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Kein Konsens zur Kolonialfrage

Berlin/Windhoek - Am 30. Mai 2011 hatte die Linke der Bundesregierung in einer so genannten Kleinen Anfrage 23 Fragen zu folgendem Themenkomplex gestellt: Genozidfrage, Rückführung von Schädeln nach Namibia, die während der Kolonialzeit zu Forschungszwecken nach Deutschland verschifft worden waren, und Reparation für Kolonialverbrechen (AZ berichtete). Die Bundesregierung hat durch Cornelia Piper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, der Linken am 10. Juni 2011 ausführlich geantwortet, aber die Erwartung der Linken nicht erfüllt. Die Kleine Anfrage war von den Abgeordneten Niema Movassat, Sevim DaÄ?delen, Annette Groth und Anderen der Fraktion Die Linke eingereicht worden.
Die Antworten der Bundesregierung auf die 23 Fragen lassen sich alle aus der amtlichen Stellungnahme zur Kernfrage nach der Definition und Anwendung des Begriffes "Völkermord" ableiten. Die Linke wollte an erster Stelle wissen, inwieweit die Bundesregierung "die Meinung der meisten Fachhistoriker und der Bundesministerin a.D. Heidemarie Wieczorek-Zeul" teilt, "dass das Vorgehen der deutschen Seite gegen die Herero und Nama/Damara im damaligen Deutsch-Südwestafrika der völkerrechtlichen Definition von Genozid durch die Völkerrechtskonvention entspricht". Die Antwort der Bundesregierung auf diese Frage lautet: "Die Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords ist am 12. Januar 1951 - für die Bundesrepublik Deutschland am 22. Februar 1955 - in Kraft getreten. Sie gilt nicht rückwirkend. Die Bundesregierung hat sich wiederholt zu der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands gegenüber der Republik Namibia bekannt. Der Deutsche Bundestag hat dies u-a. in seinen Entschließungen vom April 1989 und Juni 2004 bekräftigt. Die Bundesregierung kommt dieser Verantwortung insbesondere durch eine verstärkte bilaterale Zusammenarbeit - auch auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit - nach."
Die Linke wollte direkt im Anschluss wissen, inwieweit die Bundesregierung die Auffassung der Linken teilt, "dass es ein problematischer Euphemismus ist, wenn statt von Völkermord im ehemaligen DSWA lediglich, von der besonderen historischen Verantwortung' gegenüber Namibia gesprochen wird". Außerdem verlangt Die Linke Auskunft, ob sich die Bundesregierung im Rahmen der geplanten Rückführung der - bislang 20 identifizierten - Schädel "zu dem von der ,deutschen Schutztruppe` verübten Völkermord bekennen" wird. Die Bundesregierung lässt sich bei den letzteren beiden Fragen auf keine Diskussion ein, sondern verweist die Linke auf die oben stehende Antwort auf Frage 1. Auch mehrere andere Fragen der Linken werden durch geraffte Antworten der Bundesregierung bedient, so zum Beispiel die Frage, ob die Bundesregierung mit deutschen Unternehmen einen Sonderfonds für "Kompensationsleistungen für Kolonialverbrechen" einzurichten gedenke. Die Bundesregierung antwortet: "Kompensationsleistungen, auch durch Fonds, die von der Bundesregierung und deutschen Unternehmen gespeist würden, sind nicht geplant ... Entsprechend dem Wunsch der namibischen Regierung unterhält die Bundesregierung kein Sonderbeziehungen zu einzelnen Volksgruppen."
Dazu Niema Movassat, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen
Bundestags: "Mit ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zur Rückführung der Gebeine von Opfern deutscher Kolonialverbrechen nach Namibia macht die Bundesregierung deutlich, dass ihr an einer echten und ehrlichen Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit nicht gelegen ist. Ja, sie fällt sogar hinter die ohnehin schon problematische Haltung ihrer Vorgängerregierungen zurück." Den Linken dränge sich der "makabre Eindruck auf, als sollten hier Leichen möglichst geräuschlos aus dem Keller geschafft werden, ohne dass sich dieses Land dabei ohne Wenn und Aber seiner schmutzigen Vergangenheit stellt".
Der vollständige Text der Kleinen Anfrage und die Antwort der Bundesregierung auf der AZ-Webseite (www.az.com.na) ist unter diesem Beitrag einzusehen.


Lesen: KA Nr. 17-6011, DIE LINKE">

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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