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In Afrika herrschen andere Regeln

Es hätte ein Neuanfang sein können: Der Papst in Afrika - dem Kontinent, in dem die Zahl der Katholiken stetig wächst, gefeiert von jubelnden Gläubigen. Es kam ganz anders: Noch bevor Benedikt XVI. auch nur den Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt hatte, war seine Pilgerreise schon fast vorbei. Was der Papst in den letzten Tagen in Afrika auch sagte zu Korruption und Armut, zu Treue und Enthaltsamkeit oder zur Stellung der Frau - bleiben wird, zumindest in Europa, allein sein Satz, dass Kondome die Aids-Epidemie in Afrika sogar verschlimmern können.

Mit seiner weltfremden Fundamentalopposition gegen das Kondom hat sich der Papst ins Abseits manövriert, weil er damit eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Aids-Geißel von vornherein verteufelt. Denn als Schutz gegen eine Ansteckung mit dem HI-Virus haben Kondome natürlich einen Zweck. Wer Aids hat und sexuell aktiv ist, muss andere schützen. Aber auch als Mittel gegen das unkontrollierte Bevölkerungswachstum, das alle Fortschritte in Afrika gleich wieder auffrisst, haben Kondome einen Nutzen.

Wer Sex als reinen Akt der Fortpflanzung betrachtet, verkennt die Realität. Ebenso klar ist jedoch auch: Das päpstliche Nein zu Kondomen ist für Afrika eines der geringeren Probleme im Kampf gegen die Seuche.

Spanien, das als Reaktion auf den Fauxpas des deutschen Papstes eine Million Kondome nach Afrika senden will, könnte auch eine Milliarde schicken, ohne dass sich an der Ausbreitung der Epidemie Grundsätzliches ändern würde. Im Westen wird vielerorts noch immer nicht verstanden, dass Afrika eigenen Regeln gehorcht - und Kondome hier verpönt sind. Afrikaner benutzen sie nicht deshalb selten, weil der Papst moralische Bedenken hegt, sondern weil sie sie als unmännlich empfinden.

Es gibt inzwischen viele Studien, die diese Aversion belegen: Eine Frau, die den Mann um den Gebrauch eines Kondoms bittet, gilt schnell als Hure und wird mit physischer Gewalt "bestraft". Minenarbeiter und Fernfahrer, die das HI-Virus besonders häufig in sich tragen, erklären ganz offen, dass sie ja auch nicht mit Socken baden oder Bonbons mit Papier lutschen würden. Wer dies aus Bequemlichkeit oder aus Angst, der Kritik an der afrikanischen Kultur bezichtigt zu werden, in Abrede stellt, trägt seinerseits dazu bei, dass Afrikas Aids-Problem ungelöst bleibt.

In Südafrika weisen mit der Aids-Aufklärung betraute Gruppen seit Langem darauf hin, dass die große Mehrheit der Schwarzen zwar um die sexuelle Übertragung des Virus weiß, aber nur ein Bruchteil das Verhalten entsprechend ändert. Afrikaner haben in ihrem Leben vielleicht nicht mehr Sexualpartner als Weiße, aber mehr zur gleichen Zeit, was die Virusübertragung stark erleichtert. Es ist kein Zufall, dass sich allein in Südafrika an einem einzigen Tag fast ebenso viele Menschen mit dem HI-Virus infizieren wie in Deutschland in einem ganzen Jahr.

Umso mehr verwundert, dass der zweite Teil der Aids-Botschaft des Papstes fast völlig unterging. Denn wenn Afrika seine Aids-Epidemie eindämmen will, braucht es in der Tat zunächst ein Wertesystem, das mehr als bisher auf Werten wie Treue, Selbstdisziplin und Eigenverantwortung fußt. Dazu zählt auch, dass Afrikaner ihren Frauen mit mehr Respekt begegnen müssen. Der Papst hat das mit seinem Appell zu einer verantwortungsvoll gelebten Partnerschaft angesprochen.

Gerade der Kirche fällt im Rahmen dieser Neuausrichtung eine wichtige Rolle zu. In Südafrika haben Wissenschaftler kürzlich die Gründe für den Erfolg von Freikirchen untersucht. Sie haben festgestellt, dass es Menschen, die ihr Leben wegen einer religiösen Neuorientierung ändern, leichter fallen kann zu sparen, härter zu arbeiten oder mehr für die eigene Gesundheit zu tun. Ehemänner kümmern sich intensiver um ihre Familien, was wiederum dazu beiträgt, dass weniger Geld in Alkohol oder käuflichen Sex fließt.

Das Phänomen lässt sich fast überall in Afrika beobachten: Viele Christen offenbaren hier ein Selbstbewusstsein und eine Neugier auf die Welt, die in traditionellen afrikanischen Gesellschaften oft fehlt. Häufig scheint es, als würde das Christentum mit seiner Lehre von einer direkten persönlichen Verbindung des Einzelnen zu Gott mitten durch das strikt hierarchische Gefüge der traditionellen Gesellschaft schneiden und damit für das Individuum als Befreiung wirken. Es lohnt sich, auch diesen Aspekt des päpstlichen Auftritts in Afrika zu begutachten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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