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Gefiederte Pflegekinder

Windhoek - "Wenn ich so drüber nachdenke, dann ist meine Leidenschaft für Vögel schon seit Kindertagen vorhanden. Damals habe ich mit meiner Mutter schon Tauben mit speziellem Breigemisch aufgezogen", erklärt Sonja Bartlewski, Vogelmutter aus Leidenschaft. Seit bereits vier Jahren betreibt sie das "Wild Bird Hospital" im Hochlandpark als Zweigstelle des Rehabilitationszentrums für Vögel, NARREC (Namibia Animal Rehabilitaion Research and Education Center), in Brakwater bei Windhoek. Bei der dortigen Leiterin Liz Komen, die eine Ausbildung als Tierarzthelferin und Tierpflegerin absolviert hat, bildete sich Bartlewski zunächst ein Jahr lang weiter, bevor ihre Wildvögel-Klinik als Ergänzung zu Komens Greifvogel-Klinikum eingerichtet wurde. Diese sei bei 80 bis 100 Wildvögeln verschiedenster Arten pro Jahr eine echte Herausforderung, so Bartlewski. Wie NARREC finanziert Sonja ihre gefiederten Pflegekinder über Spenden und zu nicht unerheblichem Anteil aus der eigenen Tasche: "Man muss schon gut verdienen oder einen Mann haben, der das nötige Kleingeld nachhause bringt, um allein die monatlich anfallenden 500 Rand Futterkosten abdecken zu können", so die Ersatz-Vogelmutti. Zwar spenden viele Vogelretter gleich einen Betrag für ihr Findelkind, doch grade wenn Obstfresser wie der Graulärmvogel oder Insektenliebhaber wie die oft abgegebenen Segler zu versorgen sind, wird das Geld knapp. Und neben Futter müssen auch Käfige und Volieren, Begrünung und Unterschlupf sowie Käfigreinigungsmaterial und für die besonders schweren Fälle Medikamente und Verbandszeug bezahlt werden. Ferner hilft ein befreundeter Tierarzt der Hobby-Ornithologin aus. Auch von ihrer Familie wird Bartlewski nach Kräften unterstützt: "Wenn ich mal krank bin oder verreise, kümmern sich meine Eltern und auch Liz darum, dass meine Pflege-Vögel rundum versorgt sind." - Der Job "Vogelmutter" kann täglich durchaus fünf Stunden Zeit in Anspruch nehmen: "Da muss man schon Idealist sein!"

Dieser Idealismus und ihre Liebe zu Tieren scheint Sonja Bartlewski bereits in die Wiege gelegt worden zu sein, denn bereits in jungen Jahren peppelte sie Jungvögel auf. In Deutschland arbeitete die gelernte biologisch-technische Assistentin außerdem bei einem homöopathischen Tierarzt, in einem Zoo in Landau sowie einer Falknerei - drei verschiedene Gelegenheiten, um wertvolle Erfahrungen für ihre Arbeit in Namibia zu sammeln. "Als Laborratte fühlte ich mich irgendwie nicht vollständig", berichtet die gebürtige Namibierin. Dabei habe sie zurück in Namibia wirklich versucht, in der Firma der Eltern Fuß zu fassen. Doch ihre wahre Leidenschaft gehört den großen und kleinen Vögeln Windhoeks, die ihre Hilfe benötigen: Anfangs im Gästezimmer des Wohnhauses untergebracht, wurde für die gefiederten Waisenkinder und Patienten schließlich eine Vogelvoliere im Garten gebaut und ein Wendy-Haus errichtet, in dem nicht nur die Vögel mit Jungvögeln vor Zugluft und Fressfeinden geschützt untergebracht sind, sondern auch mehrmals täglich das Futter bereitet und verletzte Tiere versorgt werden. Neben Senegaltauben, Seglern und Rotkopfamadinen zählen auch seltene Gäste wie Gabelrake, Schwalbenschwanzbienenfresser oder auch mal eine Zwergohreule zu den Hausgästen Bartlewskis. "Einmal habe ich ein Perlhuhn gebracht bekommen, dass durch einen Zusammenstoß mit einer Glasscheibe wohl eine Rückenmarksprellung davon getragen hatte", erinnert sich Sonja. Zwei Wochen lang habe sie den Vogel in Handtüchern gewickelt ruhig gehalten, getränkt und gefüttert, später eine Reha mit Gymnastik begonnen. Das Perlhuhn konnte nach intensiver Pflege schließlich wieder in die Freiheit entlassen werden. "Ein bombastisches Gefühl", so Bartlewski, die mit mehr als 90% erfolgreicher Vogelbehandlungen und -aufzucht eine wahre Topquote aufweisen kann.
Aber die Vogel-Liebhaberin kann nicht immer helfen, auch wenn die meisten der geflügelten Zöglinge Jungvögel sind, die während der Wind- bzw. Regenzeit aus den Nestern fallen oder schlichtweg aufgrund von Spiegelungen in Fensterscheiben krachen. Grobe Fahrlässigkeit bei der Farm- oder Gartenarbeit führen zu weitaus größeren Schäden: "Zu viele Menschen denken einfach nicht so weit, welcher Rattenschwanz noch daran hängt, wenn sie etwas tun", beklagt die Vogelfreundin. Ein immenses Problem sei es, wenn Palmen in der Sommerzeit geschnitten werden, der Hauptbrutzeit der Segler, die darin nisten. Und nicht jeder bringt die bei der Gartenarbeit verletzten Vögel, wie beispielsweise Rosenpapageien, oder aus dem Nest gefallene Jungtiere vorbei.

Anders ein Farmer, dem ein vom Scheunendach gestürzter junger Bergstar auffiel. Nachdem Sonja das gefiederte Pflegekind aufgezogen hatte, sollte es im Garten der Eltern in Kleinwindhoek wieder freigelassen werden, was sich als schwieriger als erwartet erwies: "Der kleine Kerl ist einfach meinem roten Wagen hinterher geflogen, wenn ich das Grundstück verlassen wollte. Den kannte er ganz genau", erzählt Bartlewski mit einem Schmunzeln. Über zwei Wochen ließ sie den Star immer für einen längeren Zeitraum im Garten frei, bis er schließlich doch Anschluss an einen anderen Star gefunden hat und seitdem Kleinwindhoeks Gärten unsicher macht.

Doch nicht alle Farmer sind solche Vogelliebhaber. Das Problem mit Giftködern, die gegen Schakale ausgelegt werden, besteht nach wie vor. "Nicht selten werden bei Liz im NARREC Greifvögel - insbesondere Geier - mit Strychnin- oder sonstigen Vergiftungen eingeliefert", bedauert Sonja. Immer noch werden viel zu viele Raubvögel und andere Tiere zu unschuldigen Opfern, wenn Farmer ihre Fallen stellen und Giftköder verantwortungslos auslegen, um ihre "Problemtiere" zu bekämpfen. Viele der Vögel verenden im weitläufigen Farmland elendig. Andere werden zwar gefunden, müssen wegen Folgeschäden wie Erblindung oder Verkrüppelung aber ein Leben lang gepflegt werden. Liz Komen führt daher zu Anschauungszwecken auch Schulklassen durch das Greifvogel- Rehabilitationszentrum. "Eine Topadresse zur Aufklärung von Jung und Alt", schwärmt Bartlewski.
Die dritte große menschliche Gefahr für Vögel lauere desweiteren im Stadtgebiet: immer wieder schießen dort Obstbaumbesitzer verbotenerweise mit Plastikgeschossen auf die hungrigen Vögel, die meist quälend-langsam ihren inneren Verletzungen erliegen.

Um möglichst vielen Vögeln helfen zu können, bittet sie die namibischen Bürger um Mithilfe. Wer einen verletzten oder verwaisten Vogel findet, sollte unbedingt folgendes beachten: Der Vogel sollte mit einem Tuch oder Kleidungsstück aufgehoben werden, um Verletzungen zu vermeiden. Er sollte in einer mit Küchenpapier oder Stoff ausgelegten Schachtel mit Luftlöchern an einem warmen Ort aufbewahrt und erst nach Kontaktaufnahme mit Liz oder Sonja transportiert werden. Keinesfalls dürfe das Tier zum Fressen oder Trinken gezwungen werden: "Ich weiß, viele Vogelfinder meinen es nur gut, aber die Tiere brauchen eine speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Ernährung mit Insekten, Körnern oder Obst, so dass falsches Futter oft mehr schadet als nützt", erklärt Bartlewski. Wer also einen Piepmatz findet, kann Sonja Bartlewski (Tel. 061-242235 bzw. 081-1492313) oder Liz Komen von NARREC, (Tel. 061-264409/264256 bzw. 081-1290565) kontaktieren. Auch für Spenden sind die beiden engagierten Vogel-Betreuerinnen dankbar.

Jasmin Paul

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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