Ihre Kunst zieht weite Kreise
Von Elke Reinauer, Windhoek
Eine Frau streut Kreise aus Salz in die Wüste. Der Wind zerrt an ihrer Bluse und ihren roten Haaren, aber sie hält ihm stand. Ein Plastiksack mit Salz steht auf einer Schubkarre und immer wieder füllt sie ihren Behälter neu, um die Kreise zu vollenden. Es ist eine Art stiller Tanz, den sie dort vollführt. Sie zieht Kreise von innen nach außen. Am Ende stellt sie sich in deren Mitte. Das ist ein Ausschnitt aus dem Film „An Infinite Scream“ über die Künstlerin Imke Rust.
„Ich bin fasziniert von Salz und seiner Symbolik“, sagt Imke Rust in der Dokumentation, die am 14. Januar im Goethe-Zentrum Namibia-Premiere feiern wird. Steffen Holzkamp, Berliner Filmemacher, Musiker und Rusts Ehemann, begleitete die Künstlerin mit der Kamera. Was daraus entstand, ist ein Blick hinter die Kulissen ihrer Arbeit und ein Porträt, das ihre Sensibilität, Kreativität und Courage zum Ausdruck bringt. Sie zeichnet selbstvergessen und wenn sie spricht, wählt sie ihre Worte mit Bedacht.
Es fing alles damit an, dass Rust ihre Arbeiten in der Wüste als Video dokumentieren wollte. Sie will keine Spuren in der Landschaft hinterlassen oder diese verschmutzen. Also sammelte sie die über 1000 Dornen wieder ein, die sie zu Kreisen gelegt hatte. Oder die schwarzen Müllsackrosen, die sie im Sand aufstellte. Eine Ausnahme sind die Salzkreise, sie wurden zu einer begehbaren Skulptur, bis der Wind sie verwehte.
„Es war mir neu zu sehen, wie Imke arbeitet“, sagte Steffen Holzkamp über seine Frau. Die 41-Jährige erschafft intuitiv. Erst muss sie ein Gefühl haben, eine Verbindung zu einer Sache, dann entsteht ein Projekt.
Aufgewachsen in Swakopmund, fühlte sich Rust in der Wüste zuhause und sorgte sich um die Auswirkungen des Uranbergbaues in der Namib. 2012 erfuhr sie von dem geplanten Chemiewerk bei Swakopmund. „Ich war gerade in Berlin, als ich davon hörte. Ich fühlte Angst und Hilflosigkeit und wollte etwas dagegen tun.“
Man könnte auch sagen, sie hörte einen markerschütternden Schrei. Den gleichen Schrei, den Edvart Munch in seinem Tagebuch beschrieb: „Ich ging mit zwei Freunden die Straße hinab. Die Sonne ging unter, der Himmel wurde blutrot (…) Ich blieb zurück zitternd vor Angst – ich fühlte den großen Schrei der Natur.“ Aus diesen Eindrücken entstand das berühmte Gemälde „Der Schrei“. Diese Botschaft konnte Rust gut nachempfinden und sie begann an dem Projekt „And I heard an infinite scream passing through the Namib“ zu arbeiten. Mit Passanten stellte sie das Gemälde „der Schrei“ auf der Jetty von Swakopmund nach und machte daraus eine Collage. In dem Film ist zu sehen, wie sie Leute anspricht und ihnen ihr Projekt erklärt.
Und dann kam der dramatische Wendepunkt, der auch dem Film eine Spannung verleiht: Die Absage ihrer geplanten Ausstellung in Swakopmund, mit der Begründung, ihre Kunst sei zu politisch. „Für mich als Filmemacher war das natürlich göttlich“, sagt Steffen Holzkamp. „Das gab dem ganzen Dramatik und eine unerwartete Wendung.“
Wenn Rust auf die Ablehnung und Debatte von 2012 zurückblickt, sagt sie: „Es ist für mich nicht mehr wichtig. Aber das Gute daran war, dass das Thema Umwelt die ganze Zeit so präsent blieb.“
„In Namibia gibt es wenig Skandal-Künstler, davon bräuchte man hier mehr" , meint Steffen Holzkamp. „In Deutschland gibt es zu viele davon.“ Dass Künstler eine extreme oder radikale Stellung beziehen, würde in Namibia fehlen, findet Rust.
Dadurch dass Imke Rust ihre Zeit in Namibia und Berlin verbringe, hätte sie einen frischeren Blick auf ihre Heimat bekommen. „Durch die Distanz zu Namibia kann ich freier auf die Dinge, die hier passieren, schauen.“ „Freiheit“, sagt sie, „mussten manche Leute in diesem Land erst lernen. Rust erzählt von ihrer Schulzeit, in der viele Dinge einfach vorgegeben waren, zum Beispiel eine Gedichtinterpretation. Es seien festgelegte Strukturen gewesen, in denen sie aufgewachsen war. Aber sie selbst war schon immer kreativ, auch von ihrem Elternhaus her. „Wir hatten nicht viel Geld, dann hieß es eben, bastele dir deine Puppenmöbel selbst.“
Der Film zeigt auch, was Imke Rust antreibt. Es ist ein Suchen, ein spielerischer Umgang mit der Frage: Was kann Kunst bewirken? Sie macht nicht nur Landart und malt, sie veranstaltet auch Rituale. „Früher waren der Künstler und der Schamane eins“, sagt Rust. „Ist es möglich, durch den kreativen Akt die Realität zu verändern?“ Dieser Frage ging sie 2010 mit dem Projekt „Rainmaker“ nach. Mit weißen Klebebandstücken gestaltete sie eine Regenwolke und Regentropfen auf einem Felsen am Waterberg. Sie hielt einen Hut unter die Wolke, trank symbolisch den Regen. Und tatsächlich, die darauffolgende Regenzeit war eine der besten in den vergangenen Jahren.
„Ich nehme das nicht zu ernst“, erklärt Rust. Ich spiele damit und probiere aus, welche Elemente der Kunst es sind, die die Realität verändern können. Ist es eine bestimmte Farbe, ein bestimmtes Ritual?“
Holzkamp und Rust ergänzen sich in ihrem Schaffen. Er ist eher der Analytiker, mit einem scharfen, wachen Blick für die Dinge in seiner Umwelt. Rust ist sich auch sehr dessen bewusst, was um sie herum passiert, doch sie greift es spielerisch und intuitiv auf.
„Imkes Kreativität schwappte auf mich über“, erzählt Holzkamp. „Ich komme eher aus dem kommerziellen Bereich und machte zuvor keine Videokunst.“ Nun habe er aber Lust darauf bekommen. Er erzählt von den vergangenen Wochen, in denen Imke und er „fröhlich vor uns hin gewerkelt haben. Ich habe Musik gemacht und Imke hat gemalt“.
„Es ist herrlich, ohne Schere im Kopf zu arbeiten“, ist sich das Künstlerpaar einig. „Aufzuhören sich selbst einzuschränken oder zu bremsen. Aufzuhören zu denken, das kannst du doch nicht machen“, erläutert Holzkamp.
Welche Erwartungen haben sie an die Reaktionen auf den Film? „Ich bin natürlich gespannt, wie die Leute reagieren werden. Ob mein Blick auf Imkes Arbeit geteilt wird“, so Holzkamp. Rust sagt, als Künstlerin habe sie gelernt, mit Kritik umzugehen. „Es gibt ja immer verschiedene Meinungen.“ Die Zuschauer können sich also gedanklich mit Rust in den Salzkreis begeben und die Wüste aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
„An Infinita Scream“ läuft am 14. Januar um 19.15 Uhr im Geothe-Zentrum. Imke Rust und Steffen Holzkamp werden anwesend sein.
Eine Frau streut Kreise aus Salz in die Wüste. Der Wind zerrt an ihrer Bluse und ihren roten Haaren, aber sie hält ihm stand. Ein Plastiksack mit Salz steht auf einer Schubkarre und immer wieder füllt sie ihren Behälter neu, um die Kreise zu vollenden. Es ist eine Art stiller Tanz, den sie dort vollführt. Sie zieht Kreise von innen nach außen. Am Ende stellt sie sich in deren Mitte. Das ist ein Ausschnitt aus dem Film „An Infinite Scream“ über die Künstlerin Imke Rust.
„Ich bin fasziniert von Salz und seiner Symbolik“, sagt Imke Rust in der Dokumentation, die am 14. Januar im Goethe-Zentrum Namibia-Premiere feiern wird. Steffen Holzkamp, Berliner Filmemacher, Musiker und Rusts Ehemann, begleitete die Künstlerin mit der Kamera. Was daraus entstand, ist ein Blick hinter die Kulissen ihrer Arbeit und ein Porträt, das ihre Sensibilität, Kreativität und Courage zum Ausdruck bringt. Sie zeichnet selbstvergessen und wenn sie spricht, wählt sie ihre Worte mit Bedacht.
Es fing alles damit an, dass Rust ihre Arbeiten in der Wüste als Video dokumentieren wollte. Sie will keine Spuren in der Landschaft hinterlassen oder diese verschmutzen. Also sammelte sie die über 1000 Dornen wieder ein, die sie zu Kreisen gelegt hatte. Oder die schwarzen Müllsackrosen, die sie im Sand aufstellte. Eine Ausnahme sind die Salzkreise, sie wurden zu einer begehbaren Skulptur, bis der Wind sie verwehte.
„Es war mir neu zu sehen, wie Imke arbeitet“, sagte Steffen Holzkamp über seine Frau. Die 41-Jährige erschafft intuitiv. Erst muss sie ein Gefühl haben, eine Verbindung zu einer Sache, dann entsteht ein Projekt.
Aufgewachsen in Swakopmund, fühlte sich Rust in der Wüste zuhause und sorgte sich um die Auswirkungen des Uranbergbaues in der Namib. 2012 erfuhr sie von dem geplanten Chemiewerk bei Swakopmund. „Ich war gerade in Berlin, als ich davon hörte. Ich fühlte Angst und Hilflosigkeit und wollte etwas dagegen tun.“
Man könnte auch sagen, sie hörte einen markerschütternden Schrei. Den gleichen Schrei, den Edvart Munch in seinem Tagebuch beschrieb: „Ich ging mit zwei Freunden die Straße hinab. Die Sonne ging unter, der Himmel wurde blutrot (…) Ich blieb zurück zitternd vor Angst – ich fühlte den großen Schrei der Natur.“ Aus diesen Eindrücken entstand das berühmte Gemälde „Der Schrei“. Diese Botschaft konnte Rust gut nachempfinden und sie begann an dem Projekt „And I heard an infinite scream passing through the Namib“ zu arbeiten. Mit Passanten stellte sie das Gemälde „der Schrei“ auf der Jetty von Swakopmund nach und machte daraus eine Collage. In dem Film ist zu sehen, wie sie Leute anspricht und ihnen ihr Projekt erklärt.
Und dann kam der dramatische Wendepunkt, der auch dem Film eine Spannung verleiht: Die Absage ihrer geplanten Ausstellung in Swakopmund, mit der Begründung, ihre Kunst sei zu politisch. „Für mich als Filmemacher war das natürlich göttlich“, sagt Steffen Holzkamp. „Das gab dem ganzen Dramatik und eine unerwartete Wendung.“
Wenn Rust auf die Ablehnung und Debatte von 2012 zurückblickt, sagt sie: „Es ist für mich nicht mehr wichtig. Aber das Gute daran war, dass das Thema Umwelt die ganze Zeit so präsent blieb.“
„In Namibia gibt es wenig Skandal-Künstler, davon bräuchte man hier mehr" , meint Steffen Holzkamp. „In Deutschland gibt es zu viele davon.“ Dass Künstler eine extreme oder radikale Stellung beziehen, würde in Namibia fehlen, findet Rust.
Dadurch dass Imke Rust ihre Zeit in Namibia und Berlin verbringe, hätte sie einen frischeren Blick auf ihre Heimat bekommen. „Durch die Distanz zu Namibia kann ich freier auf die Dinge, die hier passieren, schauen.“ „Freiheit“, sagt sie, „mussten manche Leute in diesem Land erst lernen. Rust erzählt von ihrer Schulzeit, in der viele Dinge einfach vorgegeben waren, zum Beispiel eine Gedichtinterpretation. Es seien festgelegte Strukturen gewesen, in denen sie aufgewachsen war. Aber sie selbst war schon immer kreativ, auch von ihrem Elternhaus her. „Wir hatten nicht viel Geld, dann hieß es eben, bastele dir deine Puppenmöbel selbst.“
Der Film zeigt auch, was Imke Rust antreibt. Es ist ein Suchen, ein spielerischer Umgang mit der Frage: Was kann Kunst bewirken? Sie macht nicht nur Landart und malt, sie veranstaltet auch Rituale. „Früher waren der Künstler und der Schamane eins“, sagt Rust. „Ist es möglich, durch den kreativen Akt die Realität zu verändern?“ Dieser Frage ging sie 2010 mit dem Projekt „Rainmaker“ nach. Mit weißen Klebebandstücken gestaltete sie eine Regenwolke und Regentropfen auf einem Felsen am Waterberg. Sie hielt einen Hut unter die Wolke, trank symbolisch den Regen. Und tatsächlich, die darauffolgende Regenzeit war eine der besten in den vergangenen Jahren.
„Ich nehme das nicht zu ernst“, erklärt Rust. Ich spiele damit und probiere aus, welche Elemente der Kunst es sind, die die Realität verändern können. Ist es eine bestimmte Farbe, ein bestimmtes Ritual?“
Holzkamp und Rust ergänzen sich in ihrem Schaffen. Er ist eher der Analytiker, mit einem scharfen, wachen Blick für die Dinge in seiner Umwelt. Rust ist sich auch sehr dessen bewusst, was um sie herum passiert, doch sie greift es spielerisch und intuitiv auf.
„Imkes Kreativität schwappte auf mich über“, erzählt Holzkamp. „Ich komme eher aus dem kommerziellen Bereich und machte zuvor keine Videokunst.“ Nun habe er aber Lust darauf bekommen. Er erzählt von den vergangenen Wochen, in denen Imke und er „fröhlich vor uns hin gewerkelt haben. Ich habe Musik gemacht und Imke hat gemalt“.
„Es ist herrlich, ohne Schere im Kopf zu arbeiten“, ist sich das Künstlerpaar einig. „Aufzuhören sich selbst einzuschränken oder zu bremsen. Aufzuhören zu denken, das kannst du doch nicht machen“, erläutert Holzkamp.
Welche Erwartungen haben sie an die Reaktionen auf den Film? „Ich bin natürlich gespannt, wie die Leute reagieren werden. Ob mein Blick auf Imkes Arbeit geteilt wird“, so Holzkamp. Rust sagt, als Künstlerin habe sie gelernt, mit Kritik umzugehen. „Es gibt ja immer verschiedene Meinungen.“ Die Zuschauer können sich also gedanklich mit Rust in den Salzkreis begeben und die Wüste aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
„An Infinita Scream“ läuft am 14. Januar um 19.15 Uhr im Geothe-Zentrum. Imke Rust und Steffen Holzkamp werden anwesend sein.
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Allgemeine Zeitung
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