Ilbay feiert historischen Titelgewinn

Von Robby Echelmeyer, Windhoek/Walvis Bay/Köln

In der Nacht von Samstag auf Sonntag gewann Deniz „El Pistolero“ Ilbay im ­Hallensportzentrum von Walvis Bay in einem Duell über zwölf Runden gegen Lokalmatador Bethuel „Tyson“ Uushona nach Punkten. Mit dem 16. Sieg seiner 2011 begonnenen Profikarriere sicherte sich „El Pistolero“ in der namibischen Hafenstadt den vakanten WM-Titel im Weltergewicht (bis 66,678 Kilogramm) nach Version der World Boxing Federation (WBF). Für den 13 Jahre älteren Uushona, der 34 Siege und ein Remis in seiner Bilanz stehen hat, war es die fünfte Niederlage.

Ilbay hat Graciano „Rocky” Rocchigiani, der am 11. März 1988 im Alter von 24 Jahren und drei Monaten erstmals zum Champion avanciert war, als jüngsten Weltmeister der deutschen Boxgeschichte abgelöst. Der viermalige WM-Titelträger bei den Junioren musste allerdings einiges wegstecken, um den Triumph perfekt zu machen. „Es war ein unfairer Kampf, Uushona hat nur geklammert, mit Kopf- und Ellbogenstößen gearbeitet, fürchterlich“, schimpfte Garip Ilbay, Vater und Trainer des neuen Weltmeisters, im Interview mit der Kölner Boulevardzeitung „Express“.

Sein Schützling war laut Bericht des Internetportals boxen1.com in einem hart umkämpften Duell der aktivere Mann, der die klareren Treffer setzen konnte. Das Kampfsport- und Athletik-Magazin „GNP1“ schrieb in seiner online-Ausgabe, dass Ilbay insgesamt aggressiver und treffsicherer gewesen sei als sein Kontrahent.

Dies sahen auch zwei der drei Kampfrichter so: Der Südafrikaner Rassie Erasmus (117:111) und Jean-Marcel Nartz aus Deutschland (115:113) stimmten beide für „El Pistolero“. Einzig Ricky Shabalala (118:110) sah seinen Landsmann vorne. Nach der Urteilsverkündung verweigerten Uushona und sein Team dem Sieger kollektiv die Gratulation. Bei den hiesigen Zuschauern und der gastgebenden „Salute Boxing Academy“ kam die knappe 1:2-Niederlage ebenfalls nicht gut an. „Wir mussten gemeinsam mit den Ring- und Punktrichtern unter Polizeischutz aus der Halle zu unserem Hotel gebracht werden“, berichtete Garip Ilbay. Der „Express“ titelte am Sonntag: Special Forces mussten Kölner Weltmeister Ilbay in Namibia retten.“

Howard Goldberg dürfte es nach den unschönen Szenen außerhalb des Rings nicht eilig haben, einen weiteren Titelkampf in Namibia ausrichten zu lassen. Wie die namibische Tageszeitung „New Era“ in ihrer gestrigen Ausgabe berichtete, wurde der südafrikanische WBF-Präsident von Vertretern der „Salute Boxing Academy“ geschlagen und beleidigt. ­Daraufhin soll er im sozialen Netzwerk Facebook geäußert haben: „Ich kann verstehen, dass sich viele Leute über das Urteil der Kampfrichter aufgeregt haben. Für mich persönlich war Tyson der Sieger.“ In so einem Fall sei jedoch eine offiziell eingereichte Beschwerde der einzig richtige Weg. „Bei mehr als 300 Kämpfen, die ich in über 40 verschiedenen Ländern beaufsichtigt habe, bin ich noch nie derart körperlich und verbal angegriffen worden“, befand Goldberg.

Dem Vernehmen nach hat sich der Vorstandsvorsitzende der „Salute Boxing Academy“, Kiriata Kamanya, mittlerweile bei Goldberg entschuldigt. Zudem sei eine offizielle Beschwerde bei der WBF eingegangen. „Diese werden wir nun zeitnah und auf professionelle Weise prüfen“, habe Goldberg angekündigt. Kamanya sagte indes gegenüber „New Era“, dass der aus Südafrika angereiste Verbandspräsident in Walvis Bay nicht attackiert worden sei. „Natürlich waren wir über den Ausgang des WM-Duells verärgert, aber soweit ich weiß, wurde Goldberg nicht angegriffen.“

Zum Unmut von Kamanya und Co. dürfte darüber hinaus beigetragen haben, dass auch in den zwei wichtigsten Vorkämpfen der „Harambee Boxing Bonanza“ an der namibischen Küste die Gäste als Sieger aus dem Ring stiegen: Der Südafrikaner Oscar Chauke bezwang Abraham Ndaendapo mit 2:1-Stimmen und Chaukes Landsmann Rofhiwa Maenu gelang gegen Gottlieb Ndokosho ein Technischer K.o. in Runde zwei. Grund zum Jubeln hatten die heimischen Boxfans zuvor bei David Shinunas Punkterfolg über Kagiso Tebogo aus Botswana. Immanuel Joseph (TKO gegen Sakaria Shipanga) und Nathanael Sebastian (TKO gegen Joseph Joseph) setzten sich jeweils in rein namibischen Duellen durch. Für die Salute Boxing Academy war es die vierte Veranstaltung seit ihrer Gründung im Juli 2015.

Während der erst im Dezember vergangenen Jahres von der „Sunshine Tobias Academy“ abgewanderte Uushona nach seinem verpatzten Debüt für den „Salute“-Stall seine Wunden leckt und auf eine Anerkennung des Einspruchs hoffen muss, blickt Ilbay einer großen Zukunft entgegen. Mit dem wenn auch umstrittenen Sieg in Walvis Bay hat der neue Star in der deutschen Boxszene schnell wieder auf die Erfolgsspur zurückgefunden. Nach 15 Siegen in 15 Kämpfen, acht davon durch K.o., war der Kölner am 9. April dieses Jahres im US-amerikanischen Las Vegas dem Litauer Egidijus Kavaliauskas einstimmig nach Punkten unterlegen. Zwar gehört die WBF nicht zu den renommiertesten Boxverbänden, aber als Träger eines WM-Gürtels dürften „El Pistolero“ nun viele Türen für weitere große Fights offenstehen.

Nach der ereignisreichen Zeit in Namibia fiebern die Ilbays der heutigen Heimkehr mit dem Titel im Gepäck voller Vorfreude entgegen: „Wir sind froh, wenn wir wieder zu Hause sind. Wir wurden hier fünf Tage lang nur an der Nase herumgeführt. Immer wieder wurden Termine und Ablaufpläne über den Haufen geworfen“, sagt Garip Ilbay. Doch die Nervenschlacht im südlichen Afrika hat sich gelohnt: „Wir sind Weltmeister“, jubelte der Trainervater. Nun könnte es zum mit Spannung erwarteten Duell zwischen seinem Sohn und Rico Müller aus Eberswalde kommen, um zu ermitteln, wer die Nummer eins unter den deutschen Weltergewichtlern ist.