„Kapana” - Zwischen Drama, Komödie und Aufklärung
„Es ist eine romantische Komödie über zwei Menschen, die sich ineinander verlieben und sich entscheiden müssen, wo ihre Begegnung hinführen soll”, fasst Philippe Talavera, der Regisseur der Windhoeker Filmproduktion Kapana im AZ-Interview zusammen. Von seichter Romantik kann in dem international erfolgreichen Streifen, dessen Titel auf den Kapana-Fleischmarkt in Katutura verweist, aber nicht die Rede sein.
Der Versicherungsmakler George (Adriano Visagie) trifft in einer Bar in der Innenstadt Windhoeks auf den Kapana-Verkäufer Simeon (Simon Hanga) - sie werfen sich tiefe Blicke zu, lächeln sich schüchtern an. Kurz: Die Funken fliegen. Und doch im Geheimen, denn erst außerhalb der Bar kommt es zu Annäherungen. Während George offen als schwuler Mann lebt, hält Simeon seine sexuelle Orientierung geheim und steckt in einem Umfeld, in welchem Homosexuelle offen diskriminiert werden. Es prallen zwei Welten aufeinander und trotzdem verlieben sich die beiden Männer. Doch die Liebe erlebt nach jedem Hoch ein Tief, denn während Simeon damit ringt, sich in der Öffentlichkeit zu outen, lebt auch George mit einem Geheimnis: Er ist seit Jahren HIV positiv.
Die Charaktere kämpfen gedanklich mit sich selbst, sie hadern mit ihren eigenen Unsicherheiten, ihren Geheimnissen, mit den Wertungen der sie umgebenden Gesellschaft, mit der Frage, was eine Liebe aushalten muss. Sich zur Zuneigung bekennen, zu sich selbst stehen und sich einer anderen Person gegenüber öffnen - Hürden, die alle zwischenmenschlichen Beziehungen wohl ausmachen. Dabei sei es im Film nicht wichtig, ob es sich um zwei Männer, zwei Frauen oder einen Mann und eine Frau handelt, so Talavera. „Schlussendlich ist es eine Geschichte von zwei Menschen. Und diese zwei Menschen haben Geheimnisse wie jeder andere auch.” Die Geschichte soll realistisch sein und dem Publikum Identifikationspotential liefern, ergänzt der Regisseur.
„Die Gesellschaft ist aufgeschlossener als wir glauben”
Intime Szenen im Bett, erotische Berührungen im engen Auto und verlangende Blicke zwischen den Hauptcharakteren sind filmische Bilder, die beinahe in jeder internationalen Filmproduktion eine Rolle spielen. Mit dem Drehbuch von Kapana, das von zwei namibischen Autorinnen (Mikiros Garoes und Senga Brockerhoff) geschrieben wurde, lehnt sich das Filmteam aus dem Fenster und zeigt trotz geltendem „Sodomie-Gesetz” in Namibia homosexuelles Begehren. „Als wir mit dem Projekt begannen, dachten viele Leute in Namibia, es sei gefährlich, weil die Menschen nicht bereit wären für einen solchen Film”, gibt Talavera zu bedenken. Doch er verweist auf die positive Reaktion der Zuschauerinnen und Zuschauer in Windhoek nach den Kinoabenden im vergangenen Jahr: „Das Publikum ist tatsächlich aufgeschlossener, als wir denken.” Allerdings sei diese Annahme nicht zu verallgemeinern: Es wurde bemerkt, dass Filmfestivals im Ausland, wo Homosexualität nicht kriminalisiert ist, Kapana deutlich öfter ins Programm aufgenommen haben, als es im afrikanischen Raum der Fall war.
Konservierter Bildungsauftrag
Der Film Kapana geht auf die Initiative der „Ombetja Yehinga Organisation” (OYO), deren Gründer Philippe Talavera ist, zurück. Kerngedanke der Organisation ist seit ihrer Gründung 2001 das Übersetzen brennender gesellschaftlicher Themen in Kunstformen, um damit die Jugend zu erreichen. Dabei haben die Bemühungen auch einen Bildungsauftrag - in Form von Tanz, Theater, Film oder Fotografie werden Themen wie GBV, HIV-Übertragung oder Kinderrechte aufgegriffen. In Kapana betrifft dieser Bildungsgedanke den Umgang mit der Krankheit HIV in schwulen Beziehungen - beispielsweise wird das Prophylaxe-Medikament PrEP gezeigt, das vorbeugend eingenommen werden kann.
Kapana wurde nicht zufällig als Bewegtbild erzählt, die erste schwule Liebesgeschichte Namibias sollte dauerhaft abgerufen werden können. „Wäre es ein Theaterstück oder gar eine Ausstellung gewesen, wäre es etwas Einmaliges geblieben”, meint Talavera und verweist darauf, dass Manche auch die Möglichkeit brauchen, selbst zu entscheiden, wann sie sich LGBTQI+-Belangen im Kino zuwenden: „Das ist das Schöne am Film: Wenn sie die Thematik stört, dann schauen sie ihn nicht und in zwei oder drei Jahren, wenn sie sich dafür bereit fühlen, können sie ihn sich immer noch ansehen.”
Liebesgeschichte als Politikum
Nach dem internationalen Erfolgsgaranten „Call me by your name” (2017) und dem Hollywoodfilm „Brokeback Mountain” (2005) haben sich schwule Paarbeziehungen bis in den Mainstream der Kinobranche vorgekämpft, doch in Afrika fehle es noch an Offenheit für queere, also nicht heterosexuelle, Liebesbeziehungen in der Filmszene, so Talavera. Ob zwei schwule Männer als Protagonisten immer als politische Kritik gedeutet werden könnten, sieht der studierte Biologe differenziert: „Das hängt sehr stark vom Kontext ab. Ich denke, in Namibia ist eine schwule Liebesgeschichte politisch relevant. Weil man ein Stigma anspricht und es eine Möglichkeit ist, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu entkriminalisieren. Hier ist es also der Kontext, der es politisch macht, nicht die Geschichte selbst.”
Internationaler Erfolg
Kapana wurde seit seiner Veröffentlichung im Sommer 2020 auf vier Kontinenten gezeigt: In Europa, Amerika, Australien und selbstverständlich in Afrika. 16 Filmfestivals haben Kapana bisher ihrem Publikum vorgestellt, zuletzt waren es Veranstaltungen in Österreich, Peru und Kanada. Der Film wird in Namibia als Meilenstein für die LGBTQI+-Gemeinde gefeiert, soll aber im Ausland Bewusstsein für Privilegien schaffen: „Wir wollen daran zu erinnern, dass nicht jeder in einem Land lebt, in dem es in Ordnung ist, schwul zu sein, in dem es in Ordnung ist, lesbisch zu sein, wo man seinen gleichgeschlechtlichen Partner heiraten und gemeinsame Kinder haben kann. Nur weil es die eigene Realität ist, ist es nicht die Realität von allen.”
Kapana ist ein lokaler Film aus Windhoek, spielt auf Originalschauplätzen und trägt seine Botschaft doch weit in die Welt hinaus: Auszeichnungen wie „Bester internationaler Film”, „Beste Produktion” oder die Ehrung für die beste schauspielerische Leistung (Adriano Visagie) wurden bereits gefeiert. Das alles, ohne jemals ins Ausland zu einem der Festivals gereist zu sein, bedauert Talavera. Er hofft, dass sich das nach den COVID-Einschränkungen wieder ändert - denn gerade der Kontakt zum Publikum, die direkten Rückmeldungen auf die entworfene Geschichte und der gemeinsame Austausch machen das Filmschaffen für ihn erst aus. Sobald es Lockerungen der Restriktionen gibt, soll der Film auch in Windhoek und anderen Winkeln des Landes wieder gezeigt werden.
Der Versicherungsmakler George (Adriano Visagie) trifft in einer Bar in der Innenstadt Windhoeks auf den Kapana-Verkäufer Simeon (Simon Hanga) - sie werfen sich tiefe Blicke zu, lächeln sich schüchtern an. Kurz: Die Funken fliegen. Und doch im Geheimen, denn erst außerhalb der Bar kommt es zu Annäherungen. Während George offen als schwuler Mann lebt, hält Simeon seine sexuelle Orientierung geheim und steckt in einem Umfeld, in welchem Homosexuelle offen diskriminiert werden. Es prallen zwei Welten aufeinander und trotzdem verlieben sich die beiden Männer. Doch die Liebe erlebt nach jedem Hoch ein Tief, denn während Simeon damit ringt, sich in der Öffentlichkeit zu outen, lebt auch George mit einem Geheimnis: Er ist seit Jahren HIV positiv.
Die Charaktere kämpfen gedanklich mit sich selbst, sie hadern mit ihren eigenen Unsicherheiten, ihren Geheimnissen, mit den Wertungen der sie umgebenden Gesellschaft, mit der Frage, was eine Liebe aushalten muss. Sich zur Zuneigung bekennen, zu sich selbst stehen und sich einer anderen Person gegenüber öffnen - Hürden, die alle zwischenmenschlichen Beziehungen wohl ausmachen. Dabei sei es im Film nicht wichtig, ob es sich um zwei Männer, zwei Frauen oder einen Mann und eine Frau handelt, so Talavera. „Schlussendlich ist es eine Geschichte von zwei Menschen. Und diese zwei Menschen haben Geheimnisse wie jeder andere auch.” Die Geschichte soll realistisch sein und dem Publikum Identifikationspotential liefern, ergänzt der Regisseur.
„Die Gesellschaft ist aufgeschlossener als wir glauben”
Intime Szenen im Bett, erotische Berührungen im engen Auto und verlangende Blicke zwischen den Hauptcharakteren sind filmische Bilder, die beinahe in jeder internationalen Filmproduktion eine Rolle spielen. Mit dem Drehbuch von Kapana, das von zwei namibischen Autorinnen (Mikiros Garoes und Senga Brockerhoff) geschrieben wurde, lehnt sich das Filmteam aus dem Fenster und zeigt trotz geltendem „Sodomie-Gesetz” in Namibia homosexuelles Begehren. „Als wir mit dem Projekt begannen, dachten viele Leute in Namibia, es sei gefährlich, weil die Menschen nicht bereit wären für einen solchen Film”, gibt Talavera zu bedenken. Doch er verweist auf die positive Reaktion der Zuschauerinnen und Zuschauer in Windhoek nach den Kinoabenden im vergangenen Jahr: „Das Publikum ist tatsächlich aufgeschlossener, als wir denken.” Allerdings sei diese Annahme nicht zu verallgemeinern: Es wurde bemerkt, dass Filmfestivals im Ausland, wo Homosexualität nicht kriminalisiert ist, Kapana deutlich öfter ins Programm aufgenommen haben, als es im afrikanischen Raum der Fall war.
Konservierter Bildungsauftrag
Der Film Kapana geht auf die Initiative der „Ombetja Yehinga Organisation” (OYO), deren Gründer Philippe Talavera ist, zurück. Kerngedanke der Organisation ist seit ihrer Gründung 2001 das Übersetzen brennender gesellschaftlicher Themen in Kunstformen, um damit die Jugend zu erreichen. Dabei haben die Bemühungen auch einen Bildungsauftrag - in Form von Tanz, Theater, Film oder Fotografie werden Themen wie GBV, HIV-Übertragung oder Kinderrechte aufgegriffen. In Kapana betrifft dieser Bildungsgedanke den Umgang mit der Krankheit HIV in schwulen Beziehungen - beispielsweise wird das Prophylaxe-Medikament PrEP gezeigt, das vorbeugend eingenommen werden kann.
Kapana wurde nicht zufällig als Bewegtbild erzählt, die erste schwule Liebesgeschichte Namibias sollte dauerhaft abgerufen werden können. „Wäre es ein Theaterstück oder gar eine Ausstellung gewesen, wäre es etwas Einmaliges geblieben”, meint Talavera und verweist darauf, dass Manche auch die Möglichkeit brauchen, selbst zu entscheiden, wann sie sich LGBTQI+-Belangen im Kino zuwenden: „Das ist das Schöne am Film: Wenn sie die Thematik stört, dann schauen sie ihn nicht und in zwei oder drei Jahren, wenn sie sich dafür bereit fühlen, können sie ihn sich immer noch ansehen.”
Liebesgeschichte als Politikum
Nach dem internationalen Erfolgsgaranten „Call me by your name” (2017) und dem Hollywoodfilm „Brokeback Mountain” (2005) haben sich schwule Paarbeziehungen bis in den Mainstream der Kinobranche vorgekämpft, doch in Afrika fehle es noch an Offenheit für queere, also nicht heterosexuelle, Liebesbeziehungen in der Filmszene, so Talavera. Ob zwei schwule Männer als Protagonisten immer als politische Kritik gedeutet werden könnten, sieht der studierte Biologe differenziert: „Das hängt sehr stark vom Kontext ab. Ich denke, in Namibia ist eine schwule Liebesgeschichte politisch relevant. Weil man ein Stigma anspricht und es eine Möglichkeit ist, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu entkriminalisieren. Hier ist es also der Kontext, der es politisch macht, nicht die Geschichte selbst.”
Internationaler Erfolg
Kapana wurde seit seiner Veröffentlichung im Sommer 2020 auf vier Kontinenten gezeigt: In Europa, Amerika, Australien und selbstverständlich in Afrika. 16 Filmfestivals haben Kapana bisher ihrem Publikum vorgestellt, zuletzt waren es Veranstaltungen in Österreich, Peru und Kanada. Der Film wird in Namibia als Meilenstein für die LGBTQI+-Gemeinde gefeiert, soll aber im Ausland Bewusstsein für Privilegien schaffen: „Wir wollen daran zu erinnern, dass nicht jeder in einem Land lebt, in dem es in Ordnung ist, schwul zu sein, in dem es in Ordnung ist, lesbisch zu sein, wo man seinen gleichgeschlechtlichen Partner heiraten und gemeinsame Kinder haben kann. Nur weil es die eigene Realität ist, ist es nicht die Realität von allen.”
Kapana ist ein lokaler Film aus Windhoek, spielt auf Originalschauplätzen und trägt seine Botschaft doch weit in die Welt hinaus: Auszeichnungen wie „Bester internationaler Film”, „Beste Produktion” oder die Ehrung für die beste schauspielerische Leistung (Adriano Visagie) wurden bereits gefeiert. Das alles, ohne jemals ins Ausland zu einem der Festivals gereist zu sein, bedauert Talavera. Er hofft, dass sich das nach den COVID-Einschränkungen wieder ändert - denn gerade der Kontakt zum Publikum, die direkten Rückmeldungen auf die entworfene Geschichte und der gemeinsame Austausch machen das Filmschaffen für ihn erst aus. Sobald es Lockerungen der Restriktionen gibt, soll der Film auch in Windhoek und anderen Winkeln des Landes wieder gezeigt werden.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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