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Ghana ist gut, weil die Anderen noch schlechter sind

"Die Ecke ist so etwas wie der Ruhrpott für Deutschland, denn ähnlich dicht ist die Fußball-Kompetenz nirgendwo anders in Afrika geballt", meint der südafrikanische Sportjournalist Marc Gleason. In der Tat: Mit der Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und Kamerun kommen gleich vier der sechs afrikanischen WM-Teilnehmer aus dem Westen des Kontinents. Fünf von ihnen sind bereits so gut wie ausgeschieden. Ausgerechnet Ghana, das man vor der Weltmeisterschaft am allerwenigsten zu den afrikanischen Favoriten gezählt hat, trägt heute die letzten Hoffnungen eines ganzen Kontinents.

Wie es zu diesem Desaster der Afrikaner bei der ersten WM auf dem eigenen Kontinent kommen konnte, lässt sich anhand der Geschichte Ghanas gut nachvollziehen. Die Parallelen zum Fußball sind jedenfalls verblüffend: Da ist zunächst der Optimismus der frühen Jahre, die gewaltige Erwartungshaltung und dann die bitteren Enttäuschungen, die maßlose Selbstüberschätzung und schließlich die katastrophalen Rückschläge, die sich nun auch im Fußball in der tristen Bilanz aller afrikanischen Teams widerspiegeln.

Dabei hatte vor über 50 Jahren alles so viel versprechend begonnen: Als Ghana 1957 als erstes Land in Afrika unabhängig wurde, war das Pro-Kopf-Einkommen in dem an Gold, Kakao und Tropenhölzern reichen Land genauso hoch wie in Südkorea oder Spanien. Kwame Nkrumah, der charismatische erste Präsident und Gründervater, wollte alles sofort: sein Land im Eilverfahren industrialisieren und in Rekordzeit zu den wohlhabenden Nationen aufschließen. Im Fußball ist es nicht anders: Während die Regierungen in Afrika den Aufbau oder die Pflege von Schulen, Straßen oder Krankenhäusern versäumen, ignorieren seine Fußballverbände die Jugendarbeit und verlassen sich auf einige wenige internationale Stars.

Beispiel Ghana: Hier verschwendete Nkrumah den Löwenanteil der Regierungsgelder für völlig nutzlose Prestigeobjekte wie den gigantischen Volta-Staudamm, den größten künstlichen See der Welt - bis die Staatskasse leer war. Doch der Gründervater blieb selbstherrlich und unbelehrbar. Er wollte nicht wahrhaben, dass sein Modernisierungsrezept das Land allmählich ruinierte. Nach seiner Absetzung in einem Militärputsch im Jahre 1966 und dem späteren Tod im rumänischen Exil folgte eine lange Zeit der politischen Instabilität und wirtschaftlichen Stagnation. Kein Wunder, dass Südkorea oder Taiwan den westafrikanischen Küstenstaat ein halbes Jahrhundert später an Wirtschaftskraft um ein Mehrfaches übertreffen.

Umso mehr überrascht, dass Ghana im Westen noch immer in dem Ruf steht, das Vorzeigeland des Kontinents zu sein. Zum Teil stimmt das sogar: Seine Demokratie funktioniert vergleichsweise gut und auch das Wirtschaftswachstum war in letzter Zeit ganz ansehnlich, zumindest im afrikanischen Vergleich. Insgesamt hat sich seine Hinwendung zur Demokratie bislang jedoch nicht in der erhofften ,,Demokratiedividende" niedergeschlagen. Die Bemühungen seiner Regierungen, ausländisches Kapital anzulocken, sind nicht zuletzt durch die instabile Lage in der Elfenbeinküste unterminiert worden.

Dennoch fragen sich viele Beobachter, warum es dem Land in über einem halben Jahrhundert nicht möglich war, ein halbwegs passables Bildungs- und Gesundheitswesen oder eine auch nur in Ansätzen effiziente Verwaltung zu bauen. Fast alle Probleme des Landes sind hausgemacht und haben ihre Ursache im inkompetenten Staatsapparat. Nach einer Studie der Weltbank dauert es in Ghana zum Beispiel über ein Jahr, um ein Unternehmen anzumelden - in Australien sind es im Vergleich dazu zwei Tage.

Die Ghanaer selbst können das Desinteresse der westlichen Geschäftswelt dennoch nur schwer verstehen und verweisen gerne, wie das übrige Afrika, auf die ungerechte Weltwirtschaftsordnung. Doch statt endlich die vielen Investitionsschranken einzureißen, wird allein mit der politischen Stabilität und einer Infrastruktur geworben, die weit schlechter als im benachbarten Togo ist. Auch ist die Stromversorgung derart schwach, dass kaum ein Unternehmen ohne eigenen Dieselgenerator auskommt.

Angesichts der langen Stagnation überrascht es nicht, dass Ghana wie fast alle anderen afrikanischen Staaten noch immer von einem Rohstoff abhängt. Dennoch wird das Land seit Jahren mit Hilfsgeldern geradezu überhäuft. Offenbar will die internationale Gebergemeinschaft in Ghana mit Macht den Beweis antreten, dass die in den letzten Jahrzehnten gezahlte Entwicklungshilfe doch irgendeinen Nutzen hatte. Ein anderer Grund ist, dass den Geberländern nach dem Absturz der früheren Musterstaaten Simbabwe und Kenia in Afrika allmählich die Vorzeigestaaten ausgehen. Auch hier ist es fast wie beim Fußball: Ghana ist heute beim Spiel gegen Deutschland nicht deshalb Afrikas letzter Hoffnungsträger, weil es so gut wäre - sondern weil die anderen Afrikaner einfach noch viel schlechter sind.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-24

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