Gesetz ist „verfassungswidrig“
Illegale Abtreibung: Problem mit besorgniserregender Dunkelziffer
Von Jana-Mari Smith
Windhoek
In den vergangenen Jahren wurden Dutzende Frauen wegen illegaler Abtreibung verhaftet, und derzeit befindet sich eine 35-Jährige im Gefängnis, die aufgrund dessen verurteilt wurde und eine einjährige Haftstrafe absitzen muss. „Es ist grausam, dass wir verzweifelte Frauen, die Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen, einsperren, ihnen aber keine wirksamen Alternativen bieten“, sagt Menschenrechtler und Jurist, Norman Tjombe.
Er ist nicht allein. Auch andere Experten und Aktivisten sehen in den Verhaftungen und Schulsprüchen ernstzunehmende Menschenrechtsverstöße, da viele ungewollte Schwangerschaften auf Armut, geschlechterspezifische Gewalt und Geschlechterungleichheit zurückzuführen sind. „Die Festnahme von Frauen aufgrund illegaler Abtreibungen ist verfassungswidrig“, sagt Frauenrechtlerin Florence /Khaxas, laut der es „viele sich überschneidende Faktoren gibt“, die Frauen und Mädchen dazu bewegen, eine Schwangerschaft abzubrechen. „Hier wird ein Gesetz angewandt, das aus Sicht der Verfassung fraglich ist“, betont Tjombe, der sich für eine Überprüfung aller Fälle ausspricht.
Ungewollt schwanger
Es seien überwiegend „arme und marginalisierte“ Frauen und Mädchen, die unter der gegenwärtigen Gesetzgebung leiden, erklärt /Khaxas. Traditionelle Werte, Bildungsmangel, zu wenig sexuelle Aufklärung, Missbrauch und Armut gehören zu den Hauptgründen, dass in Namibia fast jede fünfte Jugendliche im Alter von 15 bis 19 eine Schwangerschaft hinter sich habe oder ein Kind erwarte. Das war das Fazit eines Arbeitstreffens, das kürzlich in Windhoek stattfand und sich auf dieses Thema konzentrierte. Ferner hieß es, dass circa 40 Prozent der Teenagerschwangerschaften in Namibia auf Vergewaltigung beziehungsweise auf Missbrauch Minderjähriger zurückzuführen sei.
Wie /Khaxas erklärt, hat das sozioökonomische Ungleichgewicht, dem Frauen ausgesetzt sind, einen direkten Einfluss auf die Entscheidungen, die sie treffen. „Führt man sich die Entscheidungsgewalt namibischer Frauen in Beziehungen und Ehen vor Augen, muss man sich fragen: Ist es ihnen möglich ‚Nein!' zu sagen? Können sie geschützten Geschlechtsverkehr verlangen? Wird das Einverständnis der Frau respektiert?“, verdeutlicht die Aktivistin die Komplexität. Zahlreiche Studien haben zudem einen kausalen Zusammenhang zwischen mangelndem Zugang zu Empfängnisverhütung und Abtreibung sowie der Anzahl ausgesetzter oder verlassener Neugeborener festgestellt. In Namibia hat es in den Jahren 2013 bis 2019 insgesamt 97 Festnahmen wegen sogenannter Geburtsverschleierung gegeben.
Gesetzgebung im Fokus
Der gegenwärtigen Gesetzeslage zufolge ist eine Abtreibung in Namibia aus gesundheitlichen Gründen oder im Fall einer Vergewaltigung möglich. Doch oft sind sich Frauen dessen nicht bewusst, und viele Missbrauchsopfer nehmen aus Angst und Scham keine Hilfe in Anspruch. Zugleich ist es nicht unbedingt einfach, grünes Licht für einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen. Besteht ein Gesundheitsrisiko, müssen zwei Ärzte den Schritt absegnen. Gibt es psychische Bedenken, muss ein psychologisches Gutachten erstellt werden. Behauptet die werdende Mutter, vergewaltigt worden zu sein, müssen Polizeibericht und Zustimmung eines Magistratsrichters vorliegen.
Im Jahr 2011 wurde eine Studie veröffentlicht, die sich mit „Information und Erfahrungsberichten rund um Abtreibung in Namibia“ befasst. In der Publikation wurde der Fall einer Frau geschildert, die zwei Jahre zuvor vergewaltigt und dabei nicht nur geschwängert, sondern auch mit HIV infiziert worden sei. Den Autoren zufolge wurde ihr ein legaler Schwangerschaftsabbruch verwehrt. Laut Gesetz droht bei einer illegalen Abtreibung der Mutter bis zu fünf Jahre Haft, während die Partei, die den Schwangerschaftsabbruch ermöglicht oder durchführt, mit höchstens drei Monaten Strafvollzug rechnen kann.
Die 2011-Untersuchung hat sich mit den zum Teil äußerst gefährlichen Methoden illegaler Schwangerschaftsabbrüche auseinandergesetzt und schildert das Schicksal einer Frau, die laut eigener Aussage das erste Mal im Alter von zwölf Jahren vergewaltigt wurde. „Mir wurde gesagt, dass es an mir lag, dass es meine Schuld war.“ Als sie 15 war, habe ein verheirateter Mann aus Südafrika sie geschwängert, der sie anschließend verlassen und den Kontakt abgebrochen habe.
Große Risiken
„Ich war im dritten Monat, als ich beschloss, Zeitungen mit hochprozentigem Alkohol aufzukochen und zu trinken.“ Es folgten „starke Schmerzen und Blutungen“, die zwei Wochen angehalten hätten. Schließlich habe das Mädchen gegenüber ihrer Familie behauptet, unter Regelschmerzen zu leiden, woraufhin ihre Mutter sie zur Klinik begleitet habe. „Ich hatte Angst, sagte dem männlichen Pfleger nichts und wurde auch nicht untersucht.“ Ihr sei lediglich ein Schmerzmittel verschrieben worden. Sie hat überlebt.
Eine andere Frau erzählte von einer Freundin, die als 16-Jährige durch Blutverlust gestorben war, nachdem sie für eine illegale Abtreibung 300 Namibia-Dollar gezahlt habe. Der Schwangerschaftsabbruch sei mit einem angespitzten Metallbügel durchgeführt worden. „Es ist unglaublich traurig, doch kein Einzelfall – es gibt so viele junge Mädchen, die sich in einer ganz ähnlichen Situation befinden“, wird die Frau in der Studie zitiert. „Über die meisten Fälle wird nicht berichtet, so auch in diesem Fall. Sie hat ihr Geheimnis mit ins Grab genommen. Nicht mal ihre Eltern wussten Bescheid.“
Enorme Dunkelziffer
Eine vor knapp 14 Jahren veröffentlichte Studie führt knapp 21 Prozent aller Komplikationen bei der Entbindung in namibischen Gesundheitseinrichtungen zwischen November 2004 und Oktober 2005 auf Schwangerschaftsabbrüche zurück. Ferner heißt es, dass während dieses Zeitraums einer aus zwölf Sterbefällen bei Müttern auf illegale Abtreibungen zurückzuführen sei.
Doch wie viele illegale Abtreibungen in Namibia durchgeführt werden, kann keiner sagen, wie Dianne Hubbard vom Zentrum für Rechtsbeistand (LAC) erklärt. „Es ein ernstzunehmendes Problem“, sagt die Juristin. „Da die meisten dieser illegalen Schwangerschaftsabbrüche im Verborgenen durchgeführt werden, werden wir uns des wahren Ausmaßes der Situation in Namibia wohl nie bewusst sein.“
Windhoek
In den vergangenen Jahren wurden Dutzende Frauen wegen illegaler Abtreibung verhaftet, und derzeit befindet sich eine 35-Jährige im Gefängnis, die aufgrund dessen verurteilt wurde und eine einjährige Haftstrafe absitzen muss. „Es ist grausam, dass wir verzweifelte Frauen, die Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen, einsperren, ihnen aber keine wirksamen Alternativen bieten“, sagt Menschenrechtler und Jurist, Norman Tjombe.
Er ist nicht allein. Auch andere Experten und Aktivisten sehen in den Verhaftungen und Schulsprüchen ernstzunehmende Menschenrechtsverstöße, da viele ungewollte Schwangerschaften auf Armut, geschlechterspezifische Gewalt und Geschlechterungleichheit zurückzuführen sind. „Die Festnahme von Frauen aufgrund illegaler Abtreibungen ist verfassungswidrig“, sagt Frauenrechtlerin Florence /Khaxas, laut der es „viele sich überschneidende Faktoren gibt“, die Frauen und Mädchen dazu bewegen, eine Schwangerschaft abzubrechen. „Hier wird ein Gesetz angewandt, das aus Sicht der Verfassung fraglich ist“, betont Tjombe, der sich für eine Überprüfung aller Fälle ausspricht.
Ungewollt schwanger
Es seien überwiegend „arme und marginalisierte“ Frauen und Mädchen, die unter der gegenwärtigen Gesetzgebung leiden, erklärt /Khaxas. Traditionelle Werte, Bildungsmangel, zu wenig sexuelle Aufklärung, Missbrauch und Armut gehören zu den Hauptgründen, dass in Namibia fast jede fünfte Jugendliche im Alter von 15 bis 19 eine Schwangerschaft hinter sich habe oder ein Kind erwarte. Das war das Fazit eines Arbeitstreffens, das kürzlich in Windhoek stattfand und sich auf dieses Thema konzentrierte. Ferner hieß es, dass circa 40 Prozent der Teenagerschwangerschaften in Namibia auf Vergewaltigung beziehungsweise auf Missbrauch Minderjähriger zurückzuführen sei.
Wie /Khaxas erklärt, hat das sozioökonomische Ungleichgewicht, dem Frauen ausgesetzt sind, einen direkten Einfluss auf die Entscheidungen, die sie treffen. „Führt man sich die Entscheidungsgewalt namibischer Frauen in Beziehungen und Ehen vor Augen, muss man sich fragen: Ist es ihnen möglich ‚Nein!' zu sagen? Können sie geschützten Geschlechtsverkehr verlangen? Wird das Einverständnis der Frau respektiert?“, verdeutlicht die Aktivistin die Komplexität. Zahlreiche Studien haben zudem einen kausalen Zusammenhang zwischen mangelndem Zugang zu Empfängnisverhütung und Abtreibung sowie der Anzahl ausgesetzter oder verlassener Neugeborener festgestellt. In Namibia hat es in den Jahren 2013 bis 2019 insgesamt 97 Festnahmen wegen sogenannter Geburtsverschleierung gegeben.
Gesetzgebung im Fokus
Der gegenwärtigen Gesetzeslage zufolge ist eine Abtreibung in Namibia aus gesundheitlichen Gründen oder im Fall einer Vergewaltigung möglich. Doch oft sind sich Frauen dessen nicht bewusst, und viele Missbrauchsopfer nehmen aus Angst und Scham keine Hilfe in Anspruch. Zugleich ist es nicht unbedingt einfach, grünes Licht für einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen. Besteht ein Gesundheitsrisiko, müssen zwei Ärzte den Schritt absegnen. Gibt es psychische Bedenken, muss ein psychologisches Gutachten erstellt werden. Behauptet die werdende Mutter, vergewaltigt worden zu sein, müssen Polizeibericht und Zustimmung eines Magistratsrichters vorliegen.
Im Jahr 2011 wurde eine Studie veröffentlicht, die sich mit „Information und Erfahrungsberichten rund um Abtreibung in Namibia“ befasst. In der Publikation wurde der Fall einer Frau geschildert, die zwei Jahre zuvor vergewaltigt und dabei nicht nur geschwängert, sondern auch mit HIV infiziert worden sei. Den Autoren zufolge wurde ihr ein legaler Schwangerschaftsabbruch verwehrt. Laut Gesetz droht bei einer illegalen Abtreibung der Mutter bis zu fünf Jahre Haft, während die Partei, die den Schwangerschaftsabbruch ermöglicht oder durchführt, mit höchstens drei Monaten Strafvollzug rechnen kann.
Die 2011-Untersuchung hat sich mit den zum Teil äußerst gefährlichen Methoden illegaler Schwangerschaftsabbrüche auseinandergesetzt und schildert das Schicksal einer Frau, die laut eigener Aussage das erste Mal im Alter von zwölf Jahren vergewaltigt wurde. „Mir wurde gesagt, dass es an mir lag, dass es meine Schuld war.“ Als sie 15 war, habe ein verheirateter Mann aus Südafrika sie geschwängert, der sie anschließend verlassen und den Kontakt abgebrochen habe.
Große Risiken
„Ich war im dritten Monat, als ich beschloss, Zeitungen mit hochprozentigem Alkohol aufzukochen und zu trinken.“ Es folgten „starke Schmerzen und Blutungen“, die zwei Wochen angehalten hätten. Schließlich habe das Mädchen gegenüber ihrer Familie behauptet, unter Regelschmerzen zu leiden, woraufhin ihre Mutter sie zur Klinik begleitet habe. „Ich hatte Angst, sagte dem männlichen Pfleger nichts und wurde auch nicht untersucht.“ Ihr sei lediglich ein Schmerzmittel verschrieben worden. Sie hat überlebt.
Eine andere Frau erzählte von einer Freundin, die als 16-Jährige durch Blutverlust gestorben war, nachdem sie für eine illegale Abtreibung 300 Namibia-Dollar gezahlt habe. Der Schwangerschaftsabbruch sei mit einem angespitzten Metallbügel durchgeführt worden. „Es ist unglaublich traurig, doch kein Einzelfall – es gibt so viele junge Mädchen, die sich in einer ganz ähnlichen Situation befinden“, wird die Frau in der Studie zitiert. „Über die meisten Fälle wird nicht berichtet, so auch in diesem Fall. Sie hat ihr Geheimnis mit ins Grab genommen. Nicht mal ihre Eltern wussten Bescheid.“
Enorme Dunkelziffer
Eine vor knapp 14 Jahren veröffentlichte Studie führt knapp 21 Prozent aller Komplikationen bei der Entbindung in namibischen Gesundheitseinrichtungen zwischen November 2004 und Oktober 2005 auf Schwangerschaftsabbrüche zurück. Ferner heißt es, dass während dieses Zeitraums einer aus zwölf Sterbefällen bei Müttern auf illegale Abtreibungen zurückzuführen sei.
Doch wie viele illegale Abtreibungen in Namibia durchgeführt werden, kann keiner sagen, wie Dianne Hubbard vom Zentrum für Rechtsbeistand (LAC) erklärt. „Es ein ernstzunehmendes Problem“, sagt die Juristin. „Da die meisten dieser illegalen Schwangerschaftsabbrüche im Verborgenen durchgeführt werden, werden wir uns des wahren Ausmaßes der Situation in Namibia wohl nie bewusst sein.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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