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Hamiltons Blick gen Himmel
Hamiltons Blick gen Himmel

Hamiltons Blick gen Himmel

Vettels Verneigung und Versprechen
Sportredakteur
Mexiko-Stadt (dpa) - Lewis Hamilton verschwand zwischen Regalen und Kühlschränken. Ohne Glamour, ohne Glitzer. Mit beiden Händen hielt er den Union Jack fest, die britische Fahne hatte er sich um den Hals gelegt. Hamilton atmete fern des Trubels an einem historischen Formel-1-Tag für den neuen fünfmaligen Weltmeister tief durch und richtete den Blick nach oben. „Ich denke an meinen Großvater, er ist am Donnerstag gestorben, ich wollte ihn einfach nur stolz machen, ihn und meinen Vater. Es war keine leichte Zeit für unsere Familie“, sagte er. Die Stimme stockte.
Des Stolzes der Verwandten väterlicherseits aus der Karibik, seiner gesamten Familie, seiner Freunde, und seiner Heimat England kann sich Hamilton gewiss sein. „Lewis Hamilton hat sein Erbe zementiert, das der Zeit standhalten wird“, schrieb die Zeitung „Independent“ am Montag. „Wenn die Geschichte des Motorsports von den Fahrern bestimmt wird, muss dies sicherlich jetzt als die Hamilton-Ära betrachtet werden“, meinte „The Guardian“.
Vor dem 33 Jahre alten Briten verneigte sich auch sein geschlagener deutscher Rivale. „Ich bewundere seine Leistung auf der Strecke“, sagte Sebastian Vettel. Noch vor der Siegerehrung gratulierte der 31 Jahre alte Heppenheimer seinem Bezwinger, legte den Arm um dessen Schulter und riet ihm, dass er es genießen solle. Fünf Titel seien etwas Unglaubliches. „Und ich habe ihn gebeten, auch nächstes Jahr wieder so zu fahren. Ich will gegen ihn in seiner Bestform fahren.“
Anschließend ging Vettel in den Besprechungsraum der Mercedes-Crew und beglückwünschte auch noch die teils verwundert blickenden Ingenieure und Silberpfeil-Angestellten. Gänsehaut-Momente in Mexiko.
Vor allem Hamilton schien die Bedeutung und Tragweite seines Erfolgs lange nicht richtig fassen zu können. „Es fühlt sich nicht echt an“, sagte er auf seiner Pressekonferenz auf dem Autódromo Hermanos Rodríguez. Dananach flog er im kleinsten Kreis im Privatflieger nach Los Angeles. Er freute sich auf das Wiedersehen dort mit seinen beiden Hunden. Zwei Rennen stehen in dieser Saison noch aus: in Brasilien und in Abu Dhabi. Er kann sie zwar genießen, will nun aber auch noch die Saison mit dem fünften Titel in der Konstrukteurswertung für die Silberpfeile in Serie perfekt machen. Der Vorsprung auf Ferrari beträgt 55 Punkte.
Titel Nummer fünf nach 2008, 2014, 2015 und 2017 stellt ihn auf eine Stufe mit der argentinischen Formel-1-Ikone Juan Manuel Fangio, nur noch zwei WM-Triumphe ist er vom Rekord Michael Schumachers entfernt. „Ich habe nicht an diese Zahlen gedacht, weil ich nur diesen Titel im Kopf hatte“, sagte Hamilton. „Ich weiß auch nicht, ob ich die Chance habe, noch mehr zu gewinnen, aber ich gebe alles, es zu schaffen.“
Zur nächsten Saison, seiner 13. in der Motorsport-Königsklasse, wird Hamilton mit 34 voraussichtlich als zweitältester Fahrer im Feld antreten - nach dem weiterhin letzten Ferrari-Weltmeister Kimi Räikkönen (2007/39). Mehrfach betonte Hamilton am Wochenende in Mexiko, dass er sich noch auf weitere Jahre und das Duell mit Vettel freue. Dass er seinen bis einschließlich 2020 gültigen Vertrag noch mal verlängern könnte, ist mehr als denkbar.
„Solange er motiviert ist und genießt, was er macht, kann er noch viele Jahre fahren“, sagte Teamchef Toto Wolff: „Es kann eine Beziehung für die Ewigkeit werden.“
Für die Einstellung des Schumacher-Titelrekords bräuchte Hamilton rechnerisch aber sogar nur zwei Jahre. „Jetzt hat er nur Michael Schumacher und seine sieben Kronen vor sich“, schrieb die spanische Sportzeitung „Marca“. „Popstar, Schauspieler und fünfmaliger Weltmeister: Multitalent Lewis Hamilton auf dem Weg zu Michael Schumacher“, titelte „La Nacion“ aus dem Fangio-Land Argentinien.
Mehr Poles als Schumacher hat Hamilton bereits (81:68), bei den Siegen liegt er noch zurück (71:91). Bei Siegen von der Pole steht es aber 45:40 für Hamilton. „Der Grund, warum er die fünf Weltmeisterschaften gewonnen hat, ist, weil er sich nur auf den Job jetzt konzentriert und nicht zu weit nach vorne schaut“, kommentierte Wolff die Diskussionen um die Grenzen für den alten und neuen Champion in der Formel 1. Der Österreicher meinte mit Blick auf den besten Lewis Hamilton den er in den vergangenen sechs Jahren in dieser Saison gesehen habe: „Ich denke, da kommt noch mehr.“
Vettel will genau das. Doch am Sonntagabend musste der Hesse erst einmal den erneuten K.o. verarbeiten. „Dreimal in meinem Leben hatte ich diese Art von Enttäuschung, dass du feststellen musst, dass du keine Chance mehr hast, die WM zu gewinnen. Das sind nicht die glücklichsten Tage“, meinte Vettel. 2009 hatte er bei Red Bull im WM-Kampf gegen den damaligen BrawnGP-Piloten Jenson Button verloren, im vergangenen Jahr im Ferrari auch schon gegen Hamilton.
Vettel räumte ein, dass 2018 in mancher Hinsicht „definitiv“ sein schwerstes Jahr gewesen sei. „Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um einen Schlussstrich oder ein Resümee zu ziehen“, betonte der viermalige Weltmeister: „Wir müssen den Kopf oben behalten für die nächsten zwei Rennen, aber dann mit Sicherheit auch schon vorausdenken für die Zukunft.“ (Foto: dpa)

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Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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