Justiz plant radikale Rosskur
Entschlackung und Aufgaben-Delegierung soll Gerichte entlasten
Von Marc Springer
Windhoek
In einer hochkarätig besetzen Pressekonferenz der 2015 gegründeten Abteilung für Justizverwaltung, versuchte gestern keiner der Anwesenden die Situation zu beschönigen. So räumte die zuständige Staatssekretärin, Rolanda van Wyk, ein, dass vor allem die 35 Magistrats- und die sechs Regionalgerichte stark überlastet und dort eine enorme Anzahl unbewältigter Fälle anhängig seien.
Dass die Verfahrensführung in unteren Instanzen derart schleppend verlaufe, sei jedoch nicht allein Schuld des Justizministeriums, weil viele Interessenträger an einer Verhandlung beteiligt seien und für dessen reibungslosen Ablauf sorgen müssten. Dass vor allem Strafverfahren immer wieder ohne Verhandlung vertagt würden, liege vielmehr meist daran, dass Ermittlungen der Polizei nicht abgeschlossen, Zeugen nicht anwesend, oder Verteidiger und Staatsanwälte nicht vorbereitet seien.
Prozessverschleppung
Es könne demnach nicht allein dem Justizministerium oder Richtern angelastet werden, dass Verfahren oft über lange Zeit keine Fortschritte machten. Dennoch habe das Ministerium eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Oberrichter Petrus Damaseb eingesetzt, die Details einer geplanten Justizreform erarbeiten und Möglichkeiten erörtern solle, wie die Abhandlung von Fällen beschleunigt werden könne.
Ferner hob sie hervor, dass die Verantwortlichen bemüht seien, die Kapazitäten zu erhöhen. So seien zwei „vorgefertigte“ Gerichtsgebäude in Rehoboth und Ohangwena eröffent worden, denen bald 15 weitere in anderen Ortschaften folgen sollten. Es hätten auch 32 Justizbeamte eine Fortbildung durchlaufen, von denen seither zwei als Vollzeitrichter und fünf als Ersatzrichter angestellt worden seien.
Darüber hinaus habe die Einführung verpflichtender Vermittlungsverfahren am Obergericht wesentliche Entlastung geschaffen. Dies gelte vor allem bei Zivilverfahren, die zuvor Kapazitäten von Richtern gebunden und das Obergericht „verstopft“ hätten. Durch das Schlichtungsangebot habe sich deren Falldichte inzwischen deutlich verringert, weil z.B. im vergangenen Jahr 644 Rechtsstreitigkeiten zur Schlichtung verwiesen worden seien, von denen 406 (oder 63 Prozent) im gegenseitigen Einvernehmen der Prozessparteien und ohne Intervention eines Richters gelöst worden seien.
Lastenteilung
Als „erheblichen Fortschritt“ bezeichnete der Vize-Staatssekretät Tousy Namiseb die Einrichtung eines Verkehrsgerichts in Windhoek, das den Arbeitsaufwand am Magistratsgericht der Hauptstadt deutlich verringert habe. Ferner kündigte er an, es bestünden „weit fortgeschrittene Pläne“ ein gesondertes Gewerbegericht einzusetzen, dass sich ausschließlich mit kommerziellen Disputen befassen und das Obergericht entlasten solle.
Ferner sei eine Gesetzgebung in Arbeit, die es ermöglichen solle, die Befugnisse von Regionalgerichten soweit zu erweitern, dass sich jene auch mit Scheidungsfällen und Zivilverfahren mit höherer Streitsumme befassen könnten. Vor allem Scheidungsverfahren würden eine große Belastung für das Obergericht darstellen, weil sie nicht in unterer Instanz entschieden werden könnten und hierzulande noch immer das Schuldprinzip gelte.
Scheidungsrecht
Aus diesem Grunde müsse einer der beiden Parteien dem anderen ein Fehlverhalten wie Ehebruch oder böswilliges Verlassen nachweisen, wofür eine mitunter zeitaufwändige Beweisführung notwendig sei. Dies könne jedoch in absehbarer Zukunft der Vergangenheit angehören, sobald eine angestrebte Reform des Scheidungsrechts in Kraft trete. Diese würde es entfremdeten Eheleuten ermöglichen, das Prinzip der Zerrüttung als Trennungsgrund zu nutzen ohne vor Gericht eine Schuldzuweisung betreiben und dem entfremdeten Partner mutmaßliche Verfehlungen nachweisen zu müssen.
Bei der Pressekonferenz waren auch der amtierende Hauptmagistrat, Harris Salionga, der für Unterhaltsfragen zuständige Leiter Innocent Kandandu und Magistratsrichterin Ingrid Unengu zugegen, die Informationen und Statistiken zu Themen wie Kautionsvergabe, häusliche Gewalt, Unterhaltspflicht und Schutzanordnung (Kontaktverbot) teilten. Mehr dazu morgen in der AZ.
Windhoek
In einer hochkarätig besetzen Pressekonferenz der 2015 gegründeten Abteilung für Justizverwaltung, versuchte gestern keiner der Anwesenden die Situation zu beschönigen. So räumte die zuständige Staatssekretärin, Rolanda van Wyk, ein, dass vor allem die 35 Magistrats- und die sechs Regionalgerichte stark überlastet und dort eine enorme Anzahl unbewältigter Fälle anhängig seien.
Dass die Verfahrensführung in unteren Instanzen derart schleppend verlaufe, sei jedoch nicht allein Schuld des Justizministeriums, weil viele Interessenträger an einer Verhandlung beteiligt seien und für dessen reibungslosen Ablauf sorgen müssten. Dass vor allem Strafverfahren immer wieder ohne Verhandlung vertagt würden, liege vielmehr meist daran, dass Ermittlungen der Polizei nicht abgeschlossen, Zeugen nicht anwesend, oder Verteidiger und Staatsanwälte nicht vorbereitet seien.
Prozessverschleppung
Es könne demnach nicht allein dem Justizministerium oder Richtern angelastet werden, dass Verfahren oft über lange Zeit keine Fortschritte machten. Dennoch habe das Ministerium eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Oberrichter Petrus Damaseb eingesetzt, die Details einer geplanten Justizreform erarbeiten und Möglichkeiten erörtern solle, wie die Abhandlung von Fällen beschleunigt werden könne.
Ferner hob sie hervor, dass die Verantwortlichen bemüht seien, die Kapazitäten zu erhöhen. So seien zwei „vorgefertigte“ Gerichtsgebäude in Rehoboth und Ohangwena eröffent worden, denen bald 15 weitere in anderen Ortschaften folgen sollten. Es hätten auch 32 Justizbeamte eine Fortbildung durchlaufen, von denen seither zwei als Vollzeitrichter und fünf als Ersatzrichter angestellt worden seien.
Darüber hinaus habe die Einführung verpflichtender Vermittlungsverfahren am Obergericht wesentliche Entlastung geschaffen. Dies gelte vor allem bei Zivilverfahren, die zuvor Kapazitäten von Richtern gebunden und das Obergericht „verstopft“ hätten. Durch das Schlichtungsangebot habe sich deren Falldichte inzwischen deutlich verringert, weil z.B. im vergangenen Jahr 644 Rechtsstreitigkeiten zur Schlichtung verwiesen worden seien, von denen 406 (oder 63 Prozent) im gegenseitigen Einvernehmen der Prozessparteien und ohne Intervention eines Richters gelöst worden seien.
Lastenteilung
Als „erheblichen Fortschritt“ bezeichnete der Vize-Staatssekretät Tousy Namiseb die Einrichtung eines Verkehrsgerichts in Windhoek, das den Arbeitsaufwand am Magistratsgericht der Hauptstadt deutlich verringert habe. Ferner kündigte er an, es bestünden „weit fortgeschrittene Pläne“ ein gesondertes Gewerbegericht einzusetzen, dass sich ausschließlich mit kommerziellen Disputen befassen und das Obergericht entlasten solle.
Ferner sei eine Gesetzgebung in Arbeit, die es ermöglichen solle, die Befugnisse von Regionalgerichten soweit zu erweitern, dass sich jene auch mit Scheidungsfällen und Zivilverfahren mit höherer Streitsumme befassen könnten. Vor allem Scheidungsverfahren würden eine große Belastung für das Obergericht darstellen, weil sie nicht in unterer Instanz entschieden werden könnten und hierzulande noch immer das Schuldprinzip gelte.
Scheidungsrecht
Aus diesem Grunde müsse einer der beiden Parteien dem anderen ein Fehlverhalten wie Ehebruch oder böswilliges Verlassen nachweisen, wofür eine mitunter zeitaufwändige Beweisführung notwendig sei. Dies könne jedoch in absehbarer Zukunft der Vergangenheit angehören, sobald eine angestrebte Reform des Scheidungsrechts in Kraft trete. Diese würde es entfremdeten Eheleuten ermöglichen, das Prinzip der Zerrüttung als Trennungsgrund zu nutzen ohne vor Gericht eine Schuldzuweisung betreiben und dem entfremdeten Partner mutmaßliche Verfehlungen nachweisen zu müssen.
Bei der Pressekonferenz waren auch der amtierende Hauptmagistrat, Harris Salionga, der für Unterhaltsfragen zuständige Leiter Innocent Kandandu und Magistratsrichterin Ingrid Unengu zugegen, die Informationen und Statistiken zu Themen wie Kautionsvergabe, häusliche Gewalt, Unterhaltspflicht und Schutzanordnung (Kontaktverbot) teilten. Mehr dazu morgen in der AZ.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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