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In Namibia keine Zukunft mehr?

Der Geschäftsmann Mannfred Goldbeck und der freie Journalist Sven-Eric Kanzler haben einen Offenen Brief an das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Deutschland zum Artikel "Kriegstrommeln in Südwest" (Spiegel Nr. 28/2004) formuliert.

Sehr geehrter Herr Ihlau,

wir freuen uns, dass Sie einen Journalisten nach Namibia gesandt haben, für eine Recherche vor Ort. Für uns ist keineswegs selbstverständlich, dass ein Magazin wie der Spiegel trotz angespannter Lage auf dem deutschen Anzeigenmarkt und allgemeiner Stellenkürzungen in den Redaktionen keine Kosten scheut, um sich ein eigenes Bild von Namibia und seinen Problemen zu verschaffen.

Andererseits sind wir sehr betroffen. Als langjährige Leser kennen und schätzen wir den Spiegel. Einen Artikel wie "Kriegstrommeln in Südwest" von Thilo Thielke hätten wir darin nicht erwartet.

Wir sind betroffen darüber, dass der Artikel einseitig ist, dass sich der Spiegel zum Sprachrohr einer sehr kleinen Gruppe innerhalb der namibischen Bevölkerung macht, und dass das gezeichnete Bild von den Menschen, der Regierung und dem Land nicht der Realität entspricht. Vor allem aber sind wir betroffen, weil in dem Artikel nicht einmal der Versuch unternommen wird, angeblich "irrationale" Handlungen einzelner Personen oder der Regierung zu verstehen. Sie scheinen sich weder Ihrer Verantwortung als Informationsquelle bewusst zu sein, der mehr als 5 Millionen Leserinnen und Leser vertrauen, noch der Wirkung, die Ihre Berichterstattung in Namibia entfaltet.

Lassen Sie uns das erläutern:

Einseitigkeit - Auf der Farm des deutschstämmigen Farmers Andreas Wiese führt ein verendetes Gänseküken zum Konflikt mit den auf seiner Farm lebenden Arbeitern. Der Disput eskaliert zum Gerichtsprozess. Herr Thielke verschweigt in dem Artikel, dass Wiese die Arbeiter und ihre Familien vor das Farmtor setzt. Und dass dem Fall ähnliche Abschiebungen auf anderen Farmen vorausgegangen sind. Völlig unabhängig von Schuldfrage oder Gerichtsentscheiden muss man sich doch darüber wundern, wie es zu solch einer Eskalation kommen kann und warum die Menschen auf diese Weise miteinander umgehen. Das erzwingt doch geradezu, beide Seiten zu Gehör zu bringen. Thielke jedoch schildert Verlauf und Motive lediglich aus der Perspektive des Farmers. Die Gegenseite - Arbeiter und Gewerkschaft - kommt nicht zu Wort.

Das gleiche gilt für die Darstellung der Bodenreform, die ausschließlich die Argumente der Kritiker auflistet und die der Gegenseite völlig ausblendet. Thielke verschweigt zudem, dass über die Notwendigkeit einer Umverteilung des Bodens ein breiter gesellschaftlicher Konsens besteht. Die Bodenreform wird nicht nur von Präsident Sam Nujoma und der regierenden Swapo (Wahlen 1999: 76 Prozent) gefordert, sondern auch von den meisten Oppositionsparteien, darunter die Kongressdemokraten/Congress of Democrats, CoD, (knapp 10 Prozent), die in dem Artikel nicht zu Wort kommen, und die Demokratische Turnhallenallianz, DTA, (9,5 Prozent), die im Artikel als Kritiker angeführt wird.

Sprachrohr - Der Vorfall wird aus der Perspektive des Farmers geschildert, was den Konjunktiv erfordern würde. Die Verwendung des Indikativs jedoch erhebt dessen Sichtweise zum Faktum und verschmilzt dessen Stimme mit der Thielkes.

An anderer Stelle mutiert die Stimme Thielkes zu der einer kleinen Gruppe deutschstämmiger Namibier: Das Wort "Südwest" nämlich, ohne distanzierende Anführungszeichen in der Überschrift, klingt kaum nach der Sprache eines unabhängigen Journalisten. Die aus der deutschen Kolonialzeit stammende Bezeichnung wird heute in Namibia vorzugsweise von Leuten benutzt, die sich in jene Zeiten zurücksehnen.

Aus der Passage, in der Thielke den Obelisken der Gedenkstätte für die Gefallenen des Befreiungskampfes zu einem "Gedenkphallus" des Präsidenten mutieren lässt, riecht man förmlich den Bierdunst am Stammtisch eben dieser Leute heraus. ",Nujomas letzte Erektion', spotten die Namibier", fügt Thielke hinzu - mit der klaren Absicht, die Meinung einer Randgruppe zum gesellschaftlichen Konsens zu erheben. Doch entgegen seiner Behauptung macht diese Entgleisung keineswegs die rippenrempelnde Runde unter allen Namibiern. Auch die meisten Deutschstämmigen würden sich peinlich berührt abwenden. Im Gegensatz zu Journalist Thielke oder dem Spiegel, der dieser groben Zote einen ganzen, sorgsam formulierten Absatz widmet. Und sich damit zur wohlwollenden Plattform für Ansichten aus ultra-rechter Ecke des politischen Spektrums erniedrigt.

Falsches Bild - Thielke suggeriert, die Landfrage diene als reine Wahlkampfmunition ("in Namibia sind bald Wahlen, und seit Monaten verspricht die Regierung deshalb ihrer Bevölkerung die Umverteilung des Bodens"). Er verschweigt, dass die Bodenreform seit Jahren durchgeführt wird - auf der Grundlage eines Gesetzes, das bereits 1995 in Kraft getreten ist.

Thielke suggeriert ferner, dass die Bodenreform in der "Aufteilung des Agrarlands in kleine Schollen" bestehe, "die den Arbeitern zur Bewirtschaftung überlassen werden sollen". Das stimmt natürlich nicht, wie man sofort feststellt, wenn man sich mit diesem zentralen Aspekt der Bodenreform beschäftigt: Berücksichtigt bei der Zuteilung des Landes werden ganz allgemein Antragsteller, die die namibische Staatsbürgerschaft haben, bisher kein oder mangelhaftes Land besitzen und historisch benachteiligt sind. In den wenigsten Fällen handelt es sich dabei um Arbeiter, die auf der betreffenden Farm leben. Auf diesen Missstand weist der im Artikel zitierte Experte Wolfgang Werner seit Jahren hin. Fazit: Die Leidtragenden der Bodenreform sind eben nicht in erster Linie Farmer, die immerhin eine marktgerechte Entschädigung erhalten (im Gegensatz zu Simbabwe werden Land und errichtete Anlagen vergütet), sondern Arbeiter und deren Familien, die in vielen Fällen auf der Farm geboren sind und die nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihr täglich Brot verlieren.

Thielke, der mit Aufbau und sprachlicher Gestaltung des Artikels unter Beweis stellt, dass er sein journalistisches Handwerk meisterhaft beherrscht, wird im Zuge seiner Recherche mit Sicherheit über diesen Aspekt gestolpert sein. Deshalb gehen wir davon aus, dass er ihn wider besseres Wissen falsch darstellt. Zumal er sich an anderer Stelle zum Teil widerspricht: "Wie in Simbabwe sollen auch in Namibia verdiente Helden des Befreiungskampfes mit dem enteigneten Land belohnt werden". Und auch dies entspricht nicht den Tatsachen. Veteranen selbst haben in der Vergangenheit wiederholt nicht Land, sondern Jobs gefordert.

Warum die bewusste Falschinformation? Weil sonst sofort aufgefallen wäre, dass das gewählte Beispiel des Farmers Wiese mit dem Konzept der Bodenreform eigentlich gar nichts zu tun hat. Gerade das werfen Kritiker der Regierung ja zu Recht vor: Nicht Kriterien für die Enteignung von Land für die Umverteilung, sondern Arbeitsdispute seien der Grund für die jetzt angestrebten Enteignungen. Doch den Fall Wiese braucht Thielke dringend, um den Leser schon gefühlsmäßig gegen die Bodenreform einzunehmen. Genau mit diesem Kalkül sind Einstieg und Ende des Artikels komponiert: Der erste Satz ("Der Landwirt Andreas Wiese hat seine Heimat verloren") mit dem emotional aufgeladenen Wort "Heimat'"; der erste Abschnitt mit der gefühlsmäßig ansprechenden Schilderung jenes Moments, in dem Farmer Wiese den Enteignungsbrief erhielt; und die herzzerreißende Schlussszene, in der Farmer Wiese "aus dem Fenster blickt" und sieht, wie "seine Angestellten unten auf dem Farmland campieren. Sie warten, dass er endlich geht".

Das Leid des Farmers Wiese ist real und nachzuempfinden. Umso mehr ist es zu verurteilen, dieses Leid in falsche Zusammenhänge zu rücken und für eigene Zwecke zu missbrauchen.

Herr Thielke missbraucht das Beispiel des Farmers Wiese außerdem als Anhaltspunkt, um eine Parallele zwischen Namibia und Simbabwe zu ziehen, wo "weiße" Farmen unter Duldung der Regierung von "Schwarzen" besetzt und die Farmer belagert, geschlagen oder gar ermordet wurden. Dabei ist Thielke vom Experten Wolfgang Werner nach dessen Angaben während des Gespräches ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich diese Parallele nicht ziehen lässt. Als Werner Gründe anführen wollte, habe Thielke gleich abgewunken und kein weiteres Interesse gezeigt. So wundert uns nicht, dass die Unterschiede zu Simbabwe im Artikel unterschlagen werden: die gesetzliche Grundlage der Bodenreform, die Durchführung nach rechtsstaatlichen Verfahren, das vorherrschende Prinzip willing seller, willing buyer, das sofortige Eingreifen der Behörden in Fällen versuchter Farmbesetzungen.

Wir können daraus nur den Schluss ziehen, dass Herr Thielke mit vorgefasster Meinung und dem festen Vorsatz nach Namibia gekommen ist, diese Meinung zu bestätigen - koste es, was es wolle.

Kein Verständnis - Die Voreingenommenheit Herrn Thielkes setzt sich in der Gestaltung des Artikels fort. Darin wird nicht erörtert, sondern festgestellt. Damit man ihm in seinem Urteil folgt, greift er zu einem beliebten Kniff der Rhetorik: Er macht den politischen Gegner lächerlich, erklärt ihn für irrational. Lächerliche Menschen nimmt man nicht ernst, und mit den Zielen und Argumenten von irrationalen Menschen muss man sich gar nicht erst auseinandersetzen.

Thielke skizziert gekonnt mit groben Federstrichen ein schiefes Bild von Präsident Nujoma. So erwähnt er, es gebe in Namibias Städten "jede Menge Straßen, die nach Robert Mugabe, Fidel Castro und anderen Helden sozialistischer Volkskriege benannt sind" und spricht kurz darauf vom "alte(n) Partisan Nujoma mit seinem struppigen Revoluzzerbart". Damit rückt er Nujoma unterschwellig in die Reihe enteignungswütiger Diktatoren, die im Gestern leben und am längst gescheiterten Sozialismus festhalten. Es stimmt, dass Nujoma und die Swapo ihren Verbündeten aus Zeiten des Befreiungskampfes die Treue halten und ihre Dankbarkeit für gewährte Unterstützung auch in der (Um-)Benennung von Straßennamen ausdrücken. Aber ist jemand von gestern, weil er seine alten Freunde nicht wie eine heiße Kartoffel fallen lässt, nachdem sich das Blatt gegen sie gewendet hat? Zudem ist Namibias Staats- und Regierungschef demokratisch gewählt - mit einer Mehrheit (fast 77 Prozent), von der US-Präsidenten nur träumen können. Die Regierungspartei Swapo hat sich mit der Unabhängigkeit 1990 klar zur freien Marktwirtschaft bekannt, der Schutz des Privateigentums ist in der namibischen Verfassung verankert.

Mit Formulierungen wie "Schrulle des betagten Führers" im Artikel oder "Irrationales Treiben" in der Bildunterschrift werden Nujoma Altersdemenz und Handlungen unterstellt, die eher trieb- als vernunftgeleitet sind. Das Foto von Nujoma, Händchen haltend mit Simbabwes Präsident Robert Mugabe, soll die Behauptung Thielkes unterstreichen, Nujoma sehe in dem international quasi für verrückt erklärten Mugabe sein Vorbild und eifere ihm nach. Nicht erwähnt wird, dass auch andere afrikanische Staatschefs bis hin zum südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki nach Außen hin den Schulterschluss mit Mugabe pflegen, ohne dessen Politik für das eigene Land zu übernehmen. Und sind all diese Afrikaner irrational? Oder könnte ihre demonstrative Haltung rationales Resultat jahrhundertelanger europäischer Bevormundung und Politik des Teilens und Herrschens sein?

Die Bodenreform stilisiert Thielke zu einem Symptom des von ihm diagnostizierten Irrsinns. So stellt er seiner Darstellung dieses Themas das Fazit voran: "Einen größeren Unsinn kann die Regierung kaum machen." Um zu verschleiern, dass es sich um sein eigenes Urteil handelt, legt er diesen Satz dem Experten Wolfgang Werner in den Mund - der ihn jedoch eigenem Bekunden nach nie geäußert hat. In der Tat hat die Bodenreform Schwachstellen, die auch seit Jahren in Namibia kontrovers diskutiert werden: schleppende Umsetzung aufgrund langwieriger Verfahren, Verteilung an reiche und einflussreiche Namibier, Problem der entlassenen Farmarbeiter, mangelnde Betreuung der Neufarmer. Alles Punkte, die Thielke nicht aufführt.

Dem zentralen Vorwurf der Kritiker dagegen, die Armut lasse sich mit der Umverteilung des Farmlandes einfach nicht bekämpfen, wird viel Platz eingeräumt. Wirtschaftlich gesehen ist die Kritik nicht von der Hand zu weisen. Es fehlt aber der Hinweis auf die legitimen emotionalen und politischen Beweggründe: "schwarze" Namibier wollen 120 Jahre nach der europäischen Inbesitznahme und 100 Jahre nach der Enteignung ihrer Vorfahren (in der Hauptsache Herero und Nama) über das Land wieder physisch verfügen. "Aber gerade davon (den Weißen das einst gestohlene Land wieder abzunehmen), wollen die Herero wenig wissen", zitiert Thielke den Oppositionspolitiker Rudolph Kamburona, einen Herero. Und unterschlägt, dass die Ovaherero sehr wohl Ansprüche auf das Land ihrer Ahnen erheben. Deshalb ist es ihnen ein Stachel im Fleisch, wenn Angehörige der Ovambo innerhalb ihres ehemaligen Gebietes Farmland erhalten. Verständlich. Andererseits würde eine gruppenspezifische Zuteilung einen gefährlichen Tribalismus fördern, den man im Zuge des Nation Building ja gerade überwinden will. So kommen Herero und Nama zwar nicht ausschließlich, aber auch in den Genuss der Landverteilung - in ihrer Eigenschaft als namibische Staatsbürger.

Doch Thielke geht es ja nicht um sachliche Auseinandersetzung, sondern rhetorische Demontage des politischen Gegners. Dabei schreckt er nicht einmal davor zurück, sich rassistischen Gedankenguts zu bedienen. Die Vokabeln "Kriegstrommeln", "Buschkrieger" und "Kriegspfad" beschwören klar erkennbar das klischeehafte Bild vom trommelnden Wilden im Busch. Den absoluten Höhepunkt erreicht Thielke jedoch mit seinem verbalen Tiefschlag: Die Umdeutung des Gedenk-Obelisken zur präsidentiellen Erektion weckt bewusst das Vorurteil vom sexuell hochpotenten Schwarzen, das aus dunkler Kolonialzeit stammt und noch immer in den Hinterköpfen vieler Europäer und europäischstämmiger Namibier herumspukt.

Äußerungen von Präsident Nujoma haben immer wieder einmal für Kritik gesorgt. Das jedoch ist kein Grund für eine totale Demontage. Die herabwürdigende und rassistische Art Thielkes, mit dem politischen Gegner umzugehen, ist ein Rückfall in die Zeit der Apartheid. Sie passt auch nicht in eine Demokratie. Umso mehr sind wir betroffen, dass sie in einen Spiegel passt. "Nujoma flucht auf ,rassistische Weiße' ", stellt Thielke kopfschüttelnd fest. Dabei sind es Menschen wie Thielke, die diese Reaktion hervorrufen. Namibia ist seit der Unabhängigkeit im Jahre 1990 eine Demokratie. Wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg müssen sich jedoch viele Menschen erst an demokratische Umgangsformen gewöhnen. Uns macht betroffen, in Herrn Thielke einen Beleg dafür zu erhalten, dass dieser Prozess auch nach 60 Jahren noch nicht abgeschlossen ist.

Verantwortung - Wir wollen Herrn Thielke in diesem Brief keineswegs demontieren und damit in die Haltung verfallen, die wir an ihm (und einigen Gruppen in Namibia) kritisieren. Wir verstehen seine Lage als Journalist: Das Nachrichtengeschäft erzeugt angesichts überwiegend negativer Themen auf Dauer einen schützenden Zynismus, die Konkurrenz der Themen um den stets knappen Platz im Blatt verleitet zur Zuspitzung. Wir verstehen auch den Spiegel: Die Konkurrenz der Medien zwingt zur drastischen und plastischen Aufmachung der Berichte. Wir haben jedoch kein Verständnis dafür, dass eine Geschichte wider besseren Wissens auf Krawall gebürstet wird - auf Kosten betroffener Menschen. Schließlich gibt es eine journalistische Sorgfaltspflicht und eine Verantwortung gegenüber mehr als 5 Mio. Leserinnen und Lesern in Deutschland, Österreich und der Schweiz - die ja gerade bei Berichten aus dem Ausland meist nicht die Möglichkeit haben, die Informationen und Urteile anhand eigener Erfahrungen zu überprüfen und einzuordnen.

Wirkung in Namibia - Der Spiegel wird in Namibia von Regierung und Bürgern als eine gewichtige Stimme aus Deutschland wahrgenommen. Der Artikel Thielkes ist daher für die Menschen hier nicht einer unter vielen, sondern die Titelstory des Spiegel im Jahre 2004. In kopierter Form macht er überall die Runde. Viele sind vor den Kopf geschlagen, viele reagieren betroffen, einige jubeln.

Es gibt Menschen, die den Wandel in Namibia nicht wahrhaben wollen und so tun, als finde er nicht statt. Und es gibt Menschen, die sich schwer tun, sich in den gewandelten Verhältnissen zurechtzufinden. Beide Gruppen suchen Halt und Orientierung in der Vergangenheit, was sich in Phrasen äußert wie "damals war alles besser, seit der Unabhängigkeit geht es steil bergab, wir haben keine Zukunft in Namibia". Thielke nimmt genau diese Haltung ein und bringt sie im Schlusssatz auf den Punkt: "In Namibia gibt es keine Zukunft mehr." Damit bestätigt er diese - im Gegensatz zu Nujoma - tatsächlich im Gestern lebenden Menschen in einer Einstellung, die im heutigen Namibia in der Tat keine Zukunft hat und auch nicht haben darf. Diese Rückendeckung wird umso stärker empfunden, als der Spiegel zumindest vor der Unabhängigkeit eher dem politischen Gegner, der Swapo, nahestand, den nicht stattfindenden Wandel kritisierte und die "rechtsradikalen Weißen" an den Pranger stellte.

Menschen darin zu bestärken, in eine Sackgasse zu laufen, ist in seiner destruktiven Wirkung für die Gesellschaft begrenzt, weil es sich um eine kleine Gruppe handelt. Doch gleichzeitig schlägt der Spiegel mit Thielkes Artikel all jenen "Weißen" vor den Kopf, die sehr wohl eine Zukunft in Namibia sehen, die sich um eine Zusammenarbeit mit den "Schwarzen" bemühen und die am Aufbau des neuen Namibia konstruktiv mitwirken wollen. Nach jahrzehntelanger Diskriminierung der Schwarzen (gerade auch auf Farmen) müssen erst behutsam Brücken des Vertrauens errichtet werden. Und schließlich tritt der Spiegel Präsident Nujoma sowie der Regierung und damit Dreiviertel der namibischen Bevölkerung zwischen die Beine. Und liefert einen Beleg für das Vorurteil, das in diesen Bevölkerungsgruppen gegenüber den "Weißen" gehegt wird: Die Weißen wüssten immer alles besser oder seien gar rassistisch. Damit torpediert er den Auf- und Ausbau einer Zusammenarbeit auf gleichberechtigter Ebene zwischen Deutschland und Namibia sowie zwischen weißen und schwarzen Namibiern.

Reaktion - Um dieser destruktiven Wirkung zu entgegnen, werden wir diesen Brief in deutscher und englischer Sprache in den hiesigen Medien veröffentlichen. Außerdem werden wir ihn an Medien und Geschäftsleute in Deutschland senden, die mit Namibia zu tun haben, sowie an Websites mit Inhalten zu Namibia.

Außerdem hoffen wir darauf, dass Sie diesen Brief in Ihrer nächsten Ausgabe veröffentlichen, um Ihren Leserinnen und Lesern die Möglichkeit zu geben, den Artikel Herrn Thielkes besser einzuordnen.

Und schließlich möchten wir Sie bitten, erneut einen Journalisten nach Namibia zu schicken, um den einseitigen Eindruck vom Land durch ein vielschichtigeres Bild zu ersetzen. Im November wählen die Namibier innerhalb von zwei Wochen einen neuen Präsidenten, ein neues Parlament und einen neuen Regionalrat. Wir sind gern bereit, Ihnen in bezug auf Kosten, Kontakte, Vorbereitung von Terminen und Transport zu helfen.

Einen Fehler einzugestehen und zu korrigieren, erfordert Größe. Wenn Sie diese Größe zeigen, werden Sie unser Vertrauen in die Berichterstattung des Spiegel wieder herstellen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-25

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