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Koloniale Bürde

Es gibt Orte, da ist die Lage so verzweifelt, dass selbst fragwürdige Helfer
willkommen sind.

In Liberia soll nun eine Truppe westafrikanischer Staaten


das Morden beenden. Die Friedenssoldaten aus Nigeria und anderen Staaten


sind keine Verfechter von Demokratie und Menschenrechten. Oft genug sind sie


in der Vergangenheit bei ihren Einsätzen selbst zur Konfliktpartei geworden


und haben bei Krisen, die sie eigentlich beenden sollten, noch Öl ins Feuer


gegossen. Und auch in Liberia sind Nachbarstaaten wie Guinea und die


Elfenbeinküste längst direkt in den Bürgerkrieg verwickelt. Dennoch sind die


nun eingetroffenen nigerianischen Soldaten für das zerstörte Land und für


die ganze Region ein erster Lichtblick. Denn sie könnten verhindern, dass


die Kämpfe in Liberia unentwegt weitergehen und womöglich einen Flächenbrand


in ganz Westafrika auslösen.


Während Liberia ausblutete, wartete das Ausland ab, bevor es sich nach der


Elfenbeinküste und dem Kongo in einen weiteren afrikanischen Konflikt


einschaltet. Die Entscheidung, in Liberia zu intervenieren, fällt


US-Präsident Bush vor allem deshalb so schwer, weil die Amerikaner noch


immer unter dem Trauma des gescheiterten Einsatzes 1993 in Somalia stehen.


Auch sind in Liberia keine strategischen Interessen bedroht. Es gibt also,


wenn überhaupt, nur einen moralisch-historischen Grund zur Intervention:


Liberia wurde von Amerika für befreite Sklaven gegründet.


Wie die Amerikaner stehen auch die nun eingetroffenen ersten Friedenstruppen


aus Westafrika vor einem Dilemma: Sie werden von allen Seiten zum


unverzüglichen Einsatz an der Kriegsfront gedrängt. Dabei geht es den


Konfliktparteien in Liberia fast ausnahmslos um Plünderung und Mord. Was ist


das Ziel der Intervention? Sollte die Lurd


(Liberians United for Reconciliation and Democracy) die Macht übernehmen


oder gar von der Bevölkerung aus Mangel an Alternativen


gewählt werden, sind Vergeltungsmaßnahmen fast garantiert.


In der Vergangenheit haben sich afrikanische Friedensstifter in fast allen


Konflikten als parteiisch erwiesen oder als unzulänglich wegen ihrer


schlechten Ausbildung und Moral. Ihre Präsenz hat die Konflikte oft noch


geschürt. Eine schnelle Lösung der vertrackten Lage in Liberia ist deshalb


ebenso wenig zu erwarten wie zuvor im Kongo. Zur Beilegung afrikanischer


Kriege und Krisen braucht es einen langen Atem - und ein entsprechend


langfristiges und robustes Mandat.


Dies ist auch der Grund, weshalb Amerika auf Dauer in Liberia wird eingreifen müssen -nicht weil es eine besondere Verantwortung für die Lage dort trägt, sondern weil Afrika sich auch dort nicht selber helfen kann.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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