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Klagelieder aus einer anderen Welt

Dhafer Youssef und Band haben eine Menge Technik auf der Bühne stehen. Da sind Laptops neben Gitarre, Bass und Schlagzeug eingestöpselt, und die Musiker spielen auf den Computern fast genauso viel wie auf ihren Instrumenten. Dhafer Youssef ist Avantgardist. Er kombiniert auf ganz faszinierende Weise elektronische mit akustischen Klängen, fast jedes Stück klingt nach einem neuen, aufregenden Experiment. Doch das Spannendste an seinem Konzert ist und bleibt das ureigentliche Instrument: seine Stimme.

Nasal und sphärisch klingt es, wenn Dhafer Youssef zum Singen anhebt. Sein Mund formt keine Worte, und doch spricht der Gesang Bände. Es sind abstrakte Klagelieder, die ertönen, zu einem vollen, durchdringenden Klang anschwellen, dann in ungeahnt ekstatische Höhen klettern. Dhafer Youssefs Gesang ist ein bisschen wie eine Offenbarung, er lässt den Zuhörer geläutert zurück.

Und dann ist da natürlich noch sein Oud-Spiel. Der Oud ist eine Kurzhalslaute, die ihre Ursprünge im Mittelmeerraum und Nahen Osten hat. Als Vorläufer der europäischen Laute kam der Oud durch die Mauren in Andalusien wie auch über heimkehrende Kreuzfahrer nach Europa. Für Youssef war der Oud das erste Instrument, das er kennen und spielen lernte. Als eines von acht Kindern wuchs er in ärmlichen Verhältnissen in einem Fischerdorf Tunesiens auf. Für Instrumente geschweige denn Musikunterricht hatte die Familie kein Geld, und Dhafer bastelte sich seine erste Oud aus Materialien, die er am Strand gefunden hatte.

Der Rest klingt wie die Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte. Mit 19 Jahren kam Dhafer Youssef nach Wien, mit Tellerwaschen und Fensterputzen ermöglichte er sich die Erfüllung seines innigsten Traumes: Musik zu machen. Heute zählt er zu den großen Avantgardisten der europäischen Musik - und bezeichnet Europa, nicht Afrika, jetzt als seine Heimat. Denn, sagt Dhafer Youssef, "meine Kreativität ist in Europa, und wo immer sie ist, dort bin ich zu Hause."

Am Dienstag schien sein Zuhause das Warehouse Theatre zu sein. Ein außerordentlich inspirierendes Konzert für musikhungrige Seelen!

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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