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Für und wider Vuvuzela: Südafrika nervt sich selbst

Eigentlich ist Jon Quelane ein Kommentator, der alles vermeintlich Afrikanische selbst dann noch verteidigt, wenn es daran wenig zu verteidigen gibt: etwa den schwarzen Rassismus von Simbabwes Diktator Robert Mugabe oder das harte Vorgehen vieler afrikanischer Regime gegen Schwule. Doch bei der Vuvuzela, einer lärmenden Plastiktröte, die nach Ansicht ihrer vielen Fans am Kap zum afrikanischen Kulturgut zählt, hat selbst sein Verständnis ein Ende. "Ich schaue Fußballspiele nur noch zu Hause - und zwar auf niedrigster Lautstärke" sagt er. "Denn die Vuvuzela ist ein Instrument aus der Hölle."

Quelane könnte am Kap schon bald zum Trendsetter werden. Noch ist die Vuvuzela im Gastgeberland der Fußball-WM zwar nicht annähernd so stark in die Kritik geraten wie in Deutschland, wo sich bereits erste Fanklubs gegen die Tröte formieren. Aber auch in Südafrika dreht die Stimmung - langsam. Immer mehr Fans befürchten nach den spielerisch wenig prickelnden Auftaktspielen inzwischen auch hier, dass der permanente Lärm den Spielfluss der Ballkünstler störe, weil sich die Kicker nicht ausreichend konzentrieren könnten. Das monotone Brummen unterbindet aber auch die sonst für den Fußball charakteristischen Gesänge und Anfeuerungen - es kommt quasi keinerlei Spontanstimmung auf.

Der Rugbyspieler Bandise Maku, der vergangenen Monat wegen der Verlegung zweier Rugbyspiele in ein Townshipstadion dort erstmals vor den (beim Rugby eigentlich verbotenen) Vuvuzelas spielte, äußerte Verständnis für die zunehmende Kritik an der Tröte aus dem Ausland: "Ich kann mir vorstellen, dass Spieler, die noch nie in einer solchen Atmosphäre gespielt haben, es sehr schwer haben. Man braucht einfach Zeit, um sich an den enormen Geräuschpegel zu gewöhnen."

Selbst der südafrikanische Fußballverband SAFA scheint zunehmend um das Image des Landes besorgt zu sein. Zwar erklärte WM-Organisationschef Danny Jordaan gerade erst von neuem, dass die Vuvuzela Teil dieser WM sei und nicht verboten werde. Allerdings solle fortan der Geräuschpegel gemessen werden. "Es gibt die Sorge, dass Notruf-Durchsagen übertönt werden könnten", räumte er ein. In Kapstadt hat man die Lautsprecheranlage wegen des enormen Krachs bereits lauter gedreht.

Erst zu Jahresbeginn hatte sich die Kapstädter Stadtverwaltung nach dem Bekanntwerden der extrem hohen Dezibelzahlen beim Vuvuzelablasen mit Verbotsgedanken getragen, ihn dann aber offenbar verworfen, um bei der WM nicht als Spielverderber zu gelten.

Einige Nationalteams haben von sich aus bereits auf die Vuvuzela reagiert: Dänemark will fortan nur Zuschauer ohne Vuvuzela den Besuch des Probetrainings gestatten. Andere Länder, darunter Spanien, wollen diesem Beispiel in Zukunft folgen.

Auch in den Leserbriefspalten der südafrikanischen Zeitungen tobt inzwischen eine Debatte über das Für und Wider der Tröte. "Vuvuzelas können unmöglich eine Tradition haben, weil es sie allenfalls zehn Jahre gibt. Eine Tradition bedeutet jedoch die Weitergabe eines Glaubens oder einer Sitte von einer Generation zur nächsten", gibt ein Dr. P. Mtimkulu zu bedenken. Andere warnen davor, den Kulturbegriff zu strapazieren, indem ein Stück Plastik aus chinesischer Produktion zum afrikanischen Kulturgut erhoben wird.

Dass der Lärm nicht nur im Ausland als störend empfunden wird, zeigt der landesweite Ansturm auf Ohrstöpsel. In einer Drogerie in Kapstadts historischer Long Street gingen binnen weniger Stunden mehr als 200 Paare über den Tresen, dann waren die Bestände restlos ausverkauft. "Wir können die Nachfrage einfach nicht befriedigen", sagte Anita Sarembock, die gleich weitere 1000 der begehrten "Vuvu-Stops" bestellte. Auf der Rückseite der Packung steht: "Hoch wirksam zur Lärmminderung, für Fußball- und Rugbyfans aber auch für couch potatoes (Dauerglotzer), um das Genörgele von Ehefrauen/Freundinnen zu blockieren."

Auch anderswo haben sich die Pfropfen als der bislang mit Abstand größte Verkaufsrenner der WM entpuppt. Selbst auf der anderen Seite der Tröte ist übrigens nicht alles gut: Viele Vuvuzelanutzer, die inzwischen als Vuvuzelaner bekannt sind, klagen über Blasen an den Lippen, spröde und gereizte Haut und Halsschmerzen - alles Folgen des oftmals extrem intensiven Pustens.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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