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Kleines Geschäft mit großer Geschichte: Adler Apotheke wird 110

Wiebke Schmidt
Fast lassen sich die unzähligen Geschichten, Erinnerungen und historischen Ereignisse über das kleine Geschäft in der Sam-Nujoma-Straße kaum zu Papier bringen. Ein Aspekt ragt jedoch besonders heraus: Seit ihrer Eröffnung vor mehr als 110 Jahren hat sich der Standort der Apotheke nie geändert. Wohl aber das Aufgabengebiet der Belegschaft: „Wir sind mehr als nur Apotheker. Wir sind Seelsorger und Köche“, schmunzelt Inhaberin Marion Huber im Gespräch mit der AZ. Ihre linke Hand Ingrid Lohmann fügt stolz hinzu: „Und ab und zu auch Psychologen.“

Die Adler Apotheke wurde am 16. März 1909 von Apotheker Emil Kiewitt eröffnet, nachdem die Apotheke des Militärlazaretts geschlossen worden war. Die Genehmigung musste Herr Kiewitt damals vom Deutschen Kaiserreich erhalten und so wurde dies entsprechend im Kolonialblatt angekündigt - so auch die Preise: „Die Rezepturpreise sind die doppelten der jeweils in Deutschland geltenden Arzneitaxe“, lautet der Eintrag. Damals war zudem jede Apotheke dazu verpflichtet, über einen Keller zu verfügen, wie es in Deutschland üblich war. Aus diesem Grund besitzt die Adler Apotheke auch heute noch tatsächlich ein Untergeschoss, was bei Swakopmunder Bauten zur Seltenheit gehört.

Nach 20 Jahren im Dienst wurde die Apotheke im Jahr 1929 von Gerd Böhlke übernommen, der insgesamt 49 Jahre lang die Bewohner des Küstenortes mit Medikamenten versorgte. In dieser Zeit machte sich Herr Böhlke auch über die Stadtgrenzen hinaus einen treuen Namen, wobei er stets 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche im Dienst war. Denn: Er wohnte in dem Apartment direkt über der Apotheke. Auch wenn ein Bewohner mal zur späten Stunde anklopfte, stand Herr Böhlke mit Rat und Tat zur Seite. „Wir besitzen noch immer verschiedene Rezepte von ihm und einige davon mischen wir auch heute noch an“, erklärt Frau Huber. Zu Herrn Böhlkes Zeit kam einst auch ein ganz besonderer Gast: Ein Pferd besuchte die Apotheke stand plötzlich vor ihm. „Es war anscheinend nicht einfach, das Pferd wieder aus dem Laden zu locken“, lacht Frau Lohmann.

1978 trat Herr Böhlke in den Ruhestand und verkaufte die Apotheke an Frau Lohmann. Das Geschäft wurde renoviert und der Großteil der historischen Innenausstattung und des Zubehörs wurde dem Swakopmunder Museum gespendet - dort genießen die Geschenke bis heute einen festen Standort. Vier Jahre später übernahm Martin Coetzee das Geschäft, bis am 16. Juni 1986 schließlich Frau Huber die Apotheke erwarb. „In zwei Monaten Feier ich mein 33. Jahr hier“, sagt sie und schaut sich um: „Das ist wie mein Zuhause.“

Während Frau Hubers Zeit hat sich so einiges in der Apotheke geändert. Früher waren die Rezepte auf Karteikarten notiert und Anweisungen wurden auf der Schreibmaschine getippt. Heute ist alles elektronisch und wird mit dem PC erfasst. Und während das Abmessen, Mischen und Rühren von Medikamenten früher mehr Zeit in Anspruch genommen hatten, wird diese nun den Kunden gewidmet. „Genau deshalb sind wir auch Seelsorger“, sagt Frau Lohmann.

Das ist aber einfacher gesagt als getan, da dafür ein gewisses Fingerspitzengefühl notwendig ist. „Unsere Aufgabe besteht darin, für den Kunden da zu sein, ihn richtig zu beraten und dann zu motivieren, zum Arzt zu gehen, wenn es wirklich nötig ist“, erklärt Frau Lohmann weiter, während Frau Huber schnell hinzufügt: „Genau deshalb versuchen wir uns durch guten Kundendienst auszuzeichnen.“

Und welche Höhepunkte haben Sie in Ihren 33 Jahren hinter der Theke erlebt? „Es ist jedes Mal ein Höhepunkt, wenn ich einer Person zur Genesung verholfen habe“, sagt Frau Huber stolz. Denn: „Ich liebe es, wenn ich etwas bewegen konnte.“

Gibt es für das alte Geschäft große Zukunftspläne? Zurzeit nicht. „Wichtig ist, einmal tief Luft zu holen und einfach weiterzumachen. Wir nehmen jeden Tag wie er kommt“, sagt sie und zieht einen Kugelschreiber aus ihrer weißen Kitteltasche. Früher war es wie bei Ärzten die Norm, dass Apotheker eine weißen Kittel tragen. „Das machen heute leider die wenigsten. Es ist aber eine Tradition“, sagt sie abschließend.

Erwin Leuschner

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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