Gefangen in sich selbst - allein in einer eigenen Welt
Michaels Kinderzimmer ist penibel aufgeräumt. Spiele und Bilderbücher stehen ordentlich in den Regalen, Plüschtiere liegen zuhauf auf dem oberen Teil eines Stockbettes. Nur ein großer Haufen bunter Murmeln in einer Ecke lässt darauf schließen, dass das Zimmer bewohnt ist. Michael ist achtzehn Jahre und Autist.
Seine Mutter Petra lebte mit ihrem Mann Heiner Dillmann in Harrismith/Südafrika und arbeitete freischaffend als Buchhalterin und Betriebsberaterin, als Michael im März 1989 auf die Welt kam. Bereits einen Monat nach der Geburt bemerkte Frau Dillmann, dass Michaels Entwicklung verzögert war. Er reagierte nicht wie andere Kinder in diesem Alter. Zusammen mit einer Ergotherapeutin arbeitete sie daran - doch vergeblich. Der Verdacht, Michael könnte autistisch veranlagt sein, wächst. Die unmittelbare Umgebung verhält sich unterschiedlich: Die einen wollen es nicht wahrhaben, die anderen relativieren es. Anfangs ging es Frau Dillmann ebenso und sie setzte alles daran, Michael die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Er kam auf eine Warteliste für die Unica-Schule in Pretoria, die auf autistische Kinder spezialisiert ist. Allerdings können nur alle vier Wochen jeweils zwei Kinder getestet werden. Michas Wartezeit betrug acht Monate. Im August 1991 wurde endlich der vierstündige Test von Ergotherapeuten, Psychologen und Logopäden vorgenommen. Der Verdacht bestätigte sich: Michael ist autistisch.
Zu dieser Zeit befindet sich Frau Dillmann zum zweiten Mal in anderen Umständen. "Diese Schwangerschaft war für mich eine schlimme Zeit, da ich nicht wusste, wie sich das zweite Kind entwickeln würde", erinnert sie sich. Doch Florian, der im darauf folgenden Juni geboren wird, entwickelt sich normal. Natürlich war es schwierig, Liebe und Aufmerksamkeit gerecht zu verteilen, da Michael vor allem seine Mutter stark beansprucht.
In den kommenden Jahren macht sich Petra Dillmann mit allem vertraut, was je über Autismus veröffentlicht wurde. Sie wird Mitglied in verschiedenen Autismusverbänden in Amerika, Großbritannien, Australien, Deutschland, Holland, Singapur, Kanada und Südafrika. Seit 1992 besuchte und absolvierte Frau Dillmann verschiedene Kurse und Schulungen im so genannten START Home Programme (Strive Towards Achieving Results Together - ein in Südafrika entwickeltes Hausprogramm, womit ermittelt werden kann, wie weit das Kind in den verschiedenen Stadien, Grob- & Feinmotorik sowie Sprache und Alltagsfertigkeiten entwickelt ist. Dazu gibt es Anleitungen, wie man die Entwicklung auf dem jeweiligen Gebiet fördern kann). Zudem schulte sie sich in Kinesiologie (Lehre der Bewegungen und Muskeln), Spiel- und Musik-Therapie sowie Ernährungslehre. 1995, nach ihrem Umzug nach Windhoek, war sie Mitbegründerin des dortigen Zweigs der namibischen Behinderten-Organisation CHAIN (Children with Handicaps Action in Namibia mit Sitz in Swakopmund). Weitere Schulungen und Autismus-Konferenzen in Südafrika, Schottland, Australien und Deutschland folgten. Schließlich wird 2001 Autism Namibia gegründet. "Wenn ich jetzt so zurückblicke, sehe ich, dass wir doch einiges erreicht haben", so Dillmann. "Wer so viel mit Autismus zu tun hat, erhält eine völlig andere Lebenseinstellung. Um einen Autisten zu verstehen, muss man sich auf die gleiche Stufe wie er stellen. Die ist natürlich nicht immer niedriger. Dabei lernt man, vieles mit anderen Augen zu betrachten." Das größte Problem ist die Kommunikation zwischen Michael und seiner Familie. Inzwischen versteht Frau Dillmann ihren Erstgeborenen ganz gut, doch nicht immer weiß sie, was er möchte, da ständig neue Worte von ihm kreiert werden. Mit Hilfe eines selbst angefertigten Buches werden täglich Verständnisübungen gemacht. Auf jeder Seite wird mit Hilfe von laminierten Bildern eine Alltagssituation dargestellt, wie etwa Frühstücken, Badezimmer, Garten etc. Frau Dillmann lässt Michael die jeweiligen Bilder zu einer dieser Situationen dazu aussuchen. Dabei wird laut ausgesprochen, was auf dem Bild zu sehen ist. So erfährt Frau Dillmann, wie Michael beispielsweise ein Glas oder eine Blume benennt. "Man lernt schnell, jeden kleinen Fortschritt zu schätzen", so Frau Dillmann. "Wie oft habe ich früher von Müttern gehört, wie deren Kinder mit Krabbeln anfingen und dabei vieles herunterrissen und Schränke leer räumten. Wie froh wäre ich gewesen, wenn Michael dies alles hätte machen können". Sie war glücklich, dass der zweite Sohn Florian nicht solche Schwierigkeiten hatte. Jedoch fühlte er sich oft übergangen.
Das ist ein großes Problem bei vielen Kindern, die behinderte Geschwister haben - sie fühlen sich vernachlässigt, selbst wenn kein Grund dafür besteht. Als Florian sechs Jahre alt war, hatte er sich sogar gewünscht, ebenfalls autistisch zu sein. So kam zu dem Aufwand, der ein behindertes Kind erfordert: Man muss sich besondere Mühe geben, damit die anderen Familienmitglieder nicht zu kurz kommen oder sich vernachlässigt fühlen.
Täglich erhält Frau Dillmann Anrufe von Eltern, Lehrern oder Therapeuten, die Hilfe, Ideen oder Rat suchen für Personen mit Autismus oder anderen Behinderungen. Es gibt so viel zu tun. Informationen über Autismus müssen in Afrikaans und andere Landessprachen übersetzt werden, so dass man schneller mehr Menschen mit eindrücklichen Infos erreichen kann. "Autism Namibia" müsste dringend jemanden anstellen, der die Arbeit weiterführt, Gelder sammelt und die Organisation ausbaut, doch dazu fehlt es an finanziellen Mitteln. Auch gibt es in ganz Namibia kein Autismuszentrum mit entsprechender Bibliothek oder Trainings- und Hilfsmöglichkeiten. Die Schulangebote müssten, genauso wie die Erwachsenenangebote, erweitert werden. Denn was sollen die autistischen Kinder einmal machen, wenn sie erwachsen sind? "Was ich mir für mich wünsche?", fragt Petra Dillmann. "Dass ein Kommunikationssystem ausgebaut wird, mit dem sich Michael in seiner Umgebung verständlich machen kann."
Wie erkenne ich, dass mein Kind autistisch veranlagt sein könnte?
Der frühkindliche Autismus ist eine schwere Entwicklungsstörung, die sich spätestens bis zum dritten Lebensjahr zeigt. Es handelt sich dabei um eine tiefgreifende Beziehungs- und Kommunikationsstörung, die diese Kinder oft unfähig macht, zu anderen Personen, selbst zu den eigenen Eltern, ein normales Verhältnis herzustellen. Diese Kinder können zunächst keine Geste, kein Lächeln, kein Wort verstehen. Viele vermeiden jeglichen Blick- und Körperkontakt.
Jede Veränderung in ihrer Umwelt erregt sie stark. Auch können sie nicht spielen und benutzen ihr Spielzeug in immer gleicher, oft zweckentfremdeter Art und Weise.
Autistische Kinder haben häufig vom Säuglingsalter an Probleme beim Essen und Schlafen und entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen, die bis zur Selbstverletzung reichen können.
Sie bestehen zwanghaft auf ganz bestimmte Ordnungen oder können ihre Eltern zur Verzweiflung bringen durch exzessives Sammeln bestimmter Gegenstände, durch ihre Weigerung, bestimmte Kleidung zu tragen oder durch Wiederholung immer derselben Verhaltensweisen bzw. sprachlichen Äußerungen.
Die intellektuelle Begabung autistischer Kinder ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von geistiger Behinderung bis hin zu normaler oder hoher Intelligenz, wobei manche Kinder erstaunliche Teilleistungen im Rechnen, technischen Disziplinen, Musik und auf anderen Gebieten zeigen.
Nach internationalen Untersuchungen sind von 1000 Kindern vier bis fünf autistisch. Von der Störung sind Jungen drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen. Frühkindlichen Autismus findet man in Familien aller Nationalitäten und sozialer Schichten. Es gibt trotz umfangreicher Forschungsergebnisse bislang noch kein Erklärungsmodell, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen belegen kann.
So wichtig die Forschung für ein besseres Verständnis des Syndroms auch sein mag, so lassen sich doch keine theoriegeleiteten Ansätze für eine Förderung autistischer Kinder daraus ableiten. So unterschiedlich sich die ursächlichen Faktoren für das Syndrom darstellen, so vielfältig und jeweils am einzelnen Kind ausgerichtet müssen die pädagogischen und therapeutischen Ansätze sein.
Mehr Information zu Autism Namibia gibt Ihnen Petra Dillmann unter 061 - 224561
Seine Mutter Petra lebte mit ihrem Mann Heiner Dillmann in Harrismith/Südafrika und arbeitete freischaffend als Buchhalterin und Betriebsberaterin, als Michael im März 1989 auf die Welt kam. Bereits einen Monat nach der Geburt bemerkte Frau Dillmann, dass Michaels Entwicklung verzögert war. Er reagierte nicht wie andere Kinder in diesem Alter. Zusammen mit einer Ergotherapeutin arbeitete sie daran - doch vergeblich. Der Verdacht, Michael könnte autistisch veranlagt sein, wächst. Die unmittelbare Umgebung verhält sich unterschiedlich: Die einen wollen es nicht wahrhaben, die anderen relativieren es. Anfangs ging es Frau Dillmann ebenso und sie setzte alles daran, Michael die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Er kam auf eine Warteliste für die Unica-Schule in Pretoria, die auf autistische Kinder spezialisiert ist. Allerdings können nur alle vier Wochen jeweils zwei Kinder getestet werden. Michas Wartezeit betrug acht Monate. Im August 1991 wurde endlich der vierstündige Test von Ergotherapeuten, Psychologen und Logopäden vorgenommen. Der Verdacht bestätigte sich: Michael ist autistisch.
Zu dieser Zeit befindet sich Frau Dillmann zum zweiten Mal in anderen Umständen. "Diese Schwangerschaft war für mich eine schlimme Zeit, da ich nicht wusste, wie sich das zweite Kind entwickeln würde", erinnert sie sich. Doch Florian, der im darauf folgenden Juni geboren wird, entwickelt sich normal. Natürlich war es schwierig, Liebe und Aufmerksamkeit gerecht zu verteilen, da Michael vor allem seine Mutter stark beansprucht.
In den kommenden Jahren macht sich Petra Dillmann mit allem vertraut, was je über Autismus veröffentlicht wurde. Sie wird Mitglied in verschiedenen Autismusverbänden in Amerika, Großbritannien, Australien, Deutschland, Holland, Singapur, Kanada und Südafrika. Seit 1992 besuchte und absolvierte Frau Dillmann verschiedene Kurse und Schulungen im so genannten START Home Programme (Strive Towards Achieving Results Together - ein in Südafrika entwickeltes Hausprogramm, womit ermittelt werden kann, wie weit das Kind in den verschiedenen Stadien, Grob- & Feinmotorik sowie Sprache und Alltagsfertigkeiten entwickelt ist. Dazu gibt es Anleitungen, wie man die Entwicklung auf dem jeweiligen Gebiet fördern kann). Zudem schulte sie sich in Kinesiologie (Lehre der Bewegungen und Muskeln), Spiel- und Musik-Therapie sowie Ernährungslehre. 1995, nach ihrem Umzug nach Windhoek, war sie Mitbegründerin des dortigen Zweigs der namibischen Behinderten-Organisation CHAIN (Children with Handicaps Action in Namibia mit Sitz in Swakopmund). Weitere Schulungen und Autismus-Konferenzen in Südafrika, Schottland, Australien und Deutschland folgten. Schließlich wird 2001 Autism Namibia gegründet. "Wenn ich jetzt so zurückblicke, sehe ich, dass wir doch einiges erreicht haben", so Dillmann. "Wer so viel mit Autismus zu tun hat, erhält eine völlig andere Lebenseinstellung. Um einen Autisten zu verstehen, muss man sich auf die gleiche Stufe wie er stellen. Die ist natürlich nicht immer niedriger. Dabei lernt man, vieles mit anderen Augen zu betrachten." Das größte Problem ist die Kommunikation zwischen Michael und seiner Familie. Inzwischen versteht Frau Dillmann ihren Erstgeborenen ganz gut, doch nicht immer weiß sie, was er möchte, da ständig neue Worte von ihm kreiert werden. Mit Hilfe eines selbst angefertigten Buches werden täglich Verständnisübungen gemacht. Auf jeder Seite wird mit Hilfe von laminierten Bildern eine Alltagssituation dargestellt, wie etwa Frühstücken, Badezimmer, Garten etc. Frau Dillmann lässt Michael die jeweiligen Bilder zu einer dieser Situationen dazu aussuchen. Dabei wird laut ausgesprochen, was auf dem Bild zu sehen ist. So erfährt Frau Dillmann, wie Michael beispielsweise ein Glas oder eine Blume benennt. "Man lernt schnell, jeden kleinen Fortschritt zu schätzen", so Frau Dillmann. "Wie oft habe ich früher von Müttern gehört, wie deren Kinder mit Krabbeln anfingen und dabei vieles herunterrissen und Schränke leer räumten. Wie froh wäre ich gewesen, wenn Michael dies alles hätte machen können". Sie war glücklich, dass der zweite Sohn Florian nicht solche Schwierigkeiten hatte. Jedoch fühlte er sich oft übergangen.
Das ist ein großes Problem bei vielen Kindern, die behinderte Geschwister haben - sie fühlen sich vernachlässigt, selbst wenn kein Grund dafür besteht. Als Florian sechs Jahre alt war, hatte er sich sogar gewünscht, ebenfalls autistisch zu sein. So kam zu dem Aufwand, der ein behindertes Kind erfordert: Man muss sich besondere Mühe geben, damit die anderen Familienmitglieder nicht zu kurz kommen oder sich vernachlässigt fühlen.
Täglich erhält Frau Dillmann Anrufe von Eltern, Lehrern oder Therapeuten, die Hilfe, Ideen oder Rat suchen für Personen mit Autismus oder anderen Behinderungen. Es gibt so viel zu tun. Informationen über Autismus müssen in Afrikaans und andere Landessprachen übersetzt werden, so dass man schneller mehr Menschen mit eindrücklichen Infos erreichen kann. "Autism Namibia" müsste dringend jemanden anstellen, der die Arbeit weiterführt, Gelder sammelt und die Organisation ausbaut, doch dazu fehlt es an finanziellen Mitteln. Auch gibt es in ganz Namibia kein Autismuszentrum mit entsprechender Bibliothek oder Trainings- und Hilfsmöglichkeiten. Die Schulangebote müssten, genauso wie die Erwachsenenangebote, erweitert werden. Denn was sollen die autistischen Kinder einmal machen, wenn sie erwachsen sind? "Was ich mir für mich wünsche?", fragt Petra Dillmann. "Dass ein Kommunikationssystem ausgebaut wird, mit dem sich Michael in seiner Umgebung verständlich machen kann."
Wie erkenne ich, dass mein Kind autistisch veranlagt sein könnte?
Der frühkindliche Autismus ist eine schwere Entwicklungsstörung, die sich spätestens bis zum dritten Lebensjahr zeigt. Es handelt sich dabei um eine tiefgreifende Beziehungs- und Kommunikationsstörung, die diese Kinder oft unfähig macht, zu anderen Personen, selbst zu den eigenen Eltern, ein normales Verhältnis herzustellen. Diese Kinder können zunächst keine Geste, kein Lächeln, kein Wort verstehen. Viele vermeiden jeglichen Blick- und Körperkontakt.
Jede Veränderung in ihrer Umwelt erregt sie stark. Auch können sie nicht spielen und benutzen ihr Spielzeug in immer gleicher, oft zweckentfremdeter Art und Weise.
Autistische Kinder haben häufig vom Säuglingsalter an Probleme beim Essen und Schlafen und entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen, die bis zur Selbstverletzung reichen können.
Sie bestehen zwanghaft auf ganz bestimmte Ordnungen oder können ihre Eltern zur Verzweiflung bringen durch exzessives Sammeln bestimmter Gegenstände, durch ihre Weigerung, bestimmte Kleidung zu tragen oder durch Wiederholung immer derselben Verhaltensweisen bzw. sprachlichen Äußerungen.
Die intellektuelle Begabung autistischer Kinder ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von geistiger Behinderung bis hin zu normaler oder hoher Intelligenz, wobei manche Kinder erstaunliche Teilleistungen im Rechnen, technischen Disziplinen, Musik und auf anderen Gebieten zeigen.
Nach internationalen Untersuchungen sind von 1000 Kindern vier bis fünf autistisch. Von der Störung sind Jungen drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen. Frühkindlichen Autismus findet man in Familien aller Nationalitäten und sozialer Schichten. Es gibt trotz umfangreicher Forschungsergebnisse bislang noch kein Erklärungsmodell, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen belegen kann.
So wichtig die Forschung für ein besseres Verständnis des Syndroms auch sein mag, so lassen sich doch keine theoriegeleiteten Ansätze für eine Förderung autistischer Kinder daraus ableiten. So unterschiedlich sich die ursächlichen Faktoren für das Syndrom darstellen, so vielfältig und jeweils am einzelnen Kind ausgerichtet müssen die pädagogischen und therapeutischen Ansätze sein.
Mehr Information zu Autism Namibia gibt Ihnen Petra Dillmann unter 061 - 224561
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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