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Friedrich Engels: „Champagner-Kommunist“ und treuer Freund
Friedrich Engels: „Champagner-Kommunist“ und treuer Freund

Friedrich Engels: „Champagner-Kommunist“ und treuer Freund

Steffi Balzar
Wuppertal (dpa) – „Fritz komm nach Hause“, soll die Reaktion von Vater Engels gewesen sein, als er 1849 seinen revolutionär eingestellten Sohn auf den Barrikaden von Wuppertal entdeckte. Doch Friedrich Engels junior blieb aktiv und prangerte das soziale Elend der Arbeiter an. Das hatte er schon ein Jahr zuvor mit seinem Freund Karl Marx im „Manifest der Kommunistischen Partei“ getan, das heute zu den wichtigsten Publikationen des 19. Jahrhunderts gezählt wird und Teil des Unesco-Weltdokumentenerbes ist.
Engels wurde 1820 in Barmen, das heute zu Wuppertal gehört, geboren. Er war gelernter Kaufmann, ging ins Exil nach England, wo Marx lebte. Der in Deutschland per Steckbrief Gesuchte verdiente sein Geld fortan in Manchester bei der Firma Ermen & Engels, an der seine Familie Anteile hatte. Und wurde ein wichtiger Kopf der europäischen Sozial- und Gesellschaftskritik. Vor 125 Jahren, am 5. August 1895, starb Engels in London: Er war Bürgersohn, Arbeiterführer, Herausgeber des „Kapitals“, Privatgelehrter, Vielschreiber und Bohemien.
Eine Rückbesinnung auf Marx und Engels habe es mit einer „Renaissance linken Denkens“ im Zuge der Finanzkrise ab 2007 gegeben, konstatiert Lars Bluma, der Leiter des Historischen Zentrums Wuppertal, zu dem auch ein Wohnhaus der Familie gehört. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gibt die Veröffentlichungen und Briefe der beiden in einer neuen Gesamtausgabe heraus. Bis Ende August zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn in der Ausstellung „Wir Kapitalisten“ wie das ökonomische System auch als Gesellschaftsordnung das Denken, Fühlen und Dasein seit Jahrhunderten prägt.
Als „Champagner-Kommunisten“, beschrieb sein Biograf Tristram Hunt den auf Fotos makellos gekleideten, bärtigen Engels. Karl Marx, der mit seiner Familie in London meist knapp bei Kasse war, profitierte jahrzehntelang von der Unterstützung.
Allerdings war der Mäzen weit mehr als Geldgeber. „Engels stand mehr im Leben als Marx. Marx kam von der Philosophie, Engels kannte das Kaufmannsleben und die Praxis der Industrialisierung“, sagt der Historiker und Autor Jürgen Herres. Schon als junger Mann äußerte er sich empört über die Zustände im Wuppertal, einem industriellen und religiösen Zentrum: „Und ein Kind mehr oder weniger verkommen zu lassen, bringt keinen Pietistenseele in die Hölle, besonders, wenn sie alle Sonntage zwei Mal in die Kirche geht“, höhnte er.
In Manchester führte Engels ein Doppelleben: Tagsüber im Kontor - den „Commerce“ verfluchte er immer wieder - abends besuchte er Arbeiterversammlungen. Er hatte zwei Wohnungen: Eine offizielle für den Geschäftsmann, der auf die Jagd ging, ein Pferd hatte, guten Wein und Hummer schätzte. In der zweiten Wohnung lebte er ohne Trauschein mit seiner irischen Freundin, einer politisierten Arbeiterin, die kaum lesen und schreiben konnte, und deren Schwester.
Marx und Engels schrieben sich Briefe, fast 1400 sind erhalten. Ein vor Mitternacht in Manchester aufgegebener Brief kam anderntags etwa um 13 Uhr bei Marx an. Ihren Dialog führten sie in einem „kuriosen englisch-französisch-lateinisch-deutschen Kauderwelsch“, wie ein Biograf schrieb. Mit „Dear Fred“ begann Marx. Engels leitete seine Post oft ein mit „Lieber Mohr“ - so wurde Marx in seiner Familie genannt. Und dann tauschten sie sich mit sehr lockerer Zunge aus über Klatsch, Krankheiten, Freund wie Feind der Arbeiter und Geld.
Nach fast zwanzig Jahren in der Firma konnte Engels von seinem Vermögen leben. Er zog nach London, ein paar Fußminuten von Marx entfernt. Immer wieder mahnte der gut organisierte, sprachbegabte Engels den Freund zur Arbeit. Engels sah sich lediglich als Talent neben dem Genie. „Er ließ keine Gelegenheit aus, Marx zu preisen“, sagt Historiker Herres. Als 1867 der erste Band von „Das Kapital“ erschienen war, gab Engels sogar anonym Zeitungsanzeigen dafür auf.
Nach Marx' Tod im Jahr 1883 veröffentlichte Engels aus den Manuskripten Band zwei und drei des Werks. Wie genau sie sich den Kommunismus vorstellten, blieb vage. Engels bekam in London oft Besuch von Sozialdemokraten in seinem gastfreundlichen Haus. Besonders mit August Bebel fühlte er sich verbunden.
Zum 200. Engels-Geburtstag am 28. November 2020 wurden in Wuppertal sogar Gräber seiner protestantischen Industriellenfamilie renoviert. Engels selbst hatte bestimmt, dass nach seinem Tod die Urne mit seiner Asche im Meer versenkt wird. Seine Freundin, die irische Katholikin Lizzy, hatte der Ehegegner wenige Stunden vor ihrem Tod geheiratet.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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