Im Abwind: Simbabwes Übergangsregierung feiert ersten Geburtstag
Die lauten Jubelrufe, die vor genau einem Jahr durch Simbabwe halten, sind verhallt. Eine große Party mochte niemand feiern an diesem ersten Jahrestag der Zwangsehe von Präsident Robert Mugabes ZANU (PF) und der MDC von Premierminister Morgan Tsvangirai.
Der Enthusiasmus, die Hoffnung auf Wandel, auf Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, auf Stabilität, auf Frieden, die 15000 Menschen am 11. Februar in einem Stadion in Harare lautstark gefeiert hatten, scheinen zwölf Monate später verflogen.
Mit vielen Hoffnungen, Erwartungsdruck, aber eben auch noch mehr Problemen hatte die neue Übergangsregierung die nahezu drei Jahrezehnte andauernde Alleinherrschaft des fast 86-jährigen Mugabe beendet. Wer dachte, dass sich anfängliche Probleme und Reibereien schnell wie Kinderkrankheiten ausmerzen lassen würden, wurde bitter ge- und enttäuscht. Ein Jahr später scheint die Kluft zwischen den einst verfeindeten Parteien größer als je zuvor und die Frage ist berechtigt, ob diese Regierung jemals ihren zweiten "Hochzeitstag" feiern wird.
Zu groß sind nach wie vor die wirtschaftlichen und sozialen, aber vor allem auch politischen Probleme, zu langsam vollzieht sich der Wandel, den Tsvangirai seinen Anhängern und einer geschundenen Nation ein Jahr zuvor versprochen hatte. Verschlimmert wird dies durch eine immer noch präsente Staatsräson und Skandale aller Art, die das Verhältnis der beiden Parteien und den Weg in die Zukunft belasten. Trotzdem: "Schon allein das Überleben dieser Regierung nach einem Jahr muss als Erfolg gewertet werden. So manch einer hat das wirklich nicht erwartet", sagt Eldred Masunungure, Professor für Politikwissenschaften an der University of Zimbabwe.
Gefragt nach den Erfolgen wird von Politikern und Bürgern gleichermaßen immer eines genannt: Die wirtschaftliche Talfahrt ist gestoppt worden. Finanzminister Tendai Biti hat den Simbabwe-Dollar abgeschafft und US-Dollar sowie Rand als Währung zugelassen, die zuvor von der welthöchsten Inflationsrate von 230 Millionen Prozent sowie einem rasant schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt gekennzeichnete Wirtschaftslage hat sich leicht entspannt, die Regale der Supermärkte sind wieder relativ voll. Trotzdem verlangen die Menschen auf der Straße mehr als nur Nahrungsmittel. Oftmals können sie sich diese im völlig überteuerten Simbabwe ohnehin nicht leisten.
Ein Großteil der Bevölkerung lebt nach wie vor in bitterer Armut. Die Menschen wollen Jobs. Ein schwieriges Unterfangen bei einer Arbeitslosenquote von über 90 Prozent. Wenn sie Arbeit haben, wollen sie mehr Lohn, um ihre Familien halbwegs ernähren zu können. Als unwilkommenes Geburtstagsgeschenk für die Regierung sind die 230000 Angestellten im Öffentlichen Dienst in einen Ausstand getreten. Sie wollen ein monatliches Gehalt von 502 US-Dollar. Die Regierung hat ihnen eine Erhöhung von 17 US-Dollar auf ihr 160-Dollar-Gehalt angeboten. Laut Finanzminister Biti sind die Staatskassen derzeit zu leer, um mehr zu bezahlen. Biti selber musste vor wenigen Tagen spüren, wie unangenehm es ist, nicht liquide zu sein: In seinem Büro wurde wegen unbezahlter Rechnungen zwischenzeitlich die Internetverbindung gekappt.
Eine neue Verfassung, die Simbabwe von den Bürgern schreiben lassen wollte, ist zur Lachnummer geworden. Die Treffen des entsprechenden Komitees von Vertretern aus Zivilgesellschaft und Politik enden in schöner Regelmäßigkeit im Chaos oder ergebnislos. Die Verfassung sollte eigentlich noch in diesem Jahr stehen, ohne sie sind keine neuen Wahlen möglich, auf die die MDC-Anhänger so sehnlich hoffen.
Die Kritiken nach einem Jahr Übergangsregierung fallen vernichtend aus. Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen von Amnesty International und Human Rights Watch über die Crisis in Zimbabwe Coalition, das Media Monitoring Project Zimbabwe und das Medieninstitut MISA bis hin zum Zimbabwe Human Rights NGO Forum geißeln dieser Tage in öffentlichen Stellungnahmen die langsame oder verfehlte Umsetzung des Abkommens zur Regierungsbildung (Global Political Agreement, GPA). Statt Fortschritten seien Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Verfolgung und Festnahme Oppositioneller sowie die unsägliche Diffamierung der MDC in den Staatsmedien noch immer an der Tagesordnung.
"Folter, Einschüchterung und politisch motivierte strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtlern und Oppositionellen gehen ungebremst weiter, in Dörfern sind die Bürger schutzlos der Einschüchterung von ZANU(PF)-Milizen ausgesetzt. Generalstaatsanwaltschaft, Polizei und Armee dürfen nach wie vor ungestraft Menschenrechte verletzen, um ihre politische Agenda umzusetzen", urteilt Erwin van der Borght, Direktor des Afrika-Programms von Amnesty International. Harsch kritisiert werden auch die Staatsmedien. Außer der Zimbabwe Broadcasting Corporation ist es niemandem gestattet, Fernseh- oder Radipoprogramme zu betreiben; das Staatsunternehmen nimmt seine Bestimmung wörtlich und berichtet ausschließlich einseitig. Jeder Blick in die Tageszeitung "The Herald", Mugabes Propaganda-Blatt, bestätigt die Kritik der Medienwächter. Mittlerweile geht die Zeitung bereits so weit, dass sie Tsvangirai und seine Partei für Sanktionen des Westens verantwortlich macht, die Schuld an der Misere Simbabwes seien. Dass es keine Sanktionen seitens der USA, der EU und Großbritanniens, sondern nur restriktive Maßnahmen (Reise- und Finanztransaktionsbeschränkungen) gegen 200 Privatpersonen und mehrere Dutzend Unternehmen aus Mugabes Dunstkreis gibt, erwähnt das Blatt nicht. Wie schlimm die Situtation nach wie vor für Journalisten ist, zeigen die kürzlichen Festnahmen mehrerer unabhängier Reporter. Stanley Kwenda, ein bekannter freischaffender Journalist, floh im Januar nach Südafrika, nachdem er Todesdrohungen erhalten hatte.
Weil auch nach einem Jahr das GPA noch immer nicht vollständig umgesetzt ist, hatten sich ZANU(PF) und MDC zwischenzeitlich Gesprächshilfe aus der SADC, vor allem aus Südafrika geholt. Präsident Jacob Zuma, so hoffte die MDC, sollte das Projekt Regierung und die Würde der MDC retten, doch schnell wurde klar, dass Zuma ganz eigene Probleme im eigenen Land und offensichtlich zudem wenig Interesse daran hat, eine schwache MDC zu unterstützen. Nach wie vor verhandeln die Parteien halbherzig und erstatten Bericht nach Südafrika. Doch die Fronten sind verhärtet, die Streitpunkte bleiben umstritten, die Gespräche scheinen zum Scheitern verurteilt. Während die MDC auf die Umsetzung des GPA beharrt, hat die ZANU(PF) Zugeständnisse so lange auf Eis gelegt, bis die "Sanktionen" gelockert sind. Mugabe hält nach wie vor an seiner Wahl für zwei bedeutenden Posten im Lande fest, die er eingenmächtig getroffen hat: Der berüchtigte Johannes Tomana als Generalstaatsanwalt sowie der offensichtlich kriminelle Gideon Gono (er leerte vor Monaten Konten in ausländischer Währung zum Wohle der Staatskasse) als Gouverneur der Zentralbank. Der MDC fehlt auch nach einem Jahr immer noch ein Minister, da sich Mugabe erbittert weigert, deren Vize-Kandidaten für das Landwirtschaftsressort, Roy Bennett, zu vereidigen. Bennett wird derzeit in Harare der Prozess wegen fadenscheiniger Terrorismusvorwürfe gemacht, eine wahre Ausgeburt an Peinlichkeit und Justiztravestie. Obwohl keine Beweise gegen den beliebten weißen Politiker vorliegen, ist eine Verurteilung wahrscheinlich. Im schlimmsten Falle droht Bennett die Todesstrafe.
Viele Simbabwer, darunter auch die meisten der wenigen verbliebenen Weißen, haben mittlerweile den Glauben in die Politik, vor allem in die von ihnen unterstützte MDC verloren, auch wenn die Partei in einer kürzlich durchgeführten Meinungsumfrage mit weit über 40 Prozent noch immer deutlich vor der ZANU(PF) mit zehn Prozent liegt, weitere 30 Prozent wollten keine Angaben machen - in Simbabwe immer ein Indikator für Unterstützung der MDC. Gerade die verbliebenen weißen Farmer fühlen sich betrogen. Die Gewalt auf den Farmen sowie ihre strafrechtliche Verfolgung haben in den vergangenen zwölf Monaten sogar noch zugenommen, ihre Appelle an die MDC blieben offenbar genauso ungehört wie die der Gewerkschaft GAPWUZ, die die tausenden im Zuge der Landreform vertriebenen und verprügelten Farmarbeiter vertritt.
In ihrer Frustration wollen die weißen Farmer nach Angaben ihres Interessenverbandes CFU ein drittes Mal vor das SADC-Tribunal in Windhoek ziehen, um sich von dem regionalen Gericht bestätigen zu lassen, dass die simbabwische Regierung ein Urteil zu ihren Gunsten missachtet. Das Tribunal hatte im November 2008 die Enteignungen in Simbabwe als ungesetzlich und diskriminierend bewertet und ihren Stopp angeordnet. Wahrscheinlich werden die Farmer erneut Recht bekommen - und mit Sicherheit wird dies das Mugabe-Regime erneut nicht interessieren.
Doch nicht nur die Weißen, sondern viele MDC-Unterstützer sind nach einem Jahr enttäuscht. "Für mich hat sich so gut wie nichts geändert", sagt John Kapfunde. Er gehörte schon vor der Übergangsregierung zu den Glücklichen, die einen, wenn auch schlecht bezahlten Job hatten. Er hat für die MDC gekämpft, ist mehrmals zusammengeschlagen worden. Heute hat er nicht mehr Geld als vor einem Jahr. Aber mehr Frustration: "Es scheint, als hätte die MDC vergessen, wer sie in diese Regierung ,gekämpft` hat. Als hätte sie vergessen, wofür wir uns haben verprügeln lassen. Ich fühle mich verraten von Morgan Tsvangirai. Wann immer er auf Mugabe trifft, knickt er ein und macht Zugeständnisse." Kapfunde ist nur einer von Vielen mit dieser Meinung. Selbst hartgesottene MDC-Unterstützer geben nach dem Verweis auf den wirtschaftlichen Aufschwung zu, dass sie sich den von Tsvangirai versprochenen Wandel ganz anders vorgestellt haben. Selbst in der Partei tun sich Grabenkämpfe auf, wird der Premierminister als labil und zu wenig kämpferisch kritisiert.
Und als ob das politische Hickhack, die Frustration und die gebrochenen Versprechen des vergangenen Jahres nicht schon genug wären, droht jetzt, pünktlich zum Geburtstag der Übergangsregierung, neues Unheil: Nicht nur ist ein von Korruption gezeichneter Streit um die reichen Diamantvorkommen des Landes entbrannt, die ZANU(PF) hat - ohne Rücksprache - ein Gesetz im Amtsblatt veröffentlicht, dass Simbabwe zum 1. März zur "no-go area" für jegliche Investoren machen wird und somit dringend benütoigten Devisen den Todesstoß versetzt. Die "Indigenisation and Economic Empowerment Regulation 2010" fordert nicht nur Statsitiken über die Beschäftigung schwarzer Simbabwer (ähnlich wie Affirmative Action in Namibia), sondern verlangt zudem, dass 51 Prozent aller Unternehmenanteile an vormals benachteiligte Simbabwer (Schwarze, geboren vor der Unabhängikeit in 1980, oder deren Nachkommen) übergehen müssen.
Was ein deutlicher Schlag gegen alle Weißen im Land ist und eindeutig auf deren Ausbeutung abzielt, trifft aber auch viele schwarze Geschäftsleute aus der SADC-Region, vor allem Südafrika. Premierminister Tsvangirai macht bislang keine gute Figur. Zunächst nannte er das Gesetz "null und nichtig", dann schwenkte er um und versprach, man werde zumindest in den kommenden Wochen über die Umsetzung diskutieren - für viele Beobachter ein weiteres Zeichen seiner politischen Schwäche. Für die MDC könnte das Gesetz zur Belastungsprobe werden. "Wenn wir jetzt nicht protestieren und umgehend etwas unternehmen, dann haben wir den Kampf verloren", äußerte ein frustrierter Anwalt aus dem Büro des Premiers, der namentlich nicht genannt werden will. "Wir verlieren unsere Glaubwürdigkeit, wir verlieren jeglichen Respekt für Rechtsstaatlichkeit in diesem Land, wir verlieren unsere Wähler und Simbabwe verliert die Hoffnung in die Zukunft."
Viele potenzielle Investoren haben umgehend die Notbremse gezogen und geplante Invesitionen auf Eis gelegt. Wie viel Geld der gebeutelten Staatskasse dabei verloren geht, zeigt schon das Beispiel des britischen Minenkonzerns ACR, dem ein simbabwisches Gericht bereits 2006 willkürlich Schürfrechte entzogen hatte. Trotzdem würde ACR gerne zurückkehren. 18 Milliarden US-Dollar hätte das Unternehmen in den kommenden sechs Jahren investiert, bestätigte ein hochrangiger Berater des Konzerns der AZ. "Aufgrund der instabilen politischen Lage und bedroht durch das neue Gesetz ist das aber jetzt kein Thema mehr."
Ein Jahr nach dem ambitionierten Amtsantritt der Übergangsregierung ziehen immer mehr Wolken am ohnehin düsteren Zukunftshimmel der einstigen Kornkammer Afrikas auf. "Ich glaube, dass es mit diesem Gesetz, der Apathie der MDC und der starrköpfigen Zielstrebigkeit der ZANU(PF) in Simbabwe bergab geht", sagt der Journalist, Kleinunternehmer und Familienvater Tendai Mwanawashe (Name von der Redaktion geändert). "Simbabwe wird zurückfallen, es wird wieder so sein wie vor dem Amtsantritt dieser Regierung. Oder sogar noch schlimmer: Dieses Mal werden wir volle Geschäfte haben, aber kein Geld mehr, um irgendetwas zu kaufen."
Die aktuelle Lage und die miserablen Aussichten bieten wahrlich keinen Grund zum Feiern in einem Land mit so viel Potenzial und doch so viel Armut, Korruption, Rechtsverdrehung, Staatswillkür und staatlicher Wirtschaftssabotage. Gefeiert wird in Simbabwe im Februar trotzdem: Am vergangenen Wochenende gab Präsident Robert Mugabe in Bulawayo, einer 750000-Einwohner-Stadt in einer von Nahrungsmittelknappheit geplagten Provinz, eine Riesenparty mit einheimischen und internationalen Musikern. Für den Despoten ist dabei nichts zu teuer. Auf Kosten der Staatskasse feierte Mugabe dann seinen 86. Geburtstag.
Der Enthusiasmus, die Hoffnung auf Wandel, auf Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, auf Stabilität, auf Frieden, die 15000 Menschen am 11. Februar in einem Stadion in Harare lautstark gefeiert hatten, scheinen zwölf Monate später verflogen.
Mit vielen Hoffnungen, Erwartungsdruck, aber eben auch noch mehr Problemen hatte die neue Übergangsregierung die nahezu drei Jahrezehnte andauernde Alleinherrschaft des fast 86-jährigen Mugabe beendet. Wer dachte, dass sich anfängliche Probleme und Reibereien schnell wie Kinderkrankheiten ausmerzen lassen würden, wurde bitter ge- und enttäuscht. Ein Jahr später scheint die Kluft zwischen den einst verfeindeten Parteien größer als je zuvor und die Frage ist berechtigt, ob diese Regierung jemals ihren zweiten "Hochzeitstag" feiern wird.
Zu groß sind nach wie vor die wirtschaftlichen und sozialen, aber vor allem auch politischen Probleme, zu langsam vollzieht sich der Wandel, den Tsvangirai seinen Anhängern und einer geschundenen Nation ein Jahr zuvor versprochen hatte. Verschlimmert wird dies durch eine immer noch präsente Staatsräson und Skandale aller Art, die das Verhältnis der beiden Parteien und den Weg in die Zukunft belasten. Trotzdem: "Schon allein das Überleben dieser Regierung nach einem Jahr muss als Erfolg gewertet werden. So manch einer hat das wirklich nicht erwartet", sagt Eldred Masunungure, Professor für Politikwissenschaften an der University of Zimbabwe.
Gefragt nach den Erfolgen wird von Politikern und Bürgern gleichermaßen immer eines genannt: Die wirtschaftliche Talfahrt ist gestoppt worden. Finanzminister Tendai Biti hat den Simbabwe-Dollar abgeschafft und US-Dollar sowie Rand als Währung zugelassen, die zuvor von der welthöchsten Inflationsrate von 230 Millionen Prozent sowie einem rasant schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt gekennzeichnete Wirtschaftslage hat sich leicht entspannt, die Regale der Supermärkte sind wieder relativ voll. Trotzdem verlangen die Menschen auf der Straße mehr als nur Nahrungsmittel. Oftmals können sie sich diese im völlig überteuerten Simbabwe ohnehin nicht leisten.
Ein Großteil der Bevölkerung lebt nach wie vor in bitterer Armut. Die Menschen wollen Jobs. Ein schwieriges Unterfangen bei einer Arbeitslosenquote von über 90 Prozent. Wenn sie Arbeit haben, wollen sie mehr Lohn, um ihre Familien halbwegs ernähren zu können. Als unwilkommenes Geburtstagsgeschenk für die Regierung sind die 230000 Angestellten im Öffentlichen Dienst in einen Ausstand getreten. Sie wollen ein monatliches Gehalt von 502 US-Dollar. Die Regierung hat ihnen eine Erhöhung von 17 US-Dollar auf ihr 160-Dollar-Gehalt angeboten. Laut Finanzminister Biti sind die Staatskassen derzeit zu leer, um mehr zu bezahlen. Biti selber musste vor wenigen Tagen spüren, wie unangenehm es ist, nicht liquide zu sein: In seinem Büro wurde wegen unbezahlter Rechnungen zwischenzeitlich die Internetverbindung gekappt.
Eine neue Verfassung, die Simbabwe von den Bürgern schreiben lassen wollte, ist zur Lachnummer geworden. Die Treffen des entsprechenden Komitees von Vertretern aus Zivilgesellschaft und Politik enden in schöner Regelmäßigkeit im Chaos oder ergebnislos. Die Verfassung sollte eigentlich noch in diesem Jahr stehen, ohne sie sind keine neuen Wahlen möglich, auf die die MDC-Anhänger so sehnlich hoffen.
Die Kritiken nach einem Jahr Übergangsregierung fallen vernichtend aus. Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen von Amnesty International und Human Rights Watch über die Crisis in Zimbabwe Coalition, das Media Monitoring Project Zimbabwe und das Medieninstitut MISA bis hin zum Zimbabwe Human Rights NGO Forum geißeln dieser Tage in öffentlichen Stellungnahmen die langsame oder verfehlte Umsetzung des Abkommens zur Regierungsbildung (Global Political Agreement, GPA). Statt Fortschritten seien Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Verfolgung und Festnahme Oppositioneller sowie die unsägliche Diffamierung der MDC in den Staatsmedien noch immer an der Tagesordnung.
"Folter, Einschüchterung und politisch motivierte strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtlern und Oppositionellen gehen ungebremst weiter, in Dörfern sind die Bürger schutzlos der Einschüchterung von ZANU(PF)-Milizen ausgesetzt. Generalstaatsanwaltschaft, Polizei und Armee dürfen nach wie vor ungestraft Menschenrechte verletzen, um ihre politische Agenda umzusetzen", urteilt Erwin van der Borght, Direktor des Afrika-Programms von Amnesty International. Harsch kritisiert werden auch die Staatsmedien. Außer der Zimbabwe Broadcasting Corporation ist es niemandem gestattet, Fernseh- oder Radipoprogramme zu betreiben; das Staatsunternehmen nimmt seine Bestimmung wörtlich und berichtet ausschließlich einseitig. Jeder Blick in die Tageszeitung "The Herald", Mugabes Propaganda-Blatt, bestätigt die Kritik der Medienwächter. Mittlerweile geht die Zeitung bereits so weit, dass sie Tsvangirai und seine Partei für Sanktionen des Westens verantwortlich macht, die Schuld an der Misere Simbabwes seien. Dass es keine Sanktionen seitens der USA, der EU und Großbritanniens, sondern nur restriktive Maßnahmen (Reise- und Finanztransaktionsbeschränkungen) gegen 200 Privatpersonen und mehrere Dutzend Unternehmen aus Mugabes Dunstkreis gibt, erwähnt das Blatt nicht. Wie schlimm die Situtation nach wie vor für Journalisten ist, zeigen die kürzlichen Festnahmen mehrerer unabhängier Reporter. Stanley Kwenda, ein bekannter freischaffender Journalist, floh im Januar nach Südafrika, nachdem er Todesdrohungen erhalten hatte.
Weil auch nach einem Jahr das GPA noch immer nicht vollständig umgesetzt ist, hatten sich ZANU(PF) und MDC zwischenzeitlich Gesprächshilfe aus der SADC, vor allem aus Südafrika geholt. Präsident Jacob Zuma, so hoffte die MDC, sollte das Projekt Regierung und die Würde der MDC retten, doch schnell wurde klar, dass Zuma ganz eigene Probleme im eigenen Land und offensichtlich zudem wenig Interesse daran hat, eine schwache MDC zu unterstützen. Nach wie vor verhandeln die Parteien halbherzig und erstatten Bericht nach Südafrika. Doch die Fronten sind verhärtet, die Streitpunkte bleiben umstritten, die Gespräche scheinen zum Scheitern verurteilt. Während die MDC auf die Umsetzung des GPA beharrt, hat die ZANU(PF) Zugeständnisse so lange auf Eis gelegt, bis die "Sanktionen" gelockert sind. Mugabe hält nach wie vor an seiner Wahl für zwei bedeutenden Posten im Lande fest, die er eingenmächtig getroffen hat: Der berüchtigte Johannes Tomana als Generalstaatsanwalt sowie der offensichtlich kriminelle Gideon Gono (er leerte vor Monaten Konten in ausländischer Währung zum Wohle der Staatskasse) als Gouverneur der Zentralbank. Der MDC fehlt auch nach einem Jahr immer noch ein Minister, da sich Mugabe erbittert weigert, deren Vize-Kandidaten für das Landwirtschaftsressort, Roy Bennett, zu vereidigen. Bennett wird derzeit in Harare der Prozess wegen fadenscheiniger Terrorismusvorwürfe gemacht, eine wahre Ausgeburt an Peinlichkeit und Justiztravestie. Obwohl keine Beweise gegen den beliebten weißen Politiker vorliegen, ist eine Verurteilung wahrscheinlich. Im schlimmsten Falle droht Bennett die Todesstrafe.
Viele Simbabwer, darunter auch die meisten der wenigen verbliebenen Weißen, haben mittlerweile den Glauben in die Politik, vor allem in die von ihnen unterstützte MDC verloren, auch wenn die Partei in einer kürzlich durchgeführten Meinungsumfrage mit weit über 40 Prozent noch immer deutlich vor der ZANU(PF) mit zehn Prozent liegt, weitere 30 Prozent wollten keine Angaben machen - in Simbabwe immer ein Indikator für Unterstützung der MDC. Gerade die verbliebenen weißen Farmer fühlen sich betrogen. Die Gewalt auf den Farmen sowie ihre strafrechtliche Verfolgung haben in den vergangenen zwölf Monaten sogar noch zugenommen, ihre Appelle an die MDC blieben offenbar genauso ungehört wie die der Gewerkschaft GAPWUZ, die die tausenden im Zuge der Landreform vertriebenen und verprügelten Farmarbeiter vertritt.
In ihrer Frustration wollen die weißen Farmer nach Angaben ihres Interessenverbandes CFU ein drittes Mal vor das SADC-Tribunal in Windhoek ziehen, um sich von dem regionalen Gericht bestätigen zu lassen, dass die simbabwische Regierung ein Urteil zu ihren Gunsten missachtet. Das Tribunal hatte im November 2008 die Enteignungen in Simbabwe als ungesetzlich und diskriminierend bewertet und ihren Stopp angeordnet. Wahrscheinlich werden die Farmer erneut Recht bekommen - und mit Sicherheit wird dies das Mugabe-Regime erneut nicht interessieren.
Doch nicht nur die Weißen, sondern viele MDC-Unterstützer sind nach einem Jahr enttäuscht. "Für mich hat sich so gut wie nichts geändert", sagt John Kapfunde. Er gehörte schon vor der Übergangsregierung zu den Glücklichen, die einen, wenn auch schlecht bezahlten Job hatten. Er hat für die MDC gekämpft, ist mehrmals zusammengeschlagen worden. Heute hat er nicht mehr Geld als vor einem Jahr. Aber mehr Frustration: "Es scheint, als hätte die MDC vergessen, wer sie in diese Regierung ,gekämpft` hat. Als hätte sie vergessen, wofür wir uns haben verprügeln lassen. Ich fühle mich verraten von Morgan Tsvangirai. Wann immer er auf Mugabe trifft, knickt er ein und macht Zugeständnisse." Kapfunde ist nur einer von Vielen mit dieser Meinung. Selbst hartgesottene MDC-Unterstützer geben nach dem Verweis auf den wirtschaftlichen Aufschwung zu, dass sie sich den von Tsvangirai versprochenen Wandel ganz anders vorgestellt haben. Selbst in der Partei tun sich Grabenkämpfe auf, wird der Premierminister als labil und zu wenig kämpferisch kritisiert.
Und als ob das politische Hickhack, die Frustration und die gebrochenen Versprechen des vergangenen Jahres nicht schon genug wären, droht jetzt, pünktlich zum Geburtstag der Übergangsregierung, neues Unheil: Nicht nur ist ein von Korruption gezeichneter Streit um die reichen Diamantvorkommen des Landes entbrannt, die ZANU(PF) hat - ohne Rücksprache - ein Gesetz im Amtsblatt veröffentlicht, dass Simbabwe zum 1. März zur "no-go area" für jegliche Investoren machen wird und somit dringend benütoigten Devisen den Todesstoß versetzt. Die "Indigenisation and Economic Empowerment Regulation 2010" fordert nicht nur Statsitiken über die Beschäftigung schwarzer Simbabwer (ähnlich wie Affirmative Action in Namibia), sondern verlangt zudem, dass 51 Prozent aller Unternehmenanteile an vormals benachteiligte Simbabwer (Schwarze, geboren vor der Unabhängikeit in 1980, oder deren Nachkommen) übergehen müssen.
Was ein deutlicher Schlag gegen alle Weißen im Land ist und eindeutig auf deren Ausbeutung abzielt, trifft aber auch viele schwarze Geschäftsleute aus der SADC-Region, vor allem Südafrika. Premierminister Tsvangirai macht bislang keine gute Figur. Zunächst nannte er das Gesetz "null und nichtig", dann schwenkte er um und versprach, man werde zumindest in den kommenden Wochen über die Umsetzung diskutieren - für viele Beobachter ein weiteres Zeichen seiner politischen Schwäche. Für die MDC könnte das Gesetz zur Belastungsprobe werden. "Wenn wir jetzt nicht protestieren und umgehend etwas unternehmen, dann haben wir den Kampf verloren", äußerte ein frustrierter Anwalt aus dem Büro des Premiers, der namentlich nicht genannt werden will. "Wir verlieren unsere Glaubwürdigkeit, wir verlieren jeglichen Respekt für Rechtsstaatlichkeit in diesem Land, wir verlieren unsere Wähler und Simbabwe verliert die Hoffnung in die Zukunft."
Viele potenzielle Investoren haben umgehend die Notbremse gezogen und geplante Invesitionen auf Eis gelegt. Wie viel Geld der gebeutelten Staatskasse dabei verloren geht, zeigt schon das Beispiel des britischen Minenkonzerns ACR, dem ein simbabwisches Gericht bereits 2006 willkürlich Schürfrechte entzogen hatte. Trotzdem würde ACR gerne zurückkehren. 18 Milliarden US-Dollar hätte das Unternehmen in den kommenden sechs Jahren investiert, bestätigte ein hochrangiger Berater des Konzerns der AZ. "Aufgrund der instabilen politischen Lage und bedroht durch das neue Gesetz ist das aber jetzt kein Thema mehr."
Ein Jahr nach dem ambitionierten Amtsantritt der Übergangsregierung ziehen immer mehr Wolken am ohnehin düsteren Zukunftshimmel der einstigen Kornkammer Afrikas auf. "Ich glaube, dass es mit diesem Gesetz, der Apathie der MDC und der starrköpfigen Zielstrebigkeit der ZANU(PF) in Simbabwe bergab geht", sagt der Journalist, Kleinunternehmer und Familienvater Tendai Mwanawashe (Name von der Redaktion geändert). "Simbabwe wird zurückfallen, es wird wieder so sein wie vor dem Amtsantritt dieser Regierung. Oder sogar noch schlimmer: Dieses Mal werden wir volle Geschäfte haben, aber kein Geld mehr, um irgendetwas zu kaufen."
Die aktuelle Lage und die miserablen Aussichten bieten wahrlich keinen Grund zum Feiern in einem Land mit so viel Potenzial und doch so viel Armut, Korruption, Rechtsverdrehung, Staatswillkür und staatlicher Wirtschaftssabotage. Gefeiert wird in Simbabwe im Februar trotzdem: Am vergangenen Wochenende gab Präsident Robert Mugabe in Bulawayo, einer 750000-Einwohner-Stadt in einer von Nahrungsmittelknappheit geplagten Provinz, eine Riesenparty mit einheimischen und internationalen Musikern. Für den Despoten ist dabei nichts zu teuer. Auf Kosten der Staatskasse feierte Mugabe dann seinen 86. Geburtstag.
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