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Gobabeb - Wo die Wüste lebt

Ein Geröllfeld aus runden Felsblöcken erstreckt sich kilometerweit vor dem Horizont. Kupferfarbene Sanddünen liegen hinter dem Kuiseb-Trockenfluss, davor steht der weiße Wasserturm von Gobabeb. Inmitten der Namib-Wüste mutet das Wüstenforschungsinstitut an wie eine Oase. Seit 1962 erforschen hier Wissenschaftler das Wesen der Wüste. Namib bedeutet in der Sprache der Nama "der Ort, an dem nichts ist". Das Forscherauge entdeckt im Sand das volle Leben.

"Die spannenden Geschichten der Wüste spielen sich im Kleinen ab", sagt Joh Henschel, Biologe und seit 2002 Direktor des Instituts. Insekten und Spinnen erzählen sie. Kleine Spezialisten, die sich optimal an die Bedingungen der Wüste angepasst haben.

Unter einer feinen Sandschicht verbirgt sich eine drei Zentimeter breite Öffnung. Sie führt in den Bau der Dancing White Lady (Leucorchestris arenicola). Die Spinne ist ein wahrer Navigationskünstler: Mitten in der Nacht verlässt das Männchen den Bau, läuft bis zu 100 Meter auf Schlängelwegen, um nach Weibchen zu suchen - und wandert dann schnurstracks zurück. Jahrzehntelang konnte die Wissenschaft nicht erklären, wie die Spinne den Weg zurück zum Bau findet. In Gobabeb endlich haben Forscher im vergangenen Jahr das Rätsel gelöst: Weder Windrichtung noch Geruchssinn nutzt die Spinne, es ist die Sicht. Ihre beiden

Sichere Brautschau

Frontaugen reagieren auf jeden Hauch von Licht. So orientiert sie sich in der dunkelsten Zeit der Nacht an Landmarken. Der Vorteil: "Wenn viele andere Tiere nichts mehr sehen, geht die Dancing White Lady auf Brautschau - und ist viel sicherer unterwegs", sagt Joh Henschel und scheint über das Ergebnis noch immer erstaunt zu sein.

Genauso fasziniert erzählt er vom Goldenen Maulwurf, der tief unten im Sand lebt. Er ist kaum länger als ein Finger, hat keine Augen, aber so große Hörorgane, dass allein die Gehörknöchelchen größer sind als die des Menschen. Seine Beute, Sandtermiten und Käferlarven, jagt er nach Gehör. Eigentlich ist er ein Warmblütler. Doch wenn er schläft, nimmt sein Körper die Temperatur des Sands an. Der Vorteil: So spart er Energie. Energiesparend ist auch eine Strategie der Radspinne (Carparachne arenicola), die auf der Flucht vor der viel schnelleren Spinnen-Wespe (Pompilidae) anstatt zu laufen sich lieber zu einem Rad zusammenrollt und den Abhang herunter kugelt.

Laufender Wasserspender

Er würde Tage brauchen, um von den Entdeckungen des vergangenen Jahres zu erzählen, sagt Joh Henschel. Es sind vor allem die kleinen Spezialisten, die ihn faszinieren, die Insekten. Echte Berühmtheit haben in Gobabeb die rund zweihundert Schwarzkäferarten. Der Rennkäfer (Onymacris plana) zum Beispiel läuft von allen Insekten weltweit am schnellsten. Auf seinen dünnen langen Beinen schafft er einen guten Meter pro Sekunde. Er rennt, weil ihn dann der Wind kühlt. Er rennt auch noch, wenn er isst und verdaut. "Sein Stoffwechsel ist so spezialisiert, dass er während des Laufens nicht nur Energie, sondern auch Wasser erzeugt", sagt Henschel. Mit seinen Luftkissen unter der gewachsten Oberfläche kann der Käfer auch noch bis zu 20 Minuten lang die Luft anhalten. So spart er das Wasser, das fast jeder Organismus beim Ausatmen verbraucht.

"Die wichtigste Wasserquelle für die Wüstenbewohner ist der Nebel", sagt Henschel. In der Namib fällt pro Jahr nicht mehr als 10 bis 25 Millimeter Regen. Die Tiere müssen sich als Nebelfänger bewähren, um zu überleben. Zwei Schwarzkäferarten (Onymacris unguicularis und O. bicolor) sitzen am frühen Morgen im Nebel auf den Dünenkämmen. Sie knicken die Vorderbeine ab und strecken den Körper in die mit Wasserdampf gesättigte Luft. An der gerillten Körperoberfläche sammelt sich der Nebel und rinnt in die Mundöffnung. Noch bei

Überlebenskünstler im Miniaturformat

48 Prozent Luftfeuchtigkeit können einige Insekten der Namib genügend Wasser aufnehmen. So auch die Silberfische (Thysanura), die noch nicht einmal einen Zentimeter groß sind und sich en masse im Sand tummeln. Für Insekten sind sie niedrig entwickelt und haben einen einfachen Körperbau. Doch wenn es darum geht Wasser aus dem Sand zu ziehen, entpuppen sie sich als wahre Überlebenskünstler.

Die Namibdünenameise (Camponotus detritus) hält zusammen mit einer nordafrikanischen Ameise den Weltrekord in Hitzeverträglichkeit. Körpertemperaturen von bis zu 54 Grad Celcius hält sie aus, haben Forscher auf Gobabeb herausgefunden. Verbrennungen bewältigt sie, indem ihr Körper so genannte Hitzeschockproteine produziert.

"Forschung ist nie abgeschlossen. Je mehr wir uns mit einem Tier beschäftigen, desto mehr Dinge entdecken wir, die wir wieder untersuchen müssen", sagt Joh Henschel. Bisher würden sie nur die Spitze des Eisbergs dessen kennen, was es in der Namib zu erforschen gibt.

Trocken und tot sieht der Sand aus. Aber wer mit Joh Henschel gesprochen hat, fragt sich, wo er in den Dünen überhaupt noch auftreten kann.



Sieg der Kleinen

Wer nackt in der Wüste vergessen wird, ist verloren. Es sei denn, er trinkt das Wasser aus der Luft und hat ein Hitzeschild unter den Füßen. In Jahrmillionen haben sich Tiere auf Orte spezialisiert, an denen eigentlich nichts wächst. Auch jetzt noch gilt: Wer überleben will, passt sich an. Nur der Mensch nicht. Er hat sich die Welt untertan gemacht, und so wie die Dinosaurier unbekümmert durch Schlamm und Wald stapften, hat auch er nichts zu fürchten außer sich selbst.

Aber die großen Reptilien verschwanden, um kleinen Säugern Platz zu machen. Warum sie ausstarben, ist nicht sicher. Vielleicht war es ein Komet. Vielleicht lag es daran, dass ihre Gehirne zu klein waren. Dass sie sich besser verteidigen, als ihr Überleben sichern konnten. Auch der Mensch hat eine offensichtliche Gefahr noch nicht erkannt: die Insekten.

Fest steht: Sie sind in der Überzahl. Aber mit ihrer enormen Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichsten Standorte sind sie dem Menschen ohnehin bei weitem überlegen, der auch noch bereitwillig für ihre Verbreitung sorgt. Mittels Flugzeug können sie in kurzer Zeit ganze Kontinente überspringen.

Zum Glück kann die Wissenschaft so viele von ihnen töten, dass die Überlebenden keine Gefahr mehr sind. Leider ist naturwissenschaftliches Wissen aber zweischneidig. Und spätestens wenn der Mensch in seinem nächsten Krieg auch noch die Hilfe von Mikroorganismen in Anspruch nimmt und die Pest auf die Gegenseite loslässt, ist es keinesfalls unwahrscheinlich, dass die kleinen unter den Organismen am Ende die einzigen Gewinner sind.

Forschung seit mehr als 40 Jahren

Charles Koch gründete Gobabeb 1962 als Wüstenforschungsstation. Der österreichische

Insektenforscher war zuvor bei einer wissenschaftlichen Expedition in der Namib unterwegs gewesen und dem Reiz der Wüste erlegen. Weil hier drei verschiedene Naturlandschaften aneinander stoßen - im Süden die Sanddünen, im Norden die Kieswüste und dazwischen der Kuiseb-Fluss - wählte Koch Gobabeb als Standort für seine Forschungsstätte. Das erste Labor war ein klappriger Wohnwagen.

Seitdem hat sich Gobabeb zu einem Zentrum für Wüstenforschung mit Weltruhm entwickelt. Das heutige Institut gründet auf einem Joint Venture zwischen der Stiftung für Wüstenforschung in Namibia (DRFN) und dem Ministerium für Umwelt und Tourismus (MET). Die Wissenschaftler erforschen in Gobabeb Ökosysteme und Organismen der Wüste, auch neue Technologien zum Wassersparen und alternative Energien. Zwanzig Menschen leben ständig vor Ort, Wissenschaftler, technische Hilfskräfte und andere Angestellte des Instituts. Dazu kommen im Jahr mehr als 100 Gastforscher aus aller Welt. In seiner mehr als 40-jährigen Geschichte hat das Institut rund 1700 wissenschaftliche Publikationen zu bieten. Die Themen reichen von den Farbvariationen des Dünensands über das soziale Verhalten von Spinnen bis zur Wiederaufbereitung von Abwasser.

Gobabeb ist auch Ausbildungszentrum und arbeitet mit Universitäten weltweit zusammen. Der Schwerpunkt liegt auf nationalen Projekten, die den Schutz der natürlichen Ressourcen des Landes und den nachhaltigen Umgang damit erforschen. "Es geht darum, die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm in den Alltag zu führen, mit Einheimischen zusammenzuarbeiten, und vor allem den Studenten ein Verständnis für die Wüste und ihre wertvollen Ressourcen zu vermitteln", sagt Institutsleiter Joh Henschel. Im südlichen Afrika sei Gobabeb ein Center of Excellence und arbeite federführend in zahlreichen Gremien zum schonenden Umgang mit der Natur auf dem Afrikanischen Kontinent mit.

Internationale Hilfe

Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Deutschland unterstützt mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) Gobabeb finanziell noch bis Ende 2006. Andere Geldgeber waren Schweden, Norwegen, Japan, die Europäische Union, Kanada, amerikanische Institute sowie Privatspender. Dänemark stiftete eine hochmoderne Solarenergieanlage. Die namibische Regierung hat Gobabeb zudem die Lizenz für den Bau einer Lodge erteilt, mit der sich das Institut neue Geldquellen erschließen kann. In einem Jahr, hofft Joh Henschel, wird Gobabeb unabhängig von Geldgebern sein und sich selbst tragen.

Die Nebelfänger von Gobabeb

Der Nebel unterscheidet die Namib von den meisten Wüsten der Erde. Über dem kalten Benguelastrom an der Westküste Afrikas bilden sich dichte Nebelbänke, die landeinwärts ziehen. In rund 60 Nächten im Jahr kriechen sie auch über die Namib. Am Vormittag lösen sie sich wieder auf. Mit einem Nebelfang-Projekt wollen die Forscher in Gobabeb Trinkwasser aus dem Nebel gewinnen. Hohe Stangen ragen in den Himmel. Dazwischen aufgespannt sind verschieden strukturierte, feinmaschige Nylonnetze. Die Maschen fangen die Nebeltropfen, das Wasser fließt in eine Sammelrinne. Bis zu sechs Liter Wasser pro Quadratmeter fangen die Netze in einer Nacht. Institutsleiter Joh Henschel hatte sich das Know-Know des Nebelfangens vor gut sieben Jahren in Chile geholt. Dort versorgen Nebelnetze ein ganzes Dorf mit Frischwasser. Die geographische Situation entlang der Pazifikküste ähnelt der der Namib. In Gobabeb sind die Bedingungen aber schwieriger. Wüstenwind und Sandstürme reißen die Konstruktion immer wieder zu Boden. Derzeit arbeiten die Forscher an robusten und alltagstauglichen Nebelfängern. Nutznießer sollen irgendwann auch die Topnaar sein, die in kleinen Dörfern entlang dem Kuiseb-Fluss leben und die einzigen Bewohner der Namib-Wüste sind.

Das Wasser im Kuiseb fließt die meiste Zeit nur unterirdisch. Bäume und Buschwerk müssen es mit langem Wurzelwerk aus mehreren Metern Tiefe holen. Nur wenige Tage im Jahr - und manche Jahre überhaupt nie - regnet es in den Bergen am Flussoberlauf so stark, dass der Kuiseb auch in Gobabeb oberirdisch fließt.

Die Artenvielfalt in der Namib

ist für eine Wüste weltweit einmalig

Im Vergleich zu anderen Wüsten ist die Namib sehr alt. Geologen schätzen ihr Alter auf 60 bis 80 Millionen Jahre. Auch das derzeitige Klima besteht seit rund 17 Millionen Jahren. Neben der Trockenheit herrschen Temperaturen bis zu 42 Grad Celcius in der Luft und 70 Grad im Sand. Tag- und Nachttemperatur unterscheiden sich um durchschnittlich 17 Grad. Tiere und Pflanzen hatten viel Zeit, sich an diese extremen Bedingungen anzupassen. Auch von menschlichem Einfluss blieb die Namib weitgehend verschont. So hat sich im Laufe der Evolution eine Artenvielfalt entwickelt, die für eine Wüste einmalig ist. Viele Tiere und Pflanzen kommen nur in der Namib vor.

Wie die Welwitschia mirabilis. Sie ist eine Mischung aus Kiefer und Blüten tragender Pflanze und hat nur zwei Blätter, die aber bis zu zwei Meter lang werden. Einige Exemplare sind rund 3000 Jahre alt. Weil sie stetig nachwachsen und ökologische und klimatische Veränderungen speichern, sind Welwitschias für die Forscher besonders interessant. In Gobabeb untersuchen Wissenschaftler die Pflanze seit 1981 in einer Langzeitstudie.

Auch die Nara wächst nur in der Namib. Sie ist das stacheligste Kürbisgewächs weltweit. Ihre Sträucher werden bis zu acht Meter hoch. Der größte Teil der Pflanze liegt verborgen im Sand, ihre Wurzeln reichen bis zum Grundwasser. Das grüne Gestrüpp trägt fleischige grüne Blüten. Die Früchte sind stark ölhaltige, stachelige Kürbisse mit leuchtend orange-gelbem Fruchtfleisch.

Die Topnaar ernten die Kürbisse, trocknen die Samen zum Verzehr und bereiten aus dem Fruchtfleisch eine Art Trockenobst. "Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit den Topnaar an einem Vermarktungskonzept, damit diese den Kürbis nicht nur für sich selbst nutzen, sondern in Zukunft mit dem Verkauf von Kernen und Öl ein kleines Einkommen erzielen", sagt Joh Henschel.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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