Hohes Verkehrsaufkommen und trotzdem weniger Autos
Während Großstädte weltweit immer neue Wege gehen, um den motorisierten Verkehr zu reduzieren, werden die Straßen der namibischen Hauptstadt immer noch von PKWs dominiert. In 20 Jahren soll Windhoek zur Millionenstadt heranwachsen. Damit das Verkehrssystem nicht kollabiert, arbeiten mehrere Initiativen bereits heute an möglichen Lösungswegen, um dem Verkehrsaufkommen Herr zu werden.
Gegenwärtig existiert in Namibia kein öffentliches Nahverkehrsnetz, wie es beispielsweise in Europa zum städtischen Standard zählt. Seit September letzten Jahres arbeiten die Stadt Windhoek, das Ministerium für öffentliche Arbeiten und Transport sowie die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) an einer Reform des hiesigen Verkehrssystems. Durch das „Move“ genannte Projekt sollen bestehende Verkehrswege optimiert und neue Fortbewegungsmöglichkeiten erarbeitet werden.
Besonders aktiv bei der Einbindung alternativer Verkehrsmittel in den Alltag ist der junge Teil der Bevölkerung. So setzten Schüler der Deutschen Höheren Privatschule (DHPS) letzte Woche Freitag ein Zeichen für mehr Radverkehr auf Windhoeks Straßen. In Zusammenarbeit mit der Initiative „you think green“ und der Organisation „physical active youth“ aus Katutura organisierten die Schüler Namibias ersten Bike-Bus. Durch die Aktion sollte demonstriert werden, dass das Fahrrad eine praktische Alternative zum Auto darstellt.
Als Bike-Bus wird eine Gruppe Radfahrer bezeichnet, welche im Verbund eine identische Wegstrecke zurücklegt. Wichtigster Aspekt ist dabei die Sicherheit. „Erfahrungen aus anderen Städten haben gezeigt, dass sich Autofahrer rücksichtsvoller verhalten, wenn sie einer Radgruppe begegnen, im Vergleich zu individuellen Radfahrern“, erklärt der Initiator der Aktion, der Deutsche Simon Klippert.
Während der Fahrt machten die Teilnehmer durch lautes Pfeifen und Rufen auf sich aufmerksam. Einige Autofahrer drosselten allein aus Verwunderung über die radelnde Gruppe ihre Geschwindigkeit und ließen den Bike-Bus ungehindert passieren. Die drei Kilometer vom Ausgangspunkt in Klein-Windhoek zur DHPS dauerten zwar länger als mit dem Auto, dafür „macht der Schulweg viel mehr Spaß“, wie die Teilnehmer einstimmig resümierten.
Die Verantwortlichen werten die Aktion als Erfolg. „Meine Idee ist es nun, den Bike-Bus einmal im Monat fahren zu lassen. Wir wollen dann in fünf verschiedenen Ortsteilen Sammelstellen einrichten, von denen aus die Schüler zusammen mit zwei bis drei Lehrern zur Schule fahren“, erklärt der Studienberater der DHPS, Carsten Antoni, seine weiteren Pläne.
In den letzten Jahren haben Studenten der Fachhochschule (Polytechnikum) bereits in mehreren Diplomarbeiten ermittelt, welche Verkehrsmittel die Windhoeker auf dem Weg zur Arbeit nutzen. Die Studenten unter Leitung von Dr. Robert Riethmüller haben eine großangelegte Verkehrszählung durchgeführt und eine Verkehrskarte angelegt. Die Hochschule rechnet damit, dass die Bevölkerungszahl der Hauptstadt innerhalb von 20 Jahren auf eine Million Bürger wachsen wird, laut dem aktuellen Bevölkerungswachstum wäre das im Jahr 2043 der Fall. „Verkehrsplanerisch sind 20 Jahre keine lange Zeit. Daher müssen wir uns schon jetzt Gedanken über unsere zukünftigen Fortbewegungsmittel machen“, erläutert Riethmüller.
Neben der Einführung eines flächendeckenden Busverkehrs, einer Verbesserung der Zugverbindungen und einer Optimierung des PKW-Verkehrs sieht der Verkehrsplan vor allem eine Etablierung des Radverkehrs und den Ausbau von Fußwegen vor.
Dem Fahrrad kommt im innerstädtischen Verkehr bislang kaum eine Bedeutung zu. Dabei wäre das Rad ein umweltfreundliches und vor allem kostengünstiges Fortbewegungsmittel. Das hohe Unfallrisiko im Stadtverkehr hindert jedoch die meisten Windhoeker an der Nutzung des Fahrrades. „Damit das Fahrradfahren sicherer wird, müssen die Fahrräder zunächst von der Straße runter“, sagt Riethmüller. Daher diskutieren die Beteiligten darüber, die bisher wenig genutzten Trockenflüsse als Fuß- und Radwege auszubauen. Robert Riethmüller macht darauf aufmerksam, dass die Trockenflüsse bereits von Fußgängern als Pfade genutzt werden, viele Bürger die Trockenflüsse aber aus Angst vor „lichtscheuem Gesindel“ meiden. „Wenn wir die Pfade systematisch ausbauen, wären diese Gebiete wesentlich sicherer“, sagt Riedmüller.
Für die Zukunft planen die Macher von „Move“ auch über die Stadtgrenze hinaus. So sollen zukünftig praktikable Möglichkeiten erkundet werden, um Pendler von Rehobot oder Okahandja in die Hauptstadt zu bringen. Im Mai soll der Plan für öffentlichen Personenverkehr offiziell präsentiert werden. Bis dahin diskutieren die Aktiven über die Ideen, welche zum Großteil über soziale Netzwerke von engagierten Bürgern eingehen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen