Koos Pretorius macht sich Luft
Die Memoiren von Dirk Mudge, Adv. Bryan O´Linn werden jetzt durch beachtliche Erinnerungen eines weiteren Altpolitikers ergänzt. Koos Pretorius veröffentlicht mit „Suidwes-Afrika na Namibië - ´n Politieke Bosoorlog“ in erstaunlicher Offenheit sein autobiographisches politisches Zeugnis, in Afrikaans. Er war der letzte Führer der weißen Nationalen Partei (NP) von Namibia, die nach südafrikanischer Prägung konsequent an der Praxis und Ideologie der Rassentrennung/Apartheid festhielt, dann jedoch mit der Unabhängigkeit 1990 verschwunden ist. Nacheinander hatte die NP ab 1990 noch zwei politische Versuche unter anderen Namen lanciert: Aksie Christelik Nasionaal (ACN) und schließlich MAG (Monitor Aksie-Groep) konnten noch ein, zwei Sitze in der Nationalversammlung behaupten. Bei der jüngsten Wahl im November 2014 ist MAG aber wie 2009 erneut auf der Strecke geblieben.
Werdegang
Pretorius schildert seinen Werdegang und sein politisches Empfinden detailliert im Wandel der Verhältnisse.
Seine Aufzeichnungen und Erwägungen im Rahmen seines Dogma sind dazu geeignet, die Person Pretorius aus ungeschminkter Nähe besser kennen zu lernen und den Anlauf auf die Unabhängigkeit Namibias aus der Sicht der Nationalen Partei und ihres Führers (1981 bis zum Ende der NP 1989) zu begleiten. Störend bei der Lektüre ist die oft ungekürzte Wiedergabe eigener Reden vor dem weißen Landesrat (Administration für Weiße), bei denen - abgesehen von stellenweise lähmender Langatmigkeit - für den Leser nicht einmal die total überflüssig wiederholten Anreden „Mnr die Voorsitter“ herausredigiert wurden. Pretorius, der während seiner langen politischen Laufbahn zu Zeiten des weißen Landesrates gern aus seiner Magisterthese über das ehemalige Südwestafrika und das Völkerbundsmandat zitiert hat (und dies auch häufig in seinen Memoiren tut), preist das vorliegende Buch als Quelle für Studenten an. Er schließt sein autobiographisches Werk mit einer Laudatio auf seine eigene Person ab, die der ehemalige Erziehungsdirektor für Weiße, D.P.J. Opperman, mit größter Hochachtung verfasst hat. Der Leser fragt sich, welchem Zweck eine derartige Anpreisung dienen soll.
Pretorius wollte ursprünglich Geistlicher (Dominee) werden, ist aber dem Ruf in die Politik gefolgt. Es gibt eine Analogie: der frühere Chefredakteur der Tageszeitung Republikein, Dr. Jans Spies, studierte bereits Theologie, als ihm das geistliche Klima damals zu eng wurde und er auf Afrikaans-Nederlands umsattelte und schließlich Journalist wurde, weit entfernt vom Dogma der NP.
Das zentrale Anliegen, das Pretorius zur Doktrin erhoben hat, ist die Auffassung, dass die Selbstbestimmung der Bevölkerung allein über ihre ethnische Gruppen-, bzw. Rassenzugehörigkeit ausgeübt werden könne und müsse. Das reimt sich mit der Gesellschaftsstruktur und Ideologie der Apartheid, ein Begriff, den Pretorius in seinen Memoiren so gut wie nie benutzt. Die Selbstbestimmung über die Gruppenzugehörigkeit steht im starken Widerspruch zur Selbstbestimmung auf der Grundlage universellen, individuellen Wahlrechts (one man, one vote), das in Namibia zum ersten Mal im Dezember 1978 und seit November 1989 bei jeder allgemeinen Wahl befolgt wurde.
Ethnisch-rassisches Gruppenwahlrecht
Pretorius´ Memoiren handeln über weite Passagen darüber, wie das abgegrenzte ethnisch-rassische Gruppenwahlrecht, das den Weißen bis März 1990, zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit, tatsächlich noch exklusive unantastbare Vorteile gebracht hatte, durch das universelle individuelle Wahlrecht „verloren gegangen“ sei. Dabei nimmt er drei prominente politische Zeitgenossen mit dem Vorwurf aufs Korn, dass sie mit der Fürsprache für das universelle Wahlrecht „die Weißen“, wenn nicht verraten, so doch ausverkauft hätten. Seiten lang rechnet er so mit dem DTA-Gründer und Politiker Dirk Mudge ab, verurteilt den Verfassungsrechtler Prof. Marinus Wiechers und setzt sich lange mit den Aussagen und dem Handeln des damaligen, langjährigen südafrikanischen Außenministers Frederik Roelof (Pik) Botha auseinander. Die längsten Passagen seines Buches widmet er diesen seinen politischen „Widersachern“.
Den politischen und ideologischen Abnabelungsprozess Namibias vom südafrikanischen Apartheidsstaat hat Pretorius als traumatisch erfahren, vor allem als Dirk Mudge, sein früherer NP-Parteikollege, der mit der DTA aus dem Rassenraster ausgestiegen war, in den südafrikanischen Medien und international große Beachtung erhielt und die NP im Übergangsland SWA/Namibia langsam zum politischen Mauerblümchen verkümmerte. Südafrikanische Medien und Kreise hatten das neue namibische Modell schon länger begrüßt, derweil ihre eigene Staatsordnung noch an der Apartheid festhielt.
Pretorius fühlt sich in sonderbarer Weise vom Humanismus bedroht, was andere lediglich als eine geistesgeschichtliche Epoche der Aufklärung in Europa verstehen. Mit dieser Auseinandersetzung hat er seine Parteikollegen oft überfordert. Prinzipien (Afrikaans: beginsels), so lautet sein ständiger Ausgangspunkt, müssten unveränderlich/unantastbar sein, z. B. ethnisches Gruppenrecht, derweil lediglich Programme (Afrik.: beleid) den Umständen angepasst werden dürften.
Als Ausgleich und Ergänzung zu Pretorius` Memoiren ist unbedingt zu empfehlen, das Mudge-Porträt zu lesen: „Dirk Mudge, die Reënmaker van die Namib“ von At van Wyk (Van Schaik-Verlag, 1999). Es sind relevante Zeitzeugnisse aus dem dramatischen Werdegang der Republik Namibia.
Eberhard Hofmann
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„Suidwes-Afrika na Namibië - ´n Politieke Bosoorlog“ von J.W.F. (Koos Pretorius. Broschürter, illustrierter Band, 370 Seiten. Verlag: Olimpiade Uitgewers Windhoek/Pretoria, September 2014. ISBN: 978-0-9584216-1-4. Unverbindlicher Richtpreis: 295 N$.
Werdegang
Pretorius schildert seinen Werdegang und sein politisches Empfinden detailliert im Wandel der Verhältnisse.
Seine Aufzeichnungen und Erwägungen im Rahmen seines Dogma sind dazu geeignet, die Person Pretorius aus ungeschminkter Nähe besser kennen zu lernen und den Anlauf auf die Unabhängigkeit Namibias aus der Sicht der Nationalen Partei und ihres Führers (1981 bis zum Ende der NP 1989) zu begleiten. Störend bei der Lektüre ist die oft ungekürzte Wiedergabe eigener Reden vor dem weißen Landesrat (Administration für Weiße), bei denen - abgesehen von stellenweise lähmender Langatmigkeit - für den Leser nicht einmal die total überflüssig wiederholten Anreden „Mnr die Voorsitter“ herausredigiert wurden. Pretorius, der während seiner langen politischen Laufbahn zu Zeiten des weißen Landesrates gern aus seiner Magisterthese über das ehemalige Südwestafrika und das Völkerbundsmandat zitiert hat (und dies auch häufig in seinen Memoiren tut), preist das vorliegende Buch als Quelle für Studenten an. Er schließt sein autobiographisches Werk mit einer Laudatio auf seine eigene Person ab, die der ehemalige Erziehungsdirektor für Weiße, D.P.J. Opperman, mit größter Hochachtung verfasst hat. Der Leser fragt sich, welchem Zweck eine derartige Anpreisung dienen soll.
Pretorius wollte ursprünglich Geistlicher (Dominee) werden, ist aber dem Ruf in die Politik gefolgt. Es gibt eine Analogie: der frühere Chefredakteur der Tageszeitung Republikein, Dr. Jans Spies, studierte bereits Theologie, als ihm das geistliche Klima damals zu eng wurde und er auf Afrikaans-Nederlands umsattelte und schließlich Journalist wurde, weit entfernt vom Dogma der NP.
Das zentrale Anliegen, das Pretorius zur Doktrin erhoben hat, ist die Auffassung, dass die Selbstbestimmung der Bevölkerung allein über ihre ethnische Gruppen-, bzw. Rassenzugehörigkeit ausgeübt werden könne und müsse. Das reimt sich mit der Gesellschaftsstruktur und Ideologie der Apartheid, ein Begriff, den Pretorius in seinen Memoiren so gut wie nie benutzt. Die Selbstbestimmung über die Gruppenzugehörigkeit steht im starken Widerspruch zur Selbstbestimmung auf der Grundlage universellen, individuellen Wahlrechts (one man, one vote), das in Namibia zum ersten Mal im Dezember 1978 und seit November 1989 bei jeder allgemeinen Wahl befolgt wurde.
Ethnisch-rassisches Gruppenwahlrecht
Pretorius´ Memoiren handeln über weite Passagen darüber, wie das abgegrenzte ethnisch-rassische Gruppenwahlrecht, das den Weißen bis März 1990, zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit, tatsächlich noch exklusive unantastbare Vorteile gebracht hatte, durch das universelle individuelle Wahlrecht „verloren gegangen“ sei. Dabei nimmt er drei prominente politische Zeitgenossen mit dem Vorwurf aufs Korn, dass sie mit der Fürsprache für das universelle Wahlrecht „die Weißen“, wenn nicht verraten, so doch ausverkauft hätten. Seiten lang rechnet er so mit dem DTA-Gründer und Politiker Dirk Mudge ab, verurteilt den Verfassungsrechtler Prof. Marinus Wiechers und setzt sich lange mit den Aussagen und dem Handeln des damaligen, langjährigen südafrikanischen Außenministers Frederik Roelof (Pik) Botha auseinander. Die längsten Passagen seines Buches widmet er diesen seinen politischen „Widersachern“.
Den politischen und ideologischen Abnabelungsprozess Namibias vom südafrikanischen Apartheidsstaat hat Pretorius als traumatisch erfahren, vor allem als Dirk Mudge, sein früherer NP-Parteikollege, der mit der DTA aus dem Rassenraster ausgestiegen war, in den südafrikanischen Medien und international große Beachtung erhielt und die NP im Übergangsland SWA/Namibia langsam zum politischen Mauerblümchen verkümmerte. Südafrikanische Medien und Kreise hatten das neue namibische Modell schon länger begrüßt, derweil ihre eigene Staatsordnung noch an der Apartheid festhielt.
Pretorius fühlt sich in sonderbarer Weise vom Humanismus bedroht, was andere lediglich als eine geistesgeschichtliche Epoche der Aufklärung in Europa verstehen. Mit dieser Auseinandersetzung hat er seine Parteikollegen oft überfordert. Prinzipien (Afrikaans: beginsels), so lautet sein ständiger Ausgangspunkt, müssten unveränderlich/unantastbar sein, z. B. ethnisches Gruppenrecht, derweil lediglich Programme (Afrik.: beleid) den Umständen angepasst werden dürften.
Als Ausgleich und Ergänzung zu Pretorius` Memoiren ist unbedingt zu empfehlen, das Mudge-Porträt zu lesen: „Dirk Mudge, die Reënmaker van die Namib“ von At van Wyk (Van Schaik-Verlag, 1999). Es sind relevante Zeitzeugnisse aus dem dramatischen Werdegang der Republik Namibia.
Eberhard Hofmann
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„Suidwes-Afrika na Namibië - ´n Politieke Bosoorlog“ von J.W.F. (Koos Pretorius. Broschürter, illustrierter Band, 370 Seiten. Verlag: Olimpiade Uitgewers Windhoek/Pretoria, September 2014. ISBN: 978-0-9584216-1-4. Unverbindlicher Richtpreis: 295 N$.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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