Intertidal Drive: Zwischen Fischen, Krebsen und Seesternen
Barfuß steht Shane Milne in einem Gezeitentümpel zwischen den Klippen im Atlantik. Vorsichtig dreht er einen Stein um. „Der Trick ist, man muss schnell sein, doch trotzdem immer ruhig bleiben“, sagt er und schaut gebückt mit intensivem Blick auf den Boden. Plötzlich greift er ins Wasser und hält dann einen kleinen, grünen Fisch in seiner Hand. „Diese Klipvisse gibt es häufig“, schmunzelt er.
Shane ist ein Reiseleiter. Der gebürtige Swakopmunder bietet Tagestouren nahe seinem Heimatsort an, allerdings nicht in die Wüste oder Mondlandschaft wie alle anderen Tourunternehmen. Vor mehr als zwei Jahren hat er mit sogenannten „Intertidal Drives“ oder „Beach Drives“ begonnen – die Tour ist einzigartig. Seine Reise beginnt bei Ebbe. Er zeigt den Besuchern das Meer und die Kleintiere, Pflanzen und andere Lebewesen die sonst noch dort leben.
Aquanaut Tours heißt seine Firma und wie alle anderen Unternehmer holt er die Besucher in einem Geländewagen ab. Zuerst zeigt er das Stück des Wracks der „Kolmanskop“ bei der Vierkantklippe bei Swakopmund, das noch übriggeblieben ist. Dann fährt er weiter in Richtung Süden. „Ich könnte fast meine ganze Tour in einem Areal von einem Quadratmeter abhalten“, sagt er und zeigt auf einen kleinen Gezeitentümpel. Damit verweist Shane auf die Vielzahl an Lebewesen, die im Meer leben.
„Weißt Du eigentlich, wie Langusten nach Swakopmund gekommen sind?“, fragt er, derweil er blinkt, um zum Strandplatz abzubiegen, der auch Patrysberg bekannt ist. „Man sagt, dass ein Fischkutter mit Langusten beladen war und nahe Swakopmund gestrandet ist. Das Boot soll den Namen „Patrysberg“ getragen haben“, erzählt er. Er parkt den Allradwagen. „Wer weiß, vielleicht an dieser Geschichte ja da was dran.“
Barfuß läuft er geradeaus ins Meer. Jetzt herrscht Ebbe, die Wellen brechen in der Ferne. Daher gibt es an dem Platz zwischen Swakopmund und Langstrand zahlreiche sogenannte Gezeitentümpel oder „Tidal Pools“. Zwischen den Klippen befinden sich kleine Pfützen, bei Flut wäre alles unter Wasser. „Und hier herrscht so viel Leben“, sagte Shane, der auch gleich loslegt. Schnell holt er hier einen Käfer oder einen Wurm aus dem Tümpel heraus und erklärt etwas zu den Tieren. Er kennt die verschiedenen Lebewesen und kann viel zu jedem von ihnen erzählen.
Neben kleinen Fischen, Napfschnecken und Würmern, findet er auch schnell Seesterne und jede Menge andere Tiere. Für die Kinder ist die Tour ein Traum, denn mit einem Eimer ausgestattet dürfen sie diese Wesen auch sammeln. Nicht nur für Touristen ist die Tour interessant. Für die Küstenbewohner ist es ein Augenöffner, da die wenigsten Swakopmunder wissen, was die Küste sonst noch zu bieten hat.
Wenig später setzt Shane die Tour in Richtung Langstrand fort. Am Strand sieht er eine tote Qualle, sofort hält er an, steigt aus und hebt das Tier hoch. „Eine Qualle besteht zu 98 Prozent aus Wasser. Diese Sorte hier reizt die Haut, aber nun ist sie harmlos“, erklärt er. Bei Langstrand gibt es den letzten Stop. Hier hat Shane etwas Besonderes vor. Er befestigt ein Seil an einen gefrorenen Fisch und wirft ihn ins Meer. Wenig später zieht er den halbangefressenen Fisch heraus – es hängt ein Krebs dran.
„Das Meer ist voller Wunder. Man muss nur wissen, wo und wie man sie findet“, sagt er. Seine Leidenschaft für die See hat Shane schon in seiner Kindheit entwickelt. „Für mich war schon immer das Meer interessanter als das Klassenzimmer“, erzählt er. Neben den sogenannten „Intertidal Drives“ bietet er außerdem Brandungsangel-Touren an, wo Angler die Gelegenheit erhalten, einen Afrikanischen Adlerfisch, eine Streifenbrasse oder vielleicht auch einen Kupferhai zu fangen. Shane ist ein erfahrener Angler, der weiß, wann und wo der Fisch beißt. Mehr Informationen gibt’s im Internet: www.aquanauttours.com.
Erwin Leuschner
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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