Im Einklang mit Löwen leben
Von Nina Cerezo
Sie sind eins mit der Farbe ihrer Umgebung: Wenn die Wüstenlöwen durch die weiten Sandflächen und Gesteinformationen in der Kunene-Region ziehen, dann entsteht genau jenes malerische Bild, für das Namibia bekannt ist. Nicht mehr viele Orte auf der Welt gibt es, an denen die Könige der Tiere in einem Territorium gänzlich ohne Zäune umherziehen können; an dem Freiheit auch tatsächlich noch Freiraum bedeutet; und in dem nicht täglich Touristen darauf warten, die Kameras möglichst nah auf die prachtvollen Tiere zu richten.
Doch der paradiesische Schein trügt auch hier. So glanzvoll die Natur in der nordwestlichsten Region des Landes ist, so gnadenlos kann sie sein. Die anhaltende Dürre lässt Wildtiere abwandern und nimmt den Raubkatzen ihre Nahrung. „Und wir müssen leider annehmen, dass sich der Wildbestand nur sehr schwer, wenn überhaupt, erholen wird“, schildert Izak Smit, Vorsitzender der gemeinnützigen Organisation Desert Lions Human Relations Aid (DeLHRA). Unter diesen Gegebenheiten schrumpft der Lebensraum der Raubtiere immer mehr und angetrieben von Hunger kommen sie den Farmern und ihrem Nutzvieh immer näher - und manchmal auch zu nah.
Konflikte
So zum Beispiel geschah es vor kurzem in der Gegend um Kanamub und Tomakas. „Seit etwa zwei Monaten erhalten wir von dem Halsband eines jungen hier umherziehenden Löwen kein Signal mehr und wir konnten nun auch keine Spuren mehr finden“, berichtet Smit, der regelmäßig mit den weiteren DeLHRA-Gründungsmitgliedern Martin und Claudia Bacsak oder seiner Frau Inki Mandt in der Region unterwegs, um nach dem Rechten bei den Löwen zu sehen, ihren Bestand zu kontrollieren und ihre Bewegungen zu überwachen. Für das gesuchte Männchen hat Smit jedoch keine Hoffnung mehr. „Ich befürchte wir müssen akzeptieren, dass er tot ist und wahrscheinlich aus Vergeltung von einem Farmer erschossen oder vergiftet wurde.“ Zu sehr liegt eben die Last der Dürre und ungewissen Zukunft auch auf den Schultern der Farmer.
Smit schreibt den Bewohnern dieser Gegenden die meisten Tötungen von Löwen zu. Und das, obwohl die Organisation kontinuierlich ihre Hilfe anbiete. Hilfe, das bedeutet den Aufbau von standhaften Krälen für die Nutztiere der Farmer, das Anbringen von Schattennetzen als Schutzeinrichtung sowie das Aufstellen von Bewegungsmeldern und Sirenen. Außerdem werden die Farmer mit Leuchtraketen ausgestattet, um damit die Raubkatzen vertreiben zu können. All dies macht DeLHRA ehrenamtlich, ohne Kosten für die Landbewohner. Finanziert wird das Material durch Spenden.
Pessimismus ablegen
Dass es sich lohnt, über seinen Schatten zu springen und die Unterstützung der Organisation anzunehmen, zeigen andere Beispiele. „Henry Mpanka, Besitzer der Farm Jakkalsvlei im Torra-Hegegebiet war einer von denjenigen, die anfänglich sehr, sehr skeptisch waren und nicht daran geglaubt haben, dass unsere Arbeit etwas bringt“, erzählt Smit. Mpanka habe den Löwen „große Verluste“ zuzuschreiben gehabt, bis er schließlich jene Hilfe von DeLHRA angenommen habe. „Und nun kommen die Löwen zwar immer noch zu seinen Krälen, gehen aber wieder ohne Beute“, freut sich Smit. Und noch besser: Der ehemalige Widersacher wolle nun sogar mithelfen, Aufklärungsarbeit zu leisten.
Genau dies ist wichtig. Denn es geht der Organisation darum, den Menschen den Wert der Löwen zu vermitteln, ihre Toleranzgrenze gegenüber den Raubtieren zu erhöhen und ihnen zu zeigen, dass ein Leben miteinander nicht nur möglich, sondern auch gewinnbringend sein kann. Beispielsweise durch den Tourismus, von dem wiederum die lokalen Gemeinschaften profitieren. „In Puros funktioniert dies schon recht gut und die Bewohner merken, dass wieder mehr Besucher kommen“, meint Smit. Und dies ist letztendlich genau der Gewinn, den DeLHRA anstrebt - denn er ist gleichermaßen für Mensch und Tier.
Schutz dringend benötigt
Mit Ausdauer, Empathie und dem Erfolg einzelner Projekte hat es die Organisation in den vergangenen zwei Jahren geschafft, das Leben vieler Wüstenlöwen zu retten. Dass dies bitter nötig ist, zeigen die Verluste der vergangenen Jahre. Gemäß Smit gibt es derzeit noch etwa 85 bis 95 Wüstenlöwen, während es vor drei Jahren noch etwa 115 gegeben habe. Das Umweltministerium nennt andere Zahlen: Es spricht von aktuell 110 bis 120 und ehemals 130 bis 150 Tieren. Für DeLHRA nichts mehr als beschönigte Ziffern. Zu oft werden Löwen - vor allem die Männchen - zu Problemtieren ernannt und zur Trophäenjagd freigegeben. Und zu oft werden sie umgesiedelt, wie im jüngsten Fall nach N/a’an ku sê.
Gerade bei diesem Beispiel wirft die Löwenschutzorganisation dem Ministerium vorschnelles Handeln vor. „Zum einen haben die betroffenen Löwen erst vor kurzem Halsbänder erhalten, sowie zum anderen ein Frühwarnsystem implementiert wurde“, berichtet Smit. Durch dieses System werde die lokale Bevölkerung informiert, sobald sich die Tiere den Farmen und den Nutztieren nähern. Seitdem sei „kein Löwe in einer kritischen Zone geortet worden“ und kein Vieh zu Schaden gekommen. „Warum werden die Tiere also aus ihrem Habitat geholt, wenn sie noch nicht einmal die Chance hatten, sich zu beweisen?“, so Smit.
Herausforderungen
Mit der schrumpfenden Löwenpopulation wachsen zudem die Herausforderungen für die erfolgreiche Reproduktion. Im Ugab-Rivier beispielsweise gibt es nach der kürzlich geschehenen Umsiedlung aktuell kein geschlechtsreifes Männchen. „Und das ist im Moment bei sieben der schätzungsweise insgesamt acht bis zehn Rudeln der Fall“, meint Smit und weist auch auf immer häufiger vorkommende Inzucht hin.
Und dennoch - oder gerade deshalb - gibt DeLHRA nicht auf. Mit den vier größten Hegegebieten der Region, namentlich Torra, Anabeb, Sesfontein, sowie Purros habe die Organisation mittlerweile Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit unterschrieben und sei derzeit dabei, alle Kräle zwischen dem Ugab-Rivier und Purros „raubtiersicher“ zu machen.
Es scheint ein Wettlauf gegen die Zeit. Aber auch gegen engstirniges Denken, bürokratische Barrieren und kapitalistische Absichten. Umso wichtiger ist es, dass sich Namibia seinem Schatz, den das Land mit den Wüstenlöwen hat, bewusst wird. Um sich bestenfalls genauso für die Tiere einzusetzen wie DeLHRA es tut.
Sie sind eins mit der Farbe ihrer Umgebung: Wenn die Wüstenlöwen durch die weiten Sandflächen und Gesteinformationen in der Kunene-Region ziehen, dann entsteht genau jenes malerische Bild, für das Namibia bekannt ist. Nicht mehr viele Orte auf der Welt gibt es, an denen die Könige der Tiere in einem Territorium gänzlich ohne Zäune umherziehen können; an dem Freiheit auch tatsächlich noch Freiraum bedeutet; und in dem nicht täglich Touristen darauf warten, die Kameras möglichst nah auf die prachtvollen Tiere zu richten.
Doch der paradiesische Schein trügt auch hier. So glanzvoll die Natur in der nordwestlichsten Region des Landes ist, so gnadenlos kann sie sein. Die anhaltende Dürre lässt Wildtiere abwandern und nimmt den Raubkatzen ihre Nahrung. „Und wir müssen leider annehmen, dass sich der Wildbestand nur sehr schwer, wenn überhaupt, erholen wird“, schildert Izak Smit, Vorsitzender der gemeinnützigen Organisation Desert Lions Human Relations Aid (DeLHRA). Unter diesen Gegebenheiten schrumpft der Lebensraum der Raubtiere immer mehr und angetrieben von Hunger kommen sie den Farmern und ihrem Nutzvieh immer näher - und manchmal auch zu nah.
Konflikte
So zum Beispiel geschah es vor kurzem in der Gegend um Kanamub und Tomakas. „Seit etwa zwei Monaten erhalten wir von dem Halsband eines jungen hier umherziehenden Löwen kein Signal mehr und wir konnten nun auch keine Spuren mehr finden“, berichtet Smit, der regelmäßig mit den weiteren DeLHRA-Gründungsmitgliedern Martin und Claudia Bacsak oder seiner Frau Inki Mandt in der Region unterwegs, um nach dem Rechten bei den Löwen zu sehen, ihren Bestand zu kontrollieren und ihre Bewegungen zu überwachen. Für das gesuchte Männchen hat Smit jedoch keine Hoffnung mehr. „Ich befürchte wir müssen akzeptieren, dass er tot ist und wahrscheinlich aus Vergeltung von einem Farmer erschossen oder vergiftet wurde.“ Zu sehr liegt eben die Last der Dürre und ungewissen Zukunft auch auf den Schultern der Farmer.
Smit schreibt den Bewohnern dieser Gegenden die meisten Tötungen von Löwen zu. Und das, obwohl die Organisation kontinuierlich ihre Hilfe anbiete. Hilfe, das bedeutet den Aufbau von standhaften Krälen für die Nutztiere der Farmer, das Anbringen von Schattennetzen als Schutzeinrichtung sowie das Aufstellen von Bewegungsmeldern und Sirenen. Außerdem werden die Farmer mit Leuchtraketen ausgestattet, um damit die Raubkatzen vertreiben zu können. All dies macht DeLHRA ehrenamtlich, ohne Kosten für die Landbewohner. Finanziert wird das Material durch Spenden.
Pessimismus ablegen
Dass es sich lohnt, über seinen Schatten zu springen und die Unterstützung der Organisation anzunehmen, zeigen andere Beispiele. „Henry Mpanka, Besitzer der Farm Jakkalsvlei im Torra-Hegegebiet war einer von denjenigen, die anfänglich sehr, sehr skeptisch waren und nicht daran geglaubt haben, dass unsere Arbeit etwas bringt“, erzählt Smit. Mpanka habe den Löwen „große Verluste“ zuzuschreiben gehabt, bis er schließlich jene Hilfe von DeLHRA angenommen habe. „Und nun kommen die Löwen zwar immer noch zu seinen Krälen, gehen aber wieder ohne Beute“, freut sich Smit. Und noch besser: Der ehemalige Widersacher wolle nun sogar mithelfen, Aufklärungsarbeit zu leisten.
Genau dies ist wichtig. Denn es geht der Organisation darum, den Menschen den Wert der Löwen zu vermitteln, ihre Toleranzgrenze gegenüber den Raubtieren zu erhöhen und ihnen zu zeigen, dass ein Leben miteinander nicht nur möglich, sondern auch gewinnbringend sein kann. Beispielsweise durch den Tourismus, von dem wiederum die lokalen Gemeinschaften profitieren. „In Puros funktioniert dies schon recht gut und die Bewohner merken, dass wieder mehr Besucher kommen“, meint Smit. Und dies ist letztendlich genau der Gewinn, den DeLHRA anstrebt - denn er ist gleichermaßen für Mensch und Tier.
Schutz dringend benötigt
Mit Ausdauer, Empathie und dem Erfolg einzelner Projekte hat es die Organisation in den vergangenen zwei Jahren geschafft, das Leben vieler Wüstenlöwen zu retten. Dass dies bitter nötig ist, zeigen die Verluste der vergangenen Jahre. Gemäß Smit gibt es derzeit noch etwa 85 bis 95 Wüstenlöwen, während es vor drei Jahren noch etwa 115 gegeben habe. Das Umweltministerium nennt andere Zahlen: Es spricht von aktuell 110 bis 120 und ehemals 130 bis 150 Tieren. Für DeLHRA nichts mehr als beschönigte Ziffern. Zu oft werden Löwen - vor allem die Männchen - zu Problemtieren ernannt und zur Trophäenjagd freigegeben. Und zu oft werden sie umgesiedelt, wie im jüngsten Fall nach N/a’an ku sê.
Gerade bei diesem Beispiel wirft die Löwenschutzorganisation dem Ministerium vorschnelles Handeln vor. „Zum einen haben die betroffenen Löwen erst vor kurzem Halsbänder erhalten, sowie zum anderen ein Frühwarnsystem implementiert wurde“, berichtet Smit. Durch dieses System werde die lokale Bevölkerung informiert, sobald sich die Tiere den Farmen und den Nutztieren nähern. Seitdem sei „kein Löwe in einer kritischen Zone geortet worden“ und kein Vieh zu Schaden gekommen. „Warum werden die Tiere also aus ihrem Habitat geholt, wenn sie noch nicht einmal die Chance hatten, sich zu beweisen?“, so Smit.
Herausforderungen
Mit der schrumpfenden Löwenpopulation wachsen zudem die Herausforderungen für die erfolgreiche Reproduktion. Im Ugab-Rivier beispielsweise gibt es nach der kürzlich geschehenen Umsiedlung aktuell kein geschlechtsreifes Männchen. „Und das ist im Moment bei sieben der schätzungsweise insgesamt acht bis zehn Rudeln der Fall“, meint Smit und weist auch auf immer häufiger vorkommende Inzucht hin.
Und dennoch - oder gerade deshalb - gibt DeLHRA nicht auf. Mit den vier größten Hegegebieten der Region, namentlich Torra, Anabeb, Sesfontein, sowie Purros habe die Organisation mittlerweile Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit unterschrieben und sei derzeit dabei, alle Kräle zwischen dem Ugab-Rivier und Purros „raubtiersicher“ zu machen.
Es scheint ein Wettlauf gegen die Zeit. Aber auch gegen engstirniges Denken, bürokratische Barrieren und kapitalistische Absichten. Umso wichtiger ist es, dass sich Namibia seinem Schatz, den das Land mit den Wüstenlöwen hat, bewusst wird. Um sich bestenfalls genauso für die Tiere einzusetzen wie DeLHRA es tut.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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