„Ich lasse sie werden, was sie werden möchten“
Von Amelie Meier, Windhoek
Zwei kleine weiße Perlen schimmern im Zement. Sie sind eingebettet in einen etwa vier Zentimeter großen Anhänger. Er ähnelt in der Form einem Torbogen, vorne grau, mit sich kreuzenden schwarzen Linien auf den weißen Seitenflächen. „I am not hard and cold“ (Ich bin nicht hart und kalt) steht auf einem kleinen Plastikschild, das an der Kette hängt. „Die Menschen sehen mich als kühl, ich bin das aber gar nicht“, erklärt Angela Tölken. Deshalb hat sie die schimmernden Perlen in hartes Zement gesetzt. Die Kette ist eines von Angela Tölkens ganz persönlichen Schmuckstücken. „Sometimes a little scared“ (Manchmal etwas verängstigt), „Distrusting“ (Misstrauisch) oder „I`d rather watch“ (Ich beobachte lieber) heißen andere Ketten, Ringe und Ohrringe, mit denen die schlanke Frau mit den dunklen Augen und den kurzen braunen Haaren viel über sich aussagt. Mehr, als sie in Worte fassen kann und will. „Schmuck ist eine visuelle Sprache“, sagt die 32-jährige Goldschmiedin. Sie sei ein eher introvertierter Mensch und spreche lieber durch ihre Werke als in Worten.
Angela Tölken ist in Windhoek geboren und aufgewachsen. Bis zum neunten Schuljahr wusste sie ganz genau, dass sie einmal Medizin studieren würde. Doch dann kam eine Schnupperwoche beim Goldschmied, die diese Pläne änderte. Eher zufällig, sagt Tölken, sei es also dazu gekommen, dass sie nach Südafrika an die Universität Stellenbosch ging, dort einen Bachelor- und einen Masterabschluss in Design und Schmuckherstellung machte und dort blieb.
Heute arbeitet sie an derselben Uni. Und auch das war wieder ein Zufall. Vor acht Jahren kam es zu einem personellen Umbruch in ihrem Fachbereich, der Schmuckherstellung. Die neue Leiterin brauchte Hilfe bei der Strukturierung und Neuordnung und wandte sich an Tölken, deren Organisationstalent sie schätzte. Seitdem leitet die Namibierin die interne Administration, kümmert sich um Einkäufe, Finanzen und organisatorische Dinge und leitet als Dozentin praktische Workshops im Schmuckdesign. Doch diese, wie sie es nennt „sichtbare“ Arbeit an der Universität macht sie nur halbtags. Die halbe Woche ist sie unsichtbar, verschwindet in Studios und Werkstätten der Universität, benutzt die dortigen Gerätschaften mit und wird kreativ.
An der Universität kann Angela Tölken zwei Seiten ihrer Persönlichkeit ausleben: Einerseits ist sie die Künstlerin, andererseits kann sie, wie sie sagt, ihre „nicht kreative Seite ausleben“. Sie organisiert gerne und kann gut mit Zahlen umgehen.
Diese Seite ihrer Persönlichkeit gibt Tölken in ihren Schmuckstücken nicht wieder. Wohl aber ihren Hang zum Akademischen: „Thinking too much“ (Denke zu viel) heißt beispielsweise eine Kette, an deren orangefarbenem Anhänger viele kleine Zahnräder angebracht sind. Ihre Herangehensweise an die Kunst sei viel akademischer als bei Kollegen, erklärt sie. „Ich denke nicht unbedingt mehr nach, aber vielleicht intensiver.“ Wenn sie sich mit einem Thema beschäftige, mache sie sich auch Gedanken über psychologische und philosophische Aspekte und schaue sich an, was andere Künstler zu diesem Thema geschaffen haben. Dann zeichne sie Entwürfe und bastele meistens Modelle aus Papier, bevor sie mit dem Metall beginnt. „Irgendwann nehmen die Stücke dann ein eigenes Leben an, dann lasse ich sie werden, was sie werden möchten.“ So werde sie oft durch ihre eigenen Arbeiten überrascht, sagt Tölken. Besonderes Augenmerk legt sie auf Farben und ungewöhnliche Materialien. „Texturen und Muster liegen mir sehr, da hat mich mein Heimatland sehr geprägt“, sagt sie, als sie einen gelben Anhänger betrachtet, für den sie Emailfarbe mit Sand gemischt hat. „Und leuchtende Farben sprechen mich sehr an.“
Jedes von Angela Tölkens Stücken ist ein Unikat. Sie hat sich auch schon in der Schmuckmanufaktur versucht, einzelne Stücke mehrfach angefertigt, verloren gegangene Ohrringe ersetzt. Das sei technisch durchaus anspruchsvoll. Aber ihr gefällt diese Arbeit nicht: „Zehnmal dasselbe machen ist geistestötend.“ Lieber erschafft sie ihre Unikate, die sie im Internet, in südafrikanischen Galerien und bei Ausstellungen in Südafrika sowie kürzlich auch erstmals in der Omba-Galerie in Windhoek verkauft. Meistens kauften sich ihre Kunden ein Schmuckstück, einfach weil ihnen Größe, Farbe und Form gefielen, sagt Angela Tölken. Bei Interesse erkläre sie aber auch gerne die Bedeutung, die ihre Werke für sie haben. Und wenn die Kunden sich dann für ein Schmuckstück entscheiden, weil sie auch über sich selbst sagen wollen „I am not hard and cold“, dann freut sich Angela Tölken besonders.
Weitere Informationen zu Angela Tölken und ihren Schmuckstücken gibt es im Internet (www.angela.co.za).
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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