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Identität fördern

Kann es über Ländergrenzen und Kontinente hinweg eine Vernetzung und Zusammenarbeit kultureller und sprachlicher Minderheiten geben? - Geografische Entfernung, die enge lokale Einbindung in die Schranken der eigenen Existenz und die Grenzen sprachlicher (In)Kompetenz sowohl der Mehrheiten als auch der Minderheiten müssten die gestellte Frage von vornherein verneinen.

Die Frage zur Existenz und zur Förderung von Minderheiten wird jedoch bewusst von vielen internationalen und privaten Instanzen angegangen, vornan die Vereinten Nationen, die gleich ein ganzes Jahrzehnt (1994 - 2004) den "indigenen Völkern" gewidmet haben und seit 2000 (jeweils am 21. Februar) den Internationalen Tag der Muttersprachen begehen wollen. Die meisten solcher Gedenktage und Treffen - unter zig anderen ausgerufenen Anlässen handelt es sich oft nur um "Eintagsfliegen" - gehen unbeachtet in der Informationsflut und der Routine des Alltags unter. Ja, ihre Veranstalter gehen häufig schon von Anfang an davon aus, dass die Öffentlichkeit ein seichtes Gedächtnis hat.


Kann also eine Konferenz von Medienvertretern aus kulturellen und sprachlichen Minderheiten im Reigen der "Eintagsfliegen" überhaupt etwas bewirken - lautete gestern die Frage zum AZ-Hintergrundbericht über den Medienkongress dreier europäischer Veranstalter in Österreich mit Teilnehmern zwischen Sibirien und Belgien, Polen und Italien, Ungarn und Namibia, um nur einige der Herkunftsorte zu nennen.


Was die Teilnehmer aus völlig unterschiedlichen Ländern - oft mit negativen historischen Erfahrungen und über verpasste kulturpoltische Chancen - gemeinsam hatten, ist der Wille zur vielsprachigen Verständigung und zur multikulturellen Begegnung, um reichhaltiger Vielfalt Gestalt zu verleihen.


Gerade für die junge souveräne Gesellschaft Namibias ist die Suche nach nationaler, nach sozialer und kultureller Identität ein ganz besonderes Anliegen geworden. Die 1990 hergestellte politische Eigenständigkeit reicht den staatlichen Amtsträgern allein nicht aus. Der neue Heldenacker am Südausgang von Windhoek dokumentiert, dass namibische Machthaber wie ihre Vorgänger im europäischen Nationalismus, Chauvinismus und Kommunismus des 19. und 20. Jahrhunderts ihre Identität zunächst in überdimensionalen Ruhmesgestalten aus Stein und Bronze suchen. Wenn die Stätten als historische Aussage einer Epoche ästhetisch etwas taugen, mag die Nachwelt mit ihnen zurechtkommen, zum Beispiel mit dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, dem Marx-Schädel in Chemnitz oder dem Reiterstandbild in Windhoek.


Anders verhält es sich aber mit gelebter Kultur- und Sprachenvielfalt, die entweder durch kritische Pflege und praktische Anwendung in ständiger Fortentwicklung gedeihen oder durch selbst verursachte Vernachlässigung - auch durch politische Unterdrückung - verkümmern und gänzlich verschwinden kann.


Darauf hat die namibische Gesellschaft viel mehr zu achten als auf Monumente aus Stein.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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