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"Gratuliere zur Courage!"

Es ist kein weltbewegendes Buch wie etwa Joseph Hellers "Catch 22", auch kein eine gesamte literarische Epoche in selbstmörderische Massenhysterie versetzendes Werk, wie etwa Goethes "Leiden des jungen Werther". Dennoch hat der Autor des Romans "Treibholz" dem namibischen Büchermarkt einen neuen Stempel aufgedrückt.

Auf mitreißende, beizeiten auch reißerische, ausgeklügelte Weise behandelt er das Thema "Rassismus", das er aus interessanten Perspektiven zu beleuchten versteht. Da gibt es zum Beispiel den "Mischlingssohn" eines deutschen Schutztrupplers und einer Mbanderu-Frau mit dem banalen, deutschen Namen Otto Müller. Er ist in Europa aufgewachsen, kommt in den zwanziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts ins damalige Südwestafrika und muss verdattert feststellen, dass er in diesem Land ein "Sarotti-Mohr" ist, der nur einfach "Ja, my baas" zu sagen hat, um seine getönte Haut zu retten. Dann kommt in der Geschichte auch ein gewisser Egon Feierabend vor, der mit dem "Bastard" befreundet ist, obwohl er sich oftmals auf tragikomische Weise über das "Naturtalent eines Hanswurst aus Afrika" mit Tränen der Trauer lustig macht - schwarzer Humor als Mittel, die Realität zu ertragen? Schließlich gibt es noch den vierschrötigen Buren Barnard, der prinzipiell keinem Schwarzen die Hand gibt, sich im Laufe der Zeit jedoch zu einem annehmbaren Menschen entwickelt. Und schließlich wird der Leser mit dem schwarzen Schaf, Istvan Kinsky, konfrontiert, dem das "Ficken und Würgen von schwarzen Frauen" eine wahre Wonne bereitet. Die Frauen spielen in dem Roman über eine Männerfreundschaft wohl eher eine Nebenrolle.

Der "Rassimus" scheint das Leitmotiv in "Treibholz" zu sein. Es geht hier aber nicht nur um tiefverwurzelten Herdeninstinkt, sondern um Mächte wie Liebe, Freundschaft, Sexualität und Gewalt, die den Menschen gefangen halten und zu Treibholz machen, dem Wind und den Wogen der Gezeiten ausgeliefert.

Zugegeben, der Schreibstil des Autoren ist für meine Begriffe stellenweise etwas zu dramatisch, aber vielleicht ist das gefragt und hat der Verfasser sich hier von wirtschaftlichen Zweckmäßigkeiten leiten lassen. Ich stimme auch mit Irmgard Schreiber überein, dass die Sexualität in dem Werk manchmal etwas zu dick aufgetragen ist. Andererseits: Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Letztendlich aber spielt die Sexualität hier nicht die entscheidende Rolle und sind die übersteigerten Leser-Reaktionen darauf meiner Meinung nach unnötig.

Die meisten Künstler, ob Maler, Musiker oder Schriftsteller, die das Bedürfnis haben, ihre Kunst der Öffentlichkeit vorzustellen, möchten damit eine Aussage machen, es sei denn, sie gehören durch und durch der Gattung "homo oeconomicus" an. Sie setzen sich bestimmt nicht aus purer Langeweile vier Jahre lang hinter den Schreibtisch, wie im Falle Helmut Sydow. Hinzu kommt, dass sich sicherlich immer wieder automatisch Unsicherheit einstellt: "Wie wird mein Werk ankommen? Wird es überhaupt die Wirkung haben, die ich mir erhoffe?" Deshalb möchte ich Helmut Sydow zu seinem Mut gratulieren. Mir hing das Klischee Rassismus vor dem Lesen seines Buches ziemlich zum Halse heraus - "Treibholz" hat es wieder interessant gemacht.

Susann Kinghorn

Swakopmund

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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