Hereroaufstand 1904 - und kein Ende
Zwischen der namibischen und der deutschen Regierung ist ein Abkommen
unterschrieben worden. Von den Beauftragten wurde sechs Jahre verhandelt. Es sollte endlich
einen Schlussstrich unter die koloniale Vergangenheit des deutschen Kaiserreichs gesetzt
werden. Damit sollte der Herero-Nama Aufstand von 1904 bis 1908 auch ein
versöhnliches Ende bekommen.
Schon die Länge der Unterhandlungen ist ein Beweis wie schwierig diese Einigung war.
Über die Jahre stand immer ein „weißer Elefant“ im Raum. Letztendlich einigte man sich
darauf, dass Deutschland Schuld und Gräueltaten eingestehen sollte und dass der
deutsche Bundespräsident nach Namibia kommt, um in einem Staatsakt eine
Entschuldigung auszusprechen. Zudem wird Deutschland Entwicklungsprojekte der
betroffenen Ethnien mit 1,1 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren unterstützen.
Der ausgehandelte Vertrag ist von den Unterhändlern paraphiert worden und wartet nun
auf die Zustimmung beider Parlamente. Nach Bekanntwerden des Vertragswerks ist es
von den Führern der betroffenen Gemeinschaft unmittelbar abgelehnt worden. Ihr
Argument ist, dass ihre Führer nicht mit am Verhandlungstisch gesessen hätten. Das
Ergebnis sei total inakzeptabel und man werde wieder wie in damaligen Zeiten mit
„Glasperlen“ abgespeist.
Das Argument der Ablehnung ist aber hauptsächlich die Höhe der Reparationszahlung.
Die Chiefs und Oppositionsparteien wünschen zudem, dass sie die Gelder erhalten und
nach ihrem Gutdünken einsetzen und auszahlen können. Sie wüssten schließlich am
besten was ihre Menschen benötigten. Die deutsche Arroganz und Bevormundung müsse
endlich ein Ende nehmen. Die Bevölkerungsgruppen sind zudem in den Glauben versetzt
worden, dass sie als Nachfahren Bargeld ausbezahlt bekämen.
Die Frage ist, warum die Verhandlung so lange dauerte und der finanzielle Betrag nicht
höher ausgefallen ist. In den vergangenen Jahren ist bereits viermal vor internationalen
Gerichten eine Klage wegen eines Genozids mit Reparation gegen Deutschland
abschlägig verhandelt worden. Mithin wird der namibischen Delegation deutlich gemacht
worden sein, dass es keine juristische Durchsetzbarkeit ihrer Forderungen gibt. Um den
Streit zu beenden und der guten Beziehungen wegen war Deutschland aber dennoch
bereit neben der laufenden Entwicklungshilfe zusätzliche Gelder - gebunden an Projekte -
für die betroffenen Volksgruppen bereit zu stellen.
Auch der Begriff Genozid wurde vorsichtig umgangen. Schon die deutsche Ministerin
Wieczorek-Zeul hatte bereits 2004 bei der Festrede zur 100-Jahresfeier der Schlacht am
Waterberg gesagt, dass man das, was seinerzeit passierte ‘heute als Genozid’ bezeichnen
würde. Da der Begriff Genozid erst 1948 von der UNO definiert wurde, kann er nicht
rückwirkend strafrechtlich verwendet werden. Ob man das Wort Genozid für das, was vor
117 Jahren geschah, benutzen kann, wird sowieso von vielen Historikern bezweifelt. Der
Bundestagspräsident Lammer verwendete den Begriff als erster deutscher
Regierungsvertreter vor 5 Jahren. Eine neue Geschichtsschreibung deutet sich aber an.
Die deutsche Kolonialzeit von 1884 bis 1919 ist inzwischen Geschichte. Der
Hereroaufstand von 1904 ist das markanteste Ereignis dieser Zeit. Historiker arbeiten sich
derzeit an den Ereignissen ab und versuchen historische Parallelen aufzuzeigen. Eine
der Thesen ist der Vergleich zu Ausschwitz. Es gibt dabei zwei Denkrichtungen der
Historiker, wie die Geschehnisse der Kolonialzeit zu beurteilen sind.
Dem kolonialen Verständnis entsprechend wurde bei der Berliner Konferenz von 1884
ganz Afrika von den europäischen Mächten einfach aufgeteilt. Deutschland erhielt die vier
Länder Togo, Kamerun, Deutsch-Ost und Deutsch-Südwest Afrika. Nach dem
internationalen Abkommen gehörten damit alle vier Gebiete zum deutschen Kaiserreich.
Das Recht des Stärkeren wurde seinerzeit angewandt, frei nach dem christlichen Spruch:
Macht Euch die Erde untertan. Die Afrikaner wurden nicht gefragt und somit blieben auch
Aufstände gegen die Unterdrückung der Fremdherrschaft nicht aus.
Im Januar 1904 brach unerwartet der Herero-Aufstand aus. 123 Männer, Frauen und
Kinder wurden in den ersten Tagen ermordet. Mit den Verfolgungsaktionen entwickelte
sich ein Buschkrieg, den die deutsche Truppe für sich entscheiden konnte. Diesen Krieg,
den zuerst die Herero und danach die Nama verloren, wird nun als Genozid bezeichnet
und Wiedergutmachung verlangt. Mit dieser Forderung werden viele Fragen aufgeworfen
und alle anderen damaligen Kolonialmächte sind genaue Beobachter wie Deutschland
sich verhält. Dieser erste Fall könnte nämlich anderen Volksgruppen als Blaupause für
Regressansprüche dienen. Die Bundesrepublik hat sich nach langen Verhandlungen im
Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit zu Aufbauhilfen der Nachfahren der Opfer
bereit erklärt. Die namibische Regierung hat zugestimmt. Bei der ersten Debatte im
Parlament hat die regierende Partei aber klargestellt, dass für sie die Kompensation
auch unbefriedigend sei. Sie hoffen bei späteren Nachverhandlungen im Rahmen der
Partnerschaft weitere Zugeständnisse zu erreichen. Im Parlament wird derzeit erbittert
gestritten, um das Abkommen abzulehnen. Die Frage ist nun, ob die betroffenen
ethnischen Gruppen sich überzeugen lassen, dass es keine Grundlage gibt, Deutschland
zu verklagen und Forderungen zu stellen. Es bedarf aber noch viel Überzeugungskraft um
den weißen Elefant, der im Raum steht, zu vertreiben. Erst dann hätte der damalige
Herero-Nama-Aufstand tatsächlich ein versöhnliches Ende bekommen und wäre ein
abgeschlossenes Kapitel der Geschichte.
Uli Frantz
unterschrieben worden. Von den Beauftragten wurde sechs Jahre verhandelt. Es sollte endlich
einen Schlussstrich unter die koloniale Vergangenheit des deutschen Kaiserreichs gesetzt
werden. Damit sollte der Herero-Nama Aufstand von 1904 bis 1908 auch ein
versöhnliches Ende bekommen.
Schon die Länge der Unterhandlungen ist ein Beweis wie schwierig diese Einigung war.
Über die Jahre stand immer ein „weißer Elefant“ im Raum. Letztendlich einigte man sich
darauf, dass Deutschland Schuld und Gräueltaten eingestehen sollte und dass der
deutsche Bundespräsident nach Namibia kommt, um in einem Staatsakt eine
Entschuldigung auszusprechen. Zudem wird Deutschland Entwicklungsprojekte der
betroffenen Ethnien mit 1,1 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren unterstützen.
Der ausgehandelte Vertrag ist von den Unterhändlern paraphiert worden und wartet nun
auf die Zustimmung beider Parlamente. Nach Bekanntwerden des Vertragswerks ist es
von den Führern der betroffenen Gemeinschaft unmittelbar abgelehnt worden. Ihr
Argument ist, dass ihre Führer nicht mit am Verhandlungstisch gesessen hätten. Das
Ergebnis sei total inakzeptabel und man werde wieder wie in damaligen Zeiten mit
„Glasperlen“ abgespeist.
Das Argument der Ablehnung ist aber hauptsächlich die Höhe der Reparationszahlung.
Die Chiefs und Oppositionsparteien wünschen zudem, dass sie die Gelder erhalten und
nach ihrem Gutdünken einsetzen und auszahlen können. Sie wüssten schließlich am
besten was ihre Menschen benötigten. Die deutsche Arroganz und Bevormundung müsse
endlich ein Ende nehmen. Die Bevölkerungsgruppen sind zudem in den Glauben versetzt
worden, dass sie als Nachfahren Bargeld ausbezahlt bekämen.
Die Frage ist, warum die Verhandlung so lange dauerte und der finanzielle Betrag nicht
höher ausgefallen ist. In den vergangenen Jahren ist bereits viermal vor internationalen
Gerichten eine Klage wegen eines Genozids mit Reparation gegen Deutschland
abschlägig verhandelt worden. Mithin wird der namibischen Delegation deutlich gemacht
worden sein, dass es keine juristische Durchsetzbarkeit ihrer Forderungen gibt. Um den
Streit zu beenden und der guten Beziehungen wegen war Deutschland aber dennoch
bereit neben der laufenden Entwicklungshilfe zusätzliche Gelder - gebunden an Projekte -
für die betroffenen Volksgruppen bereit zu stellen.
Auch der Begriff Genozid wurde vorsichtig umgangen. Schon die deutsche Ministerin
Wieczorek-Zeul hatte bereits 2004 bei der Festrede zur 100-Jahresfeier der Schlacht am
Waterberg gesagt, dass man das, was seinerzeit passierte ‘heute als Genozid’ bezeichnen
würde. Da der Begriff Genozid erst 1948 von der UNO definiert wurde, kann er nicht
rückwirkend strafrechtlich verwendet werden. Ob man das Wort Genozid für das, was vor
117 Jahren geschah, benutzen kann, wird sowieso von vielen Historikern bezweifelt. Der
Bundestagspräsident Lammer verwendete den Begriff als erster deutscher
Regierungsvertreter vor 5 Jahren. Eine neue Geschichtsschreibung deutet sich aber an.
Die deutsche Kolonialzeit von 1884 bis 1919 ist inzwischen Geschichte. Der
Hereroaufstand von 1904 ist das markanteste Ereignis dieser Zeit. Historiker arbeiten sich
derzeit an den Ereignissen ab und versuchen historische Parallelen aufzuzeigen. Eine
der Thesen ist der Vergleich zu Ausschwitz. Es gibt dabei zwei Denkrichtungen der
Historiker, wie die Geschehnisse der Kolonialzeit zu beurteilen sind.
Dem kolonialen Verständnis entsprechend wurde bei der Berliner Konferenz von 1884
ganz Afrika von den europäischen Mächten einfach aufgeteilt. Deutschland erhielt die vier
Länder Togo, Kamerun, Deutsch-Ost und Deutsch-Südwest Afrika. Nach dem
internationalen Abkommen gehörten damit alle vier Gebiete zum deutschen Kaiserreich.
Das Recht des Stärkeren wurde seinerzeit angewandt, frei nach dem christlichen Spruch:
Macht Euch die Erde untertan. Die Afrikaner wurden nicht gefragt und somit blieben auch
Aufstände gegen die Unterdrückung der Fremdherrschaft nicht aus.
Im Januar 1904 brach unerwartet der Herero-Aufstand aus. 123 Männer, Frauen und
Kinder wurden in den ersten Tagen ermordet. Mit den Verfolgungsaktionen entwickelte
sich ein Buschkrieg, den die deutsche Truppe für sich entscheiden konnte. Diesen Krieg,
den zuerst die Herero und danach die Nama verloren, wird nun als Genozid bezeichnet
und Wiedergutmachung verlangt. Mit dieser Forderung werden viele Fragen aufgeworfen
und alle anderen damaligen Kolonialmächte sind genaue Beobachter wie Deutschland
sich verhält. Dieser erste Fall könnte nämlich anderen Volksgruppen als Blaupause für
Regressansprüche dienen. Die Bundesrepublik hat sich nach langen Verhandlungen im
Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit zu Aufbauhilfen der Nachfahren der Opfer
bereit erklärt. Die namibische Regierung hat zugestimmt. Bei der ersten Debatte im
Parlament hat die regierende Partei aber klargestellt, dass für sie die Kompensation
auch unbefriedigend sei. Sie hoffen bei späteren Nachverhandlungen im Rahmen der
Partnerschaft weitere Zugeständnisse zu erreichen. Im Parlament wird derzeit erbittert
gestritten, um das Abkommen abzulehnen. Die Frage ist nun, ob die betroffenen
ethnischen Gruppen sich überzeugen lassen, dass es keine Grundlage gibt, Deutschland
zu verklagen und Forderungen zu stellen. Es bedarf aber noch viel Überzeugungskraft um
den weißen Elefant, der im Raum steht, zu vertreiben. Erst dann hätte der damalige
Herero-Nama-Aufstand tatsächlich ein versöhnliches Ende bekommen und wäre ein
abgeschlossenes Kapitel der Geschichte.
Uli Frantz
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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