Justiz wertet Pressefreiheit auf
Oberstes Gericht verteidigt Zeitung gegen Revisionsklage von Geheimdienst
Von Marc Springer, Windhoek
Hintergrund des wegweisenden Befunds vom Freitag ist eine Revisionsklage des namibischen Geheimdienstes (NCIS), die sich gegen ein Urteil von Richter Harald Geier vom Juni vergangenen Jahres richtet. Dieser war damals zu dem Ergebnis gelangt, die Zeitung „The Patriot“ habe nicht die vertrauliche Leistungsfähigkeit des NCIS thematisieren, sondern mögliche Korruption in dessen Reihen aufdecken wollen. Die entsprechende Recherche sei damit nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern die Veröffentlichung der dabei gewonnenen Erkenntnisse auch durch die Meinungs- und Pressefreiheit legitimiert.
Dementsprechend hatte Geier eine Unterlassungsklage des NCIS verworfen, der den „Patriot“ per einstweiliger Verfügung an der Veröffentlichung eines Berichts hindern wollte, wonach Mitglieder des Geheimdienstes bzw. deren Familienangehörigen zwei von der Regierung für 57 Millionen N$ erworbene und für Umsiedlungszwecke vorgesehene Farmen privat nutzen würden. Auslöser der Klage war eine Textnachricht, die der Patriot-Chefredakteur Mathias Haufiku an den NCIS-Direktor Benedictus Likando geschickt hatte.
Nationale Sicherheit
Darin hatte Haufiku den Geheimdienst-Chef um eine Stellungnahme zu Vorwürfen ersucht, denen zufolge der NCIS nicht nur die beiden Farmen sondern auch eine für angeblich 8,2 Mio. N$ erworbene Immobilie in Windhoek-West zweckentfremdet habe und zur Freizeitgestaltung für Mitglieder des Geheimdienstes bzw. deren Angehörigen verwenden würde. Darüber hinaus hatte Haufiku von Likando eine Reaktion auf Anschuldigungen erbeten, wonach der Geheimdienst einigen seiner ehemaligen und in einer zivilen Vereinigung organisierten Mitarbeiter ohne Zustimmung von Präsident Hage Geingob rund 1,1 Mio. N$ an Steuergeld überwiesen habe.
Der Geheimdienst hatte gegen die geplante Veröffentlichung dieser Anschuldigungen mit der Begründung geklagt, die angeblich vertraulichen Informationen würden die nationale Sicherheit Namibias gefährden, weil sie Rückschlüsse über die Kapazitäten des NCIS ermöglichen würden. Schließlich seien sowohl die beiden Farmen, als auch die Immobilie in Windhoek West Teil der Vermögenswerte des NCIS und wäre deren weitere Verwendung unmöglich, wenn ihr Standort und Verwendungszweck auch Staatsfeinden Namibias bekannt werde.
Geheimnisverrat
Diese Argumentation hatte Geier mit Hinweis darauf zurückgewiesen, der „Patriot“ habe nicht Geheimnisverrat begehen oder möglichen Staatsfeinden zuarbeiten, sondern angebliche Korruption in den Reihen des NCIS aufdecken wollen. Demnach werfe die Unterlassungsklage die Frage auf, ob der NCIS das Gebot der Geheimhaltung als Vorwand dafür habe missbrauchen wolle, „eventuell strafbares Verhalten zu kaschieren“. Ein derartiges Vorgehen könne in einem Rechtsstaat wie Namibia nicht geduldet werden, in dem Bürger das Recht hätten, „über das Verhalten öffentlicher Amtsträger informiert zu werden“.
Diese Schlussfolgerung hat das Oberste Gericht nun in einem von Vize-Oberichter Petrus Damaseb verfassten und seinen Kollegen Sylvester Mainga und Dave Smuts bestätigten Urteil mit Hinweis darauf bestätigt, es müsse ein konkreter Anlass dafür bestehen, die Pressefreiheit wegen sicherheitsrelevanter Bedenken einzuschränken. Diese Voraussetzung sei im aktuellen Fall nicht erfüllt, weil der Geheimdienst darauf verzichtet habe, in einer für die Öffentlichkeit geschlossenen Verhandlung zu begründen, warum die Nachforschungen des „Patriot“ die nationale Sicherheit gefährden würden.
Rechtsstaat
Weil dies nicht geschehen sei, habe der „Patriot“ bzw. dessen Anwalt Norman Tjombe, in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung sämtliche der Zeitung vorliegenden Erkenntnisse behandelt und dabei nicht nur den Namen der Farm Hartebeesteich Süd genannt, sondern auch die Lage der anderen Farm erwähnt und den Standort der Immobilie in Windhoek West offenbart. Weil diese Informationen anschließend von anderen Medien aufgegriffen worden und in den für interessierte Parteien frei zugänglichen Gerichtsunterlagen enthalten gewesen seien, hätten sie sich ihren Weg in die Öffentlichkeit gebahnt und seien dort in das Bewusstsein der Einwohner gedrungen.
Damit sei der vom NCIS befürchtete Schaden einer Veröffentlichung bereits eingetreten und ließe sich nicht rückgängig machen, weil bereits allgemein bekannte Informationen nicht mehr zur Verschlusssache erklärt werden könnten. Darüber hinaus hebt Damaseb hervor, es könne von der Justiz nicht verlangt werden, auf bloßes Geheiß des Geheimdienstes jedwede Information für vertraulich zu erklären, die jener für sicherheitsrelevant halte. Dies widerspreche „den Werten einer offenen und demokratischen Gesellschaft, die auf dem Grundsatz der Rechtstaatlichkeit aufgebaut ist“.
Ferner gibt Damaseb seinem Richter-Kollegen Geier dahingehend Recht, dass Haufiku „verantwortungsbewusst und integer“ vorgegangen sei, als er den NCIS um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten habe. Es könne folglich nicht die Rede davon sein, dass sich die verklagte Zeitung „rücksichtslos“ vertrauliche Informationen angeeignet und zur Veröffentlichung vorbereitet habe. Demnach müssen in diesem Fall die Pressefeit und der öffentliche Anspruch auf einen freien Fluss von Informationen schwerer wiegen, als eventuelle Bedenken des Geheimdienstes über eine mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit.
Hintergrund des wegweisenden Befunds vom Freitag ist eine Revisionsklage des namibischen Geheimdienstes (NCIS), die sich gegen ein Urteil von Richter Harald Geier vom Juni vergangenen Jahres richtet. Dieser war damals zu dem Ergebnis gelangt, die Zeitung „The Patriot“ habe nicht die vertrauliche Leistungsfähigkeit des NCIS thematisieren, sondern mögliche Korruption in dessen Reihen aufdecken wollen. Die entsprechende Recherche sei damit nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern die Veröffentlichung der dabei gewonnenen Erkenntnisse auch durch die Meinungs- und Pressefreiheit legitimiert.
Dementsprechend hatte Geier eine Unterlassungsklage des NCIS verworfen, der den „Patriot“ per einstweiliger Verfügung an der Veröffentlichung eines Berichts hindern wollte, wonach Mitglieder des Geheimdienstes bzw. deren Familienangehörigen zwei von der Regierung für 57 Millionen N$ erworbene und für Umsiedlungszwecke vorgesehene Farmen privat nutzen würden. Auslöser der Klage war eine Textnachricht, die der Patriot-Chefredakteur Mathias Haufiku an den NCIS-Direktor Benedictus Likando geschickt hatte.
Nationale Sicherheit
Darin hatte Haufiku den Geheimdienst-Chef um eine Stellungnahme zu Vorwürfen ersucht, denen zufolge der NCIS nicht nur die beiden Farmen sondern auch eine für angeblich 8,2 Mio. N$ erworbene Immobilie in Windhoek-West zweckentfremdet habe und zur Freizeitgestaltung für Mitglieder des Geheimdienstes bzw. deren Angehörigen verwenden würde. Darüber hinaus hatte Haufiku von Likando eine Reaktion auf Anschuldigungen erbeten, wonach der Geheimdienst einigen seiner ehemaligen und in einer zivilen Vereinigung organisierten Mitarbeiter ohne Zustimmung von Präsident Hage Geingob rund 1,1 Mio. N$ an Steuergeld überwiesen habe.
Der Geheimdienst hatte gegen die geplante Veröffentlichung dieser Anschuldigungen mit der Begründung geklagt, die angeblich vertraulichen Informationen würden die nationale Sicherheit Namibias gefährden, weil sie Rückschlüsse über die Kapazitäten des NCIS ermöglichen würden. Schließlich seien sowohl die beiden Farmen, als auch die Immobilie in Windhoek West Teil der Vermögenswerte des NCIS und wäre deren weitere Verwendung unmöglich, wenn ihr Standort und Verwendungszweck auch Staatsfeinden Namibias bekannt werde.
Geheimnisverrat
Diese Argumentation hatte Geier mit Hinweis darauf zurückgewiesen, der „Patriot“ habe nicht Geheimnisverrat begehen oder möglichen Staatsfeinden zuarbeiten, sondern angebliche Korruption in den Reihen des NCIS aufdecken wollen. Demnach werfe die Unterlassungsklage die Frage auf, ob der NCIS das Gebot der Geheimhaltung als Vorwand dafür habe missbrauchen wolle, „eventuell strafbares Verhalten zu kaschieren“. Ein derartiges Vorgehen könne in einem Rechtsstaat wie Namibia nicht geduldet werden, in dem Bürger das Recht hätten, „über das Verhalten öffentlicher Amtsträger informiert zu werden“.
Diese Schlussfolgerung hat das Oberste Gericht nun in einem von Vize-Oberichter Petrus Damaseb verfassten und seinen Kollegen Sylvester Mainga und Dave Smuts bestätigten Urteil mit Hinweis darauf bestätigt, es müsse ein konkreter Anlass dafür bestehen, die Pressefreiheit wegen sicherheitsrelevanter Bedenken einzuschränken. Diese Voraussetzung sei im aktuellen Fall nicht erfüllt, weil der Geheimdienst darauf verzichtet habe, in einer für die Öffentlichkeit geschlossenen Verhandlung zu begründen, warum die Nachforschungen des „Patriot“ die nationale Sicherheit gefährden würden.
Rechtsstaat
Weil dies nicht geschehen sei, habe der „Patriot“ bzw. dessen Anwalt Norman Tjombe, in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung sämtliche der Zeitung vorliegenden Erkenntnisse behandelt und dabei nicht nur den Namen der Farm Hartebeesteich Süd genannt, sondern auch die Lage der anderen Farm erwähnt und den Standort der Immobilie in Windhoek West offenbart. Weil diese Informationen anschließend von anderen Medien aufgegriffen worden und in den für interessierte Parteien frei zugänglichen Gerichtsunterlagen enthalten gewesen seien, hätten sie sich ihren Weg in die Öffentlichkeit gebahnt und seien dort in das Bewusstsein der Einwohner gedrungen.
Damit sei der vom NCIS befürchtete Schaden einer Veröffentlichung bereits eingetreten und ließe sich nicht rückgängig machen, weil bereits allgemein bekannte Informationen nicht mehr zur Verschlusssache erklärt werden könnten. Darüber hinaus hebt Damaseb hervor, es könne von der Justiz nicht verlangt werden, auf bloßes Geheiß des Geheimdienstes jedwede Information für vertraulich zu erklären, die jener für sicherheitsrelevant halte. Dies widerspreche „den Werten einer offenen und demokratischen Gesellschaft, die auf dem Grundsatz der Rechtstaatlichkeit aufgebaut ist“.
Ferner gibt Damaseb seinem Richter-Kollegen Geier dahingehend Recht, dass Haufiku „verantwortungsbewusst und integer“ vorgegangen sei, als er den NCIS um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten habe. Es könne folglich nicht die Rede davon sein, dass sich die verklagte Zeitung „rücksichtslos“ vertrauliche Informationen angeeignet und zur Veröffentlichung vorbereitet habe. Demnach müssen in diesem Fall die Pressefeit und der öffentliche Anspruch auf einen freien Fluss von Informationen schwerer wiegen, als eventuelle Bedenken des Geheimdienstes über eine mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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