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Hobby-Ornithologe sichtet fremde Vogelart in Pionierspark

Nach dem morgendlichen Ritual des Auffüllens der Vogelfutterspender in dem kleinen Garten vor meiner Mietwohnung in Pionierspark trafen auch bald schon die mir bekannten Wildvögel ein. Den Anfang machten die Angolagirlitze (Crithagra atrogularis), die mit ihrem wundervollen Gesang den Morgen begrüßen. Die prachtvollen schwarzgelben Männchen der Königswitwe (Vidua regia) mit ihren langen Schwanzfedern trafen kurz danach ein und alsbald waren auch die blauen Angola-Schmetterlingsfinken (Uraeginthus angolensis), die hektischen und lärmenden Blutschnabelweber (Quelea quelea), der Früchte und Beeren fressende Maskenbülbül (Pycnonotus nigricans), der knallgelbe Maskenweber (Ploceus velatus), die hübschen Rotkopfamadinen (Amadina erythrocephala) an der Futterstation. Am Boden hüpften die seit einigen Jahren in freier Wildbahn etablierten Senegal-Amaranten (Lagonosticta senegala) umher, eifrig die heruntergefallene Saat aufpickend. Vermutlich stammen diese Vögel von ehemaligen Volierenflüchtlingen ab.

Aber Moment, zwischen den alltäglichen Vogelgästen hüpfte plötzlich ein kleiner, stahlblau schillernder Vogel mit einem weißen Schnabel umher. Er war mir nie zuvor aufgefallen und sofort fotografierte ich ihn, bevor er davon flog. Mit Hilfe einiger Vogelbücher, die ich miteinander verglich, konnte ich ihn als eine Unterart der Rotschnabel-Atlaswitwe, nämlich der Vidua chalybeata okavangoensis, identifizieren. Diese Unterart hat im Vergleich im Brutkleid einen weißen anstatt einen roten Schnabel. Nach weiterer Beobachtungszeit entdeckte ich auch zwei zum Männchen gehörende Weibchen. Sie haben mit den Weibchen der Königswitwe große Ähnlichkeit.

Ihr Brutverhalten ähnelt dem eines Kuckucks. Die Weibchen der Rotschnabel-Atlaswitwe legen ihre Eier mit Vorliebe in die Nester der Senegal-Amaranten, während derer Abwesenheit. Diese betrachten die Eier als ihre eigenen und verrichten das restliche Brutgeschäft.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dieser Entdeckung nicht auch um Volierenflüchtlinge handelt, aber die Scheu dieser beobachteten Vögel spricht dagegen. Des Weiteren ist es in der Tierwelt nicht ungewöhnlich, dass Tierarten ihr Verbreitungsgebiet während futterreichen Perioden expandieren und teilweise explosionsartig und unerwartet in "ungewöhnlichen" Gegenden erscheinen. Hier in Namibia haben wir seit etwa fünf Jahren gute Regenzeiten, die von den Tieren genutzt werden, sich und ihre Bestände zu stärken, zu vermehren und sich demzufolge auszubreiten.

Kein Wunder, dass diese Art noch nicht zuvor in Windhoek gesichtet wurde: Ihr bisherig bekanntes Verbreitungsgebiet im südlichen Afrika erstreckt sich nämlich hauptsächlich vom nordöstlichen Südafrika über Zimbabwe ins Okavango Delta und bis in den östlichen Caprivi. Nur vereinzelt trifft man sie auch im Ovamboland an.

Somit ist die Entdeckung dieser kleinen Vogelart, sie messen bis zu 10,5 cm, in Windhoek sehr erfreulich und ein Zeichen dafür, dass wir Menschen in Namibia ein dieser Art zum expandieren günstig erscheinendes Habitat (auch wenn es in Form der Gärten ein künstliches ist) geschaffen haben. Denn genauso wie der Schutz der großen Tiere (Elefanten, Nashörner, Geparden, Kappelzrobben) gehört der Schutz der kleineren Tiere (Vögel, Reptilien, Insekten) auch zu einem verantwortlichen Naturschutz in Namibia (und im Rest der Welt).

Es bleibt zu hoffen, dass die Rotschnabel-Atlaswitwe in einigen Jahren genauso häufig in unseren Gärten zu beobachten ist wie beispielsweise der Maskenweber. Man könnte meinen, die Atlaswitwe sei pünktlich zum diesjährigen Jubiläum anlässlich 50 Jahre Vogelclub Namibia eingetroffen.

Stefan Rust

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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