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Glaube, Liebe, Hoffnung

Praktikant WAZon
Von Marlene J. Solveig„Wir haben das Glück, für ihn einen Unterschied machen zu können", beginnt Rosalind Schlabitz. Sie hält den heute acht Monate alten David liebevoll auf dem Arm, der Kleine juchzt und zappelt, bis Rosalind ihn auf den Wohnzimmerteppich setzt, wo er sofort interessiert die gedrechselten Tischbeine untersucht. Dass David heute bei der Fotografin und ihrem Mann Hanjo in Windhoek lebt, ist keine Selbstverständlichkeit. Das Paar ist durch alle denkbaren Höhen und Tiefen des Adoptionsprozesses gegangen und hat sich bereit erklärt, ihre Geschichte mit der Öffentlichkeit zu teilen – in der Hoffnung, damit etwas zu verändern.Den ersten Schritt dazu hat Emma Cocklin getan. Die Sozialarbeiterin arbeitet an der Gründung der ersten privaten Adoptionsagentur Namibias und bietet damit Paaren und Alleinstehenden eine Alternative zu den oft aufreibenden Gängen zu Ministerien und offiziellen Stellen. Sie hat zahlreiche Kinder in die offenen Arme ihrer neuen Eltern vermittelt, weiß von Paaren, die nach erfolglosen Jahren erschöpft aufgeben, und kennt die Mütter, die sich schlicht nicht um ihr Neugeborenes kümmern können. „Gründe für verlassene Babys gibt es viele", erzählt Emma Cocklin. „Meist sind die Mütter noch in der Schule und einfach zu jung, um sich um ihr Kind kümmern zu können. Andere versorgen bereits vier, fünf, sechs Kinder und können sich ein weiteres nicht leisten. Im besten Fall wendet sich diese Mutter an eine Sozialarbeiterin und gibt ihr Kind zur Adoption frei. Doch oft werden Neugeborene, wenn nicht getötet, dann weggeworfen. Glückskinder werden gefunden, andere nicht."Es fehlt an Ubuntu Die Windhoeker Polizei bringt diese namenlosen Babys zum nächstgelegenen Krankenhaus. Meist das in Katutura. Hier kümmern sich Ärzte um die Erstversorung, dann werden die Kinder unter Beobachtung gestellt. Der Mediziner Dr. Andreas Obholtzer vom Zentralkrankenhaus Windhoek sieht das Problem des sogenannten „Baby Dumping" in den veränderten Sozialgewohnheiten einer bestimmten Bevölkerungsschicht. „Es gibt – oder gab – das afrikanische Prinzip des ,Ubuntu´. Im übertragenen Sinne bedeutet das: ,Jeder ist für jeden da´. In einer Gesellschaft, in der Neugeborene weggeworfen werden, gilt dieses wichtige, stabilisierende Prinzip offensichtlich nicht mehr. Hier fehlt es an Verantwortungsbewusstsein, an Zusammenhalt und an Liebe. Es fehlt an Ubuntu."Eines der größten Probleme Namibias ist der Alkoholismus. Das maßlose Trinken hat Gewalt, Krankheit, Armut und Werteverlust zur Folge. Wie oft wird ein Großteil des gerade ausgezahlten Monatsgehalts direkt in der nächsten Shebeen versoffen, werden Frauen von ihrem betrunkenen Mann misshandelt? Wie viele Schwangerschaften entstehen ungewollt oder gewaltsam in einer durchzechten Nacht? Wer wissen will, welcher Wert Kindern und Zukunft in manchen Teilen Katuturas beigemessen wird, vergleiche einfach die Zahl der Shebeens mit der der Kindergärten.Adoption ist Hexerei Laut Gesetz sind Mütter in Namibia verpflichtet, sich um ihr Baby zu kümmern. Die oft sehr jungen Schwangeren werden somit in eine gesundheitlich, psychisch und rechtlich unzumutbare Situation gedrängt. Abtreibung ist in Namibia noch immer illegal. Es mangelt an Aufklärung. Offizielle Babyklappen gibt es nicht. „Ein Kind in eine Babyklappe zu legen gilt als Verletzung der Aufsichtspflicht und ist somit eine strafbare Handlung" weiß Emma Cocklin. Auch die Familie einer Schwangeren kann der Adoption im Wege stehen. Rosalind Schlabitz hat eine typische Geschichte hautnah miterlebt: „Wir standen in Kontakt mit einem 18-jährigen Mädchen, das willens war, ihr Baby zur Adoption freizugeben. Sie wollte so gern die Schule zuende machen. Als Minderjährige durfte sie den nötigen Vertrag jedoch nicht unterzeichnen und ihre Mutter verweigerte die Unterschrift mit der Begründung, Adoption sei Hexerei." Das Ministerium für Kinderfürsorge teilt mit, dass zur Freigabe eines Kindes lediglich beide biologischen Eltern zustimmen müssen, sofern diese bekannt und zurechnungsfähig seien. Wurde ein Kind verlassen, vernachlässigt oder misshandelt, entscheidet das Gericht. Die Realität sieht oft anders aus.Stolpersteine und Happy EndSchon 2013 hatten sich die Schlabitz´ als Adoptiveltern beworben. Nach dem erfolgreichen Prüfungsprozess sollte ihr Name in das Nationale Familienregister – die Liste für Adoptiveltern – eingetragen werden. Als Rosalind und Hanjo wenig später in der Zeitung von David lasen, bewarben sie sich sofort für ihn. „Und da mussten wir erfahren, dass wir nie auf der Liste gestanden hatten! Die Sozialarbeiterin hatte ihren Job schlicht nicht gemacht", erzählt Rosalind. Das ist kein Einzelfall. Hanjo erzählt von einem anderen Fall, in dem ein Mädchen aus Faulheit nicht vermittelt wurde und heute – siebenjährig und deshalb schwer vermittelbar – in einem Waisenhaus lebt. Das mangelnde Engagement vieler Sozialarbeiter ist einer der größten Stolpersteine für Adoptiveltern. Die Bezahlung ist schlecht, die Fluktuation hoch. Auf mehrfache Anfrage seitens der Redaktion teilt das Ministerium mit, dass ihm dieser Umstand bewusst ist. Mit einem 2015 entwickelten Programm will man staatliche Sozialarbeiter besser ausbilden, als auch dem „Baby Dumping" entgegenwirken.Rosalind und Hanjo haben sich davon nicht abschrecken lassen und um David gekämpft. „Wir sind direkt zum Ministerium gegangen. Durch Hartnäckigkeit und Glück haben wir schließlich erreicht, dass der Prozess schneller in die Wege geleitet wurde", erzählt Hanjo. Unter anderem stellte sich dabei heraus, dass der Polizeibericht, der ebenfalls für die Freigabe eines Kindes benötigt wird, nie geschrieben worden war. Allen werdenden Adoptiveltern empfehlen Rosalind und Hanjo, sich nicht entmutigen zu lassen, jeden Schritt des zuständigen Sozialarbeiters selbst zu verifizieren und sich zu trauen, auch nach ganz oben zu gehen. Ausländische Adoptiveltern, etwa aus Deutschland, sind gut beraten, sich an die namibische Botschaft in Berlin zu wenden. Namibia befindet sich derzeit im Aufnahmeprozess für die Haager Konvention, in der Adoptionsrichtlinien international geregelt sind.David hat mittlerweile den Wohnzimmertisch ausgiebig inspiziert und kuschelt sich nun in Rosalinds Arm. Liebevoll betrachtet sie ihren Sohn und sagt: „Ein paar Menschen haben mich gefragt: Wie kannst Du das Kind einer anderen Mutter lieben? Meine Antwort darauf ist: Er ist nicht das Kind von jemand anderem. Er ist mein Kind. Denn noch bevor er geboren wurde, habe ich schon auf ihn gewartet. Ich war gespannt, wie er aussehen würde, wie seine kleine Persönlichkeit sein würde. Ich hatte exakt dieselben Gedanken wie bei den Schwangerschaften mit meinen leiblichen Kindern. In meinem Herzen war er bereits mein Sohn. Er ist nur im Leib einer anderen Frau gewachsen."Adoption: Schritt für SchrittEmma Cocklin baut derzeit die erste private Adoptionsagentur Namibias auf (Rufnummer +264-81-6732352).Der andere Weg führt über das Ministry of Gender Equality and Child Welfare, das mit lizensierten privaten (kostenpflichtig) und staatlichen (kostenfrei) Sozialarbeitern zusammenarbeitet. Diese vermitteln das Kind und prüfen die Eignung der Adoptiveltern (auch Alleinstehende, jedoch keine gleichgeschlechtliche Paare) durch Interviews und Hausbesuche. Per Gesetz (Children's Act 33) werden unter anderem Führungszeugnis, Gesundheitszertifikat, psychologisches Gutachten, Empfehlungsschreiben und Gehaltsbescheinigung gefordert. Es folgt der Eintrag in das National Family Register. Ist ein Baby gefunden, wird ein Gerichtstermin festgelegt. Bei Bewilligung, die von zwei Monaten bis zu einem Jahr dauern kann, wird das Kind der Familie übergeben. Der abschließende Schritt ist der Gang zum Innenministerium, wo eine neue Geburtsurkunde ausgestellt wird.Rosalind Schlabitz berichtet über ihre Erfahrungen in ihrem zauberhaft bebilderten Internet-Blog unter blog.rosalindjulia.com

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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