Genozid-Dogma aufgefrischt
Akademiker und Juristen erhärten Reparationsforderung
Von Eberhard Hofmann
Windhoek - Am 25. und 26. März hatten drei deutsch-europäische Institutionen auf dem Gelände des Goethe-Instituts an der Fidel-Castro-Straße, Windhoek, zu einem Symposium zu folgendem abgegrenzten Thema eingeladen: „Koloniales (Un)Recht und Aufarbeitung - Reflektionen zum Genozid an den Ovaherero- und Namavölkern nach 115 Jahren.“ Gastgeber waren das Goethe-Institut Windhoek mit den Hauptgestaltern des Programms: Die Akademie der Künste (Deutschland) und das „European Center for Constitutional und Human Rights“ (ECCHR).
Die Hauptredner waren Makau Mutua von der Universität Buffalo, USA, sowie der namibische Menschenrechtler John Nakuta von der Universität Namibia (UNAM), der nebenbei von namibischen Druck- und Funkmedien zum Medien-Ombudsmann berufen worden ist. Das Programm bestand ferner aus vier Podiumsgesprächen, jeweils zusammengesetzt aus drei, vier Rednern, die aus Deutschland, Namibia, Südafrika und den Niederlanden stammten, und einem Moderator. Nach Vorträgen und Podiumsdiskussion war Fragezeit eingeräumt.
Scharf eingegrenzt
Nach der Themenvorgabe war die Diskussion vorab schon scharf eingegrenzt. Noch zielstrebiger war - mit wenigen Ausnahmen - die Mehrzahl der Wortführer jedoch bemüht, die Diskussion gegen jeglichen Hinweis aus dem Publikum abzuschotten, wodurch der Blick und die Aufarbeitung des Themas unter Beachtung einschlägiger - und nicht nur emotional und politisch opportuner - Quellen auf ein umfassenderes Verständnis des Kolonialkriegs gelenkt werden sollte. Die Themen der Podiumsdiskussion lauteten: 1. Kolonialismus und Völkerrecht, 2. Über Namibias koloniale Vergangenheit - Historische Fakten. 3. Künstler-Podium: Umgang mit Begriffen der Vergangenheit, und 4. Namibias koloniale Vergangenheit Teil II, und Aufarbeitung vergangener Vergehen.
Bei Völkermord handle es sich um ein moralisches Verbrechen, um absichtliche Vernichtung, erklärte Altprofessor André du Pisani. Er versuchte die Grenzen der moralischen Philosophie im Völkerrecht aufzuzeigen. Er plädiert dafür, die Kriegsgeschichte nach moralischen Grundsätzen zu beurteilen: Herrscher stehen unter der Pflicht zu beschützen und nicht zu verletzen. Er stellte die Frage, ob ein Schießbefehl notwendig war. Auf gleichem Podium brachte Vasuki Nesiah von der New Yorker Universität unter dem Thema, wie die Dritte Welt mit dem Völkerrecht umgehe, den Hinweis, dass von der Entdeckung Amerikas 1492 bis 1692 rund 90% der einheimischen Bevölkerung (Indianer) im dortigen Genozid vernichtet worden seien. Der Jurist Matthias Goldmann (Univ. Frankfurt) bezeichnet das damalige Deutsch-Südwestafrika im Völkerrecht seiner Zeit als „terra nullius“ und spricht von der Notwendigkeit, „intertemporal law“ (Epochen-übergreifendes Recht) anzuwenden. Unter Hinweis auf den abgewiesenen Genozid-Prozess in New York rät Goldmann, die Kläger sollten sich an ein deutsches Gericht wenden. Makau Mutua empfiehlt, Namibia möge den notwendigen nationalen Genozid-Dialog über eine zeitlich begrenzte „Genozid-Kommission“ durchführen.
„Nam-Deutsche mit Scheuklappen“
Unter dem Thema „Historische Fakten“ geht der ehemalige Staatsarchivar Werner Hillebrecht davon aus, dass „akademische Historiker“ einstimmig das Genozid-Dogma verträten. Namibiern deutscher Abstammung wirft er vor, dass sie bei der Geschichte Scheuklappen anlegten und „einfach nicht wissen wollen, was bekannt ist“. Der Historiker Jürgen Zimmerer ergänzt dazu, dass man in der Genozid-Diskussion ins Reine kommen solle und bietet einige seiner Beispiele: Dass die Herero den Krieg begonnen hätten, hält er für eine Verzerrung. Der Selbstschutz habe sich radikalisiert und der Krieg sei ein Irrweg gewesen.
Die Moderatorin Olga Sezneva, derzeit im Fachbereich „politische Erinnerung“ in den Niederlanden, erinnert sich an ihre Großeltern, die von den Russen in ehemaligen deutschen Ostgebieten angesiedelt wurden, aus denen Deutsche gewaltsam vertrieben worden waren. „Das kommt in der russischen Erinnerungskultur nicht zur Sprache. Nationalstaaten errichten Mauern um ihre Erinnerungskultur.“ Ellen Ndeshi Namhila von der UNAM betont die Notwendigkeiten von Archiven, ein belegtes und zusammenhängendes Bild der Vergangenheit zu vermitteln. Das namibische Nationalarchiv bestehe zu 85% aus Kolonialmaterial. Südafrikanische Amtsrichter, die nach dem 1. Weltkrieg die Rechtsprechung übernahmen, hätten viele deutsche Unterlagen vernichtet, weil sie die Sprache nicht lesen konnten.
Die Nama-Parlamentarierin Ida Hoffmann, Mitglied des Genozid-Komitees der Nama, lieferte einen hoch-emotionalen Beitrag über die Trotha-Proklamation an die Nama 1905 und vermeintliche Gräuel der Schutztruppe im Süden. Vepuka Kauari aus der Herero-Diaspora in den USA fordert von Deutschland eine öffentliche Entschuldigung und Reparationen für einen Vernichtungskrieg. Erika von Wietersheim, namibische Autorin, bedauert giftige Reden des Herero-Chefs Rukoro, ist sich aber gleichzeitig bewusst, dass weiße Namibier eine historische Bürde tragen, da sie von der Apartheid begünstigt wurden.
Der Menschenrechtler und Moderator Wolfgang Kaleck richtet sich am Ende noch einmal an Namibier deutscher Abstammung: „Sie können keine Versöhnung verlangen und dabei nichts tun.“
Windhoek - Am 25. und 26. März hatten drei deutsch-europäische Institutionen auf dem Gelände des Goethe-Instituts an der Fidel-Castro-Straße, Windhoek, zu einem Symposium zu folgendem abgegrenzten Thema eingeladen: „Koloniales (Un)Recht und Aufarbeitung - Reflektionen zum Genozid an den Ovaherero- und Namavölkern nach 115 Jahren.“ Gastgeber waren das Goethe-Institut Windhoek mit den Hauptgestaltern des Programms: Die Akademie der Künste (Deutschland) und das „European Center for Constitutional und Human Rights“ (ECCHR).
Die Hauptredner waren Makau Mutua von der Universität Buffalo, USA, sowie der namibische Menschenrechtler John Nakuta von der Universität Namibia (UNAM), der nebenbei von namibischen Druck- und Funkmedien zum Medien-Ombudsmann berufen worden ist. Das Programm bestand ferner aus vier Podiumsgesprächen, jeweils zusammengesetzt aus drei, vier Rednern, die aus Deutschland, Namibia, Südafrika und den Niederlanden stammten, und einem Moderator. Nach Vorträgen und Podiumsdiskussion war Fragezeit eingeräumt.
Scharf eingegrenzt
Nach der Themenvorgabe war die Diskussion vorab schon scharf eingegrenzt. Noch zielstrebiger war - mit wenigen Ausnahmen - die Mehrzahl der Wortführer jedoch bemüht, die Diskussion gegen jeglichen Hinweis aus dem Publikum abzuschotten, wodurch der Blick und die Aufarbeitung des Themas unter Beachtung einschlägiger - und nicht nur emotional und politisch opportuner - Quellen auf ein umfassenderes Verständnis des Kolonialkriegs gelenkt werden sollte. Die Themen der Podiumsdiskussion lauteten: 1. Kolonialismus und Völkerrecht, 2. Über Namibias koloniale Vergangenheit - Historische Fakten. 3. Künstler-Podium: Umgang mit Begriffen der Vergangenheit, und 4. Namibias koloniale Vergangenheit Teil II, und Aufarbeitung vergangener Vergehen.
Bei Völkermord handle es sich um ein moralisches Verbrechen, um absichtliche Vernichtung, erklärte Altprofessor André du Pisani. Er versuchte die Grenzen der moralischen Philosophie im Völkerrecht aufzuzeigen. Er plädiert dafür, die Kriegsgeschichte nach moralischen Grundsätzen zu beurteilen: Herrscher stehen unter der Pflicht zu beschützen und nicht zu verletzen. Er stellte die Frage, ob ein Schießbefehl notwendig war. Auf gleichem Podium brachte Vasuki Nesiah von der New Yorker Universität unter dem Thema, wie die Dritte Welt mit dem Völkerrecht umgehe, den Hinweis, dass von der Entdeckung Amerikas 1492 bis 1692 rund 90% der einheimischen Bevölkerung (Indianer) im dortigen Genozid vernichtet worden seien. Der Jurist Matthias Goldmann (Univ. Frankfurt) bezeichnet das damalige Deutsch-Südwestafrika im Völkerrecht seiner Zeit als „terra nullius“ und spricht von der Notwendigkeit, „intertemporal law“ (Epochen-übergreifendes Recht) anzuwenden. Unter Hinweis auf den abgewiesenen Genozid-Prozess in New York rät Goldmann, die Kläger sollten sich an ein deutsches Gericht wenden. Makau Mutua empfiehlt, Namibia möge den notwendigen nationalen Genozid-Dialog über eine zeitlich begrenzte „Genozid-Kommission“ durchführen.
„Nam-Deutsche mit Scheuklappen“
Unter dem Thema „Historische Fakten“ geht der ehemalige Staatsarchivar Werner Hillebrecht davon aus, dass „akademische Historiker“ einstimmig das Genozid-Dogma verträten. Namibiern deutscher Abstammung wirft er vor, dass sie bei der Geschichte Scheuklappen anlegten und „einfach nicht wissen wollen, was bekannt ist“. Der Historiker Jürgen Zimmerer ergänzt dazu, dass man in der Genozid-Diskussion ins Reine kommen solle und bietet einige seiner Beispiele: Dass die Herero den Krieg begonnen hätten, hält er für eine Verzerrung. Der Selbstschutz habe sich radikalisiert und der Krieg sei ein Irrweg gewesen.
Die Moderatorin Olga Sezneva, derzeit im Fachbereich „politische Erinnerung“ in den Niederlanden, erinnert sich an ihre Großeltern, die von den Russen in ehemaligen deutschen Ostgebieten angesiedelt wurden, aus denen Deutsche gewaltsam vertrieben worden waren. „Das kommt in der russischen Erinnerungskultur nicht zur Sprache. Nationalstaaten errichten Mauern um ihre Erinnerungskultur.“ Ellen Ndeshi Namhila von der UNAM betont die Notwendigkeiten von Archiven, ein belegtes und zusammenhängendes Bild der Vergangenheit zu vermitteln. Das namibische Nationalarchiv bestehe zu 85% aus Kolonialmaterial. Südafrikanische Amtsrichter, die nach dem 1. Weltkrieg die Rechtsprechung übernahmen, hätten viele deutsche Unterlagen vernichtet, weil sie die Sprache nicht lesen konnten.
Die Nama-Parlamentarierin Ida Hoffmann, Mitglied des Genozid-Komitees der Nama, lieferte einen hoch-emotionalen Beitrag über die Trotha-Proklamation an die Nama 1905 und vermeintliche Gräuel der Schutztruppe im Süden. Vepuka Kauari aus der Herero-Diaspora in den USA fordert von Deutschland eine öffentliche Entschuldigung und Reparationen für einen Vernichtungskrieg. Erika von Wietersheim, namibische Autorin, bedauert giftige Reden des Herero-Chefs Rukoro, ist sich aber gleichzeitig bewusst, dass weiße Namibier eine historische Bürde tragen, da sie von der Apartheid begünstigt wurden.
Der Menschenrechtler und Moderator Wolfgang Kaleck richtet sich am Ende noch einmal an Namibier deutscher Abstammung: „Sie können keine Versöhnung verlangen und dabei nichts tun.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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