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Frontenverhärtung im südlichen Afrika?

Wie man sich irren kann: Die Machtübernahme Mugabes, ohne sowjetische Patronage, diene genau besehen der Sicherung britischer Interessen, meinte der mit deren Wahrung beauftragte Chef-Unterhändler und Außenminister Lord Carrington im letzten Stadium der Dekolonisierungsverhandlungen im Übergang Rhodesiens zu Simbabwe. Der Günstling bedankte sich seinerzeit denn auch artig bei dem keinesfalls freiwillig aus dem Amte scheidenden rhodesischen Vorgänger Ian Smith (der Mitte der 1960er Jahre die einseitige Unabhängigkeit der Siedlerkolonie vom britischen Empire proklamiert hatte) dafür, dass er ihm das Juwel Afrikas überlassen habe. Bei den Unabhängigkeitsfeiern im April 1980 befleißigte sich Tansanias Präsident Julius Nyerere der Zustimmung und blieb im Bilde, als er den Genossen ermahnte, mit dem ererbten Kleinod pfleglich umzugehen.

Solch rückblickende Zitate haben Hochsaison und mahnenden Erinnerungswert, denn der einstige Brotkorb ist zum Armenhaus des Kontinents degeneriert. Kaum jemand versucht sich noch in Gesundbeterei - wenngleich Mugabe selber auf dem Johannesburger Earth Summit insistierte, seine Landreform wäre die Voraussetzung dauerhafter Entwicklung und Großbritannien trage die alleinige Schuld an der Misere seines Landes. Diese Sicht wird am ehesten von einigen altersstarrsinnigen afrikanischen Autokraten mit eklatantem Realitätsverlust geteilt, die ihre nachkolonialen Gesellschaften als Selbstbedienungsläden missverstanden und dementsprechend heruntergewirtschaftet haben. Dennoch streiten sich die Geister, ob die für Millionen von Menschen lebensbedrohliche Krise von der Destabilisierung und Sabotage durch den imperialistischen Westen und die (neo-)kolonialen weißen Handlanger - verkörpert durch die kommerziellen Farmer im Lande, die hartnäckig und trotz militanter Landreform an der Scholle festzuhalten versuchen - verursacht oder Folge der bereits vor 40 Jahren von Frantz Fanon in seinem Manifest über "Die Verdammten dieser Erde" beschworenen "Missgeschicke des nationalen Bewusstseins" einer am Machterhalt und der Selbstbereicherung orientierten nachkolonialen kleptokratischen Elite ist.


Wie so oft vereint der Versuch einer halbwegs objektiven, differenzierten Analyse beide Sichtweisen und tut sich allenfalls bei deren jeweiliger Gewichtung schwer. An der deprimierenden Bestandsaufnahme des Jahres 2002 ändert dies nichts. Simbabwe hat einen rasanten sozial-ökonomischen Niedergang hinter sich, dessen Ursachen so überraschend nicht kommen - die Verfallserscheinungen sind schon seit Jahren sichtbar. Auch diejenigen, die dem "kontrollierten Wandel" unter den einengenden Rahmenbedingungen des Lancaster House-Abkommens sowie den fatalen Konsequenzen der von den internationalen Finanzinstitutionen aufgezwungenen Strukturanpassung ursächliche Mitverantwortung zumessen, konzedieren zumeist, dass die Regierung Mugabe keinesfalls nur hilfloses Opfer, sondern Erfüllungsgehilfe einer neoliberalen Wirtschaftspolitik gepaart mit wachsenden internen Repressionen gegenüber einer sich formierenden Opposition war. So setzte sich die gewalttätige Tradition des Befreiungskampfes (Chimurenga) über die brutale Einschüchterung bis hin zur systematischen Liquidierung aller als "Dissidenten" Verdächtigten im Matabeleland zu Mitte der 1980er Jahre (Gukurahundi) fort bis zur derzeitigen gezielten Unterdrückung der Bevölkerungsmehrheit, wie sie im auch auf Einschüchterung gründenden Wahlbetrug vom März dieses Jahres kulminierte. Dessen Duldung durch die mit der New Partnership for Africa"s Development (Nepad) und deren Kanon an "guter Regierungsführung" gerade hausierenden Staatschefs machten den Stimmenklau - im Gegensatz zur relativen Gleichgültigkeit in anderen Fällen - zu einem international relevanten Ereignis.


Die Kopfschmerzen, die Mugabe und Co. mit ihrer Verhöhnung von Demokratie und Menschenrechten den um neue Partnerschaft im Zeichen der Liberalisierung globaler Märkte bemühten Regierungschefs insbesondere aus Nigeria und Südafrika und deren Glaubwürdigkeit hinsichtlich des formulierten Postulats kollektiver Verantwortung bereiten, dürften sich mit dem Auftritt des um Mugabe gescharten Fan-Clubs Anfang September in Johannesburg keinesfalls gelegt haben. Sucht Nepad den gezielten Interessenausgleich mit den Industrieländern (wobei Zweifel angebracht sind, dass es einen solchen angesichts der ungleichen politischen und insbesondere ökonomischen Strukturen auf dieser Erde zumindest für die Mehrheit der davon Betroffenen in den Ländern des Südens tatsächlich geben kann), spuckt die vordergründig antiimperialistische Rhetorik einer sich radikal gebärenden Gruppierung im Dunstkreis des libyschen Staatschefs diesen "Realpolitikern" kräftig in die Suppe.


So ist es gewiss kein Zufall, dass sich Nepad parallel zum Bemühen Ghadaffis entwickelte, die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) in eine Afrikanische Union (AU) umzumodeln, die seinen Hegemonialvorstellungen hinsichtlich des Kontinents entgegenkommen sollte. Stattdessen ergriffen mit Olusegun Obasanjo als Ex-Chef einer Militärjunta und nunmehr in der Ära nach Abacha als demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt ein Hoffnungsträger für Reformen sowie Thabo Mbeki als Repräsentant des neuen demokratischen Staates am Kap (das nach der Apartheid weltweit wieder als eines der guten Hoffnung wahrgenommen wurde) eine sich komplementär gebende aber eigentlich doch kollidierende Initiative, die jenseits panafrikanischer Solidaritätsfloskeln auf einen neuen Kuhhandel mit den Mächtigen außerhalb des Kontinents setzte. Während Mugabe an die Adresse des Regierungschefs im ehemaligen "Mutterland" vom Podium des Johannesburger Konferenz-Zentrums aus mahnte, er solle sein England behalten und ihm sein Simbabwe lassen (wie verräterisch solche Phrasen mitunter doch sein können), kommentierte Obasanjo die Rede Mugabes als "wenig hilfreich" für die angestrebte Zusammenarbeit. Der erntete jedoch keinesfalls nur Kritik für seine Frontalattacke, sondern auch zustimmenden Applaus .


Bereits im Vorfeld des Johannesburger Gipfels hatte die Regierung Mosambiks in einer offiziellen Verlautbarung die Landreform Simbabwes unterstützt. Ein Treffen auf Ministerebene des Sadc-Sicherheitsorgans hatte noch im August der Regierung des Mitgliedstaates offizielle Glückwünsche zum Wahlergebnis übermittelt. Mit akuter Schützenhilfe wartete auch der namibische Präsident und eingeschworene Busenfreund Mugabes auf (die geteilte Abneigung gegen den bereits zu Lebzeiten zum "Heiligen" stilisierten Nelson Mandela festigte die gemeinsame Bande jenseits der Tagespolitik des nachkolonialen Alltags in der Region). Sam Nujoma, der bereits nach dem AU-Gipfeltreffen in Durban vor Nepad als gefährliche neue Einflussnahme der ehemaligen Kolonialländer gegenüber den unabhängigen Ländern Afrikas warnte, ging in Johannesburg noch weiter. Nicht nur erteilte er Mugabe die vollständige Absolution und geißelte Großbritannien als den eigentlichen Missetäter, sondern er verstieg sich - erst einmal in Rage gekommen - in einem Interview mit der britischen BBC zu Äußerungen, die allenfalls Ressentiments gegenüber alternden Pseudo-Revolutionären mit manifest autoritärem Charakter und dementsprechend totalitärer Mentalität bekräftigten. Wie er bei seiner Rückkehr nach Namibia im Beisein von Journalisten kund tat, habe er es denen gezeigt. In dem Interview hatte er u.a. damit gedroht, dass die AU gegenüber der EU Sanktionen verhänge, falls diese die ihren gegenüber Simbabwe nicht sofort aufhebe. Er erklärte weiter, dass er von den Beleidigungen dieser Leute genug habe und sie ihr Geld behalten könnten. Gute Regierungsführung, Menschenrechte, Lesben, all das was sie der eigenen (afrikanischen) Kultur zu oktroyieren versuchten, sollten sie gefälligst in Europa behalten. Bereits unmittelbar nach den Wahlen in Simbabwe sorgte die ehemalige Befreiungsbewegung Swapo mit einer Glückwunschbotschaft an die Zanu/PF für Aufsehen, in der sie den Wahlbetrug als einen Sieg über Neokolonialismus, Imperialismus und von außen gesteuerte Marionetten sowie die Mächte der Finsternis und Verderbnis feierte.


Es wäre gewiss allzu leichtfertig, all dies als nicht ernst zu nehmende Entgleisungen wenig staatsmännisch agierender, selbstherrlicher Diktatoren abzutun. Sowohl Mugabe wie auch Nujoma finden Zuspruch von Gleichgesinnten nicht nur in der eigenen Partei und ihrer jeweiligen Bevölkerung, sondern auch anderswo in der Region, auf dem Kontinent und unter den im globalen Kontext letztlich - trotz mitunter (wie sie selbst) mit Zugriff auf begrenzte Macht ausgestatteten - Marginalisierten. Sie sind somit repräsentativ für eine neue Generation von "Verdammten dieser Erde" und Produkt eben jener Globalisierungstendenzen, die sie so vehement zurückweisen. Im Kontext Afrikas machen sich die unterschiedlichen Strategien gegenüber der neuen weltwirtschaftlichen und -politischen Lage seit dem Ende der Bi-Polarität auch daran fest, wer sich wie zur AU und zur Nepad verhält. Es herrscht ein kaum verschleierter Interessen- und Machtkonflikt um die Vormachtstellung auf dem Kontinent. Im Zuge der weiteren Polarisierung und Eskalation, wie sie anlässlich des Johannesburger Umweltgipfeltreffens tendenziell zu erkennen war, wird es dabei auch für diejenigen schwieriger, die sich bislang scheuten, eine klare Position zu beziehen.


Ironischerweise war es der simbabwische Informationsminister Jonathan Moyo, der im Vorfeld des World Summit on Sustainable Development (WSSD) davor gewarnt hatte, diesen als Plattform für Angriffe auf sein Land zu missbrauchen. Während er drohte, dass sich Simbabwe nicht von australischen Kängurus herumkommandieren lasse, mussten dann stattdessen diese im mit über hundert Staatsoberhäuptern gefüllten Plenarsaal die Prügel einstecken. Angesichts der anhaltenden Konfrontation und einer um sich greifenden Lagermentalität gerät Nepad-Architekt Thabo Mbeki ob seiner Zurückhaltung gegenüber Mugabes destruktivem Kurs zunehmend unter Druck. Nachdem in Harare Ende August ein "Kriegskabinett" formiert wurde, meldete sich jetzt erstmals das in der South Africa Foundation zusammengeschlossene Großkapital mit einer Kritik an Mbekis vorgeblicher stiller Diplomatie, die Mugabes katastrophale Politik nicht habe stoppen können. Die Stiftung - Zusammenschluss der 60 größten Firmen Südafrikas (u.a. die südafrikanischen Niederlassungen von BMW, Volkswagen und Siemens) - bemängelt damit erstmals die südafrikanische Politik.


Der eigentliche Skandal aber fand und findet außerhalb des Tagungsortes statt. Er wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen in seiner Eröffnungsrede benannt. Kofi Annan erinnerte an die 13 Millionen Menschen, die in der Region derzeit vom Hungertod bedroht sind und die wirkliche Herausforderung verkörpern. Er versagte sich allerdings den ausdrücklichen Hinweis, dass letztlich alle Kontrahenten zu verantworten haben, dass es sie gibt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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