt zu sein dafür, dass sie Korruption in ihrem Stadtrat bekämpft hat. Einer ihrer Mitglieder sitze nun selbst in der Behörde, und sie fungiere als Bindeglied zwischen der Gesellschaft und dem neu ernannten Politiker. "Aber achtet darauf", warnt einer der Teilnehmer des Treffens, "dass ihr eure Unabhängigkeit bewahrt. Politiker kommen und gehen, aber ihr seid das Volk, und ihr bleibt."
Was all die kleinen Selbsthilfegruppen aus rund 30 verschiedenen Orten Namibias gemeinsam haben: Sie werden von "Triple F" unterstützt, FFF, dem "Forum für die Zukunft". Die namibische Organisation will bei dem Aufbau einer aktiven und selbstbewussten Zivilgesellschaft helfen und das demokratische Verständnis im unabhängigen Namibia fördern. Direkte finanzielle Zuwendungen gibt es von FFF nicht, aber seit ihrer Gründung vor rund zwei Jahren bietet die Organisation kostenlose Seminare an. "Understanding your National Budget" heißt eines davon. Es soll dem FFF-Zielpublikum verständlich machen, wie der Staatshaushalt funktioniert - und welches Anrecht Namibias Bürger auf die Nutzung dieser Gelder für die Entwicklung ihres Ortes, ihrer Stadt, ihrer Region haben.
Denn dass sie ein Mitbestimmungsrecht haben, ist für viele der FFF-Seminarteilnehmer neu. Anderen ist es zwar theoretisch bewusst, aber in der Praxis unmöglich. "In Tses gibt es keine Menschenrechte. In Tses gibt es keine Demokratie", sagt der einzige Vertreter aus dem 1500-Seelendorf in der Nähe von Mariental. In dem ehemaligen Missionsort sind 80 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Die Ortsverwaltung ist korrupt, behauptet der junge Mann aus Tses, aber seine Augenzeugenberichte würden von den leitenden Behörden ignoriert. Sie stecken alle unter einer Decke. Seit Jahren versuche er, seine Mitbürger zu mobilisieren und mit Projektvorschlägen die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Doch es herrsche Misstrauen, denn er gelte, obwohl treuer Swapo-Wähler, als Oppositioneller.
Das Thema politische Einschüchterung ist nun auf den Tisch gebracht. "Erfährt noch jemand in seiner Region Ähnliches?", will FFF-Mitarbeiter Jackson Mwalundange wissen.
Der Gruppenleiter von Okahandja steht auf. "Ich habe neulich ein Parlamentsmitglied getroffen", erzählt er. "Wir sind beide in Okahandja aufgewachsen, aber seit er im Parlament sitzt, leben wir gewissermaßen in ?Scheidung?." Die Zuhörer lachen.
"Er meinte zu mir: ?Ich weiß von diesen komischen FFF-Aktivitäten. Weißt Du: Wir haben gekämpft, und wir sind bereit zu sterben. Seid Ihr das auch??" Das Lachen verebbt.
Je weiter der Nachmittag im Konferenzraum von Okahandja voranrückt, desto mehr besorgte Stimmen melden sich zu Wort. "Lasst uns wachsam sein, lasst uns ehrlich sein!", fordert mit Nachdruck eine gehbehinderte Frau aus Ondangwa. Sie erzählt von Beamten, die sie benutzt hätten, um Gelder für Behinderte im Ausland zu generieren - Gelder, die nie ihre Bestimmung erreicht haben. Sie erzählt, und zwischendurch muss sie für Momente innehalten, denn ihre mühsam unterdrückten Tränen lassen ihre Stimme quäkig klingen. "Heute reist keiner mehr für mich ins Ausland. Ich spreche selbst für mich und meinesgleichen", sagt sie. "Und wenn mir gedroht wird, dann habe ich Angst. Aber ich halte deswegen nicht den Mund."
Ein Pastor aus Rehoboth berichtet von einem Kirchentreffen in Simbabwe. Dort habe man das neue Gesetz für Nicht-Regierungsorganisationen diskutiert, das alle NGOs verpflichtet, sich bei der Regierung registrieren zu lassen und klare Angaben über ihre Verfassungen und Zielsetzungen zu machen. FFF-Mitarbeiter George Haimbiri erzählt von einem kürzlichen SADC-Treffen, bei dem Botswana, Namibia und Swaziland als diejenigen Länder genannt worden seien, die in Zukunft dem Beispiel Simbabwes folgen könnten.
Ein etwa 30-jähriger Mann steht auf. "Ich habe Angst", sagt er. Sein dunkelhäutiges Gesicht wirkt blass. "Ich mache mir große, große Sorgen. Die Demokratie stirbt. Die Opposition in Namibia ist so gut wie tot. Wo werden wir in fünf Jahren stehen? Schon jetzt sind einige Personen in diesem Land unberührbar geworden."
Jackson Mwalundange versucht, die Gemüter wieder zu beruhigen. "Es mag hier viele Einschüchterungsversuche und viel Ungerechtigkeit geben", sagt der FFF-Mann. "Aber wenigstens haben wir in Namibia noch unsere Gesetze, die uns schützen. Wir haben Gerichte. Unsere Verfassung ist wasserdicht. Aber wir dürfen nicht zu faul sein, für uns selbst zu denken, sonst nutzen Andere uns aus und versuchen für uns zu denken. Unser größter Feind ist die Unwissenheit. Und ihr seid die Zivilgesellschaft, ihr seid das Volk. Ihr könnt für euch selbst reden."
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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