Freude daran, Teil der Natur zu sein
Betr.: Debatte zum Abschuss des besenderten Dorob-Löwen (AZ von Oktober 2013)
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal in persönlicher Kapazität in die Debatte um die Erlegung (nicht den Abschuss) des besenderten Dorob-Löwen einschalten. Dabei schließe ich mich der Hoffnung Herrn Ortwin von Gosslars aus dessen exzellentem Leserbrief an (AZ vom 25.10.2013) an, dass wir nämlich vielleicht einmal zu pragmatischer, sachlicher Betrachtung übergehen sollten.
Vor etwa 40 Jahren erkannten um den Naturschutz bemühte Institutionen, dass weder ein freiwilliger Jagdverzicht der Jägerschaft, noch ein Jagdverbot den Rückgang und das schlussendliche Verschwinden bedrohter Tierarten aufhalten konnten. Als Beispiel mag hierfür das Rebhuhn oder das Birkhuhn in Deutschland angeführt werden. Diese Erkenntnis hatte eine großangelegte Studie des WWF zur Folge, welche die wahren Ursachen für das Verschwinden vieler Tierarten ergründen sollte. Zur Überraschung vieler Jagdgegner konnte die regulierte Jagdausübung nicht unter diesen Ursachen identifiziert werden. Folgende fünf Hauptgründe wurden jedoch festgestellt: 1. intensive Landwirtschaft, 2. Luft- und Gewässerverschmutzung, 3. Straßenverkehr, 4. Verbauung und Gewässerregulierung, 5. Zerstörung der natürlichen Lebensräume.
Man mag wünschen, dass all jene, die in den vergangenen Wochen die Jagd als „pervers und verachtungswürdig“ bezeichnet haben, weil der „Tod eines Lebewesens ganz bewusst in Kauf genommen wird“, nicht nur Vegetarier sind, sondern vor allem ihr eigenes berufliches und privates Tun vor den oben genannten, wahren Ursachen des Verschwindens vieler Tierarten selbstkritisch beleuchtet haben.
In der Natur gehört der Tod eines Einzelwesens täglich hundertfach zur Populationsdynamik jeder Tierart, ohne dass es deswegen zu einer Bedrohung der Art oder ihres Lebensraumes kommt. Ganz anders sieht es dagegen mit Faktoren wie beispielsweise Umweltverschmutzung, Verbauung und Zerstörung natürlicher Lebensräume durch die Bedürfnisse moderner Menschen aus. Wie weit die Schere zwischen den Ansprüchen einer übersättigten Wohlstandsgesellschaft (deren Beitrag zum Naturschutz sich weitgehend auf Internetparolen und Fußtritte unter die Gürtellinie der Jägerschaft beschränkt) auf der einen und Menschen, die am Existenzminimum leben, auf der anderen Seite auch in Namibia inzwischen auseinanderklafft, sieht man an der ausufernden Wilderei.
An der Achse der Schnittflächen dieser Schere bemühen sich Jäger und Farmer verzweifelt um den Erhalt ausreichender Lebensräume für herrliche Wildtiere. Zur Lösung des Problems reicht es nicht, der Jägerschaft für hohe Prämien zähneknirschend die Exekution eines vorher identifizierten, ganz bestimmten Löwen einzuräumen, um bei der nächstbesten Gelegenheit wieder zu einem Rundumschlag auszuholen. Es geht darum, sich einmal unvoreingenommen mit den Motiven der Jägerschaft auseinanderzusetzen und dies ist das Anliegen dieses Beitrages.
Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass es wissenschaftlich als erwiesen gilt, dass die Abspaltung des Menschen von einem animalischen zu einem kulturfähigen Wesen sich zu dem Zeitpunkt vollzog, als der Frühmensch Homo erectus sich vom reinen Pflanzenfresser zu einem Mischkostesser mit hohem Fleischanteil umstellte. Die für den Anstieg des Gehirnvolumens erforderliche Energie während des „Menschwerdens“ war nur durch Fleischverzehr möglich. Die „Menschwerdung“ war also nur durch einen ausgeprägten Jagdinstinkt möglich. Jagen ist also zunächst einmal nichts „abartiges“, sondern inhärenter Bestandteil der menschlichen Natur.
Das Bedürfnis vieler Menschen, ursprüngliche Natur zu erleben, ist bei der Jägerschaft derart ausgeprägt, dass sie Freude daran hat, Teil der Natur zu sein und eine Befriedigung daraus schöpft, zumindest bisweilen ein ursprüngliches, naturnahes Leben zu führen. Nichts anderes. Ein Jäger hat keine Freude am Töten. Er muss bisweilen selektiv und nachhaltig töten, um gejagt zu haben. Ist es denn wirklich so unverständlich, wenn er sich zur Erinnerung an das Jagderlebnis oder aus Freude an der Schönheit des Kopfschmuckes der Jagdbeute das Gehörn eines Kudus an die Wand hängt? Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, würde man den „feige Heckenschützen“-Argumentationen entgegnen wollen.
Es sollte nur zur Kenntnis genommen werden, dass das Jagen eine Tätigkeit ist, die, wenn sie bewusst und verantwortungsvoll ausgeübt wird, eine wertvolle ursprüngliche Tätigkeit ist, die dem Menschen hautnahe, oft unbequeme Einblicke in den Werdegang allen Seins und Werdens gewährt. Sie verhilft zu fundamentalem Naturverständnis und ist als solche eine Schule des Lebens – dies hat man in naturentfremdeten Gesellschaften, die darauf aus sind, ihre Umwelt komplett zu ruinieren, vollständig vergessen.
Kai-Uwe Denker, Omaruru
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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