Krieg in Libyen: Milizen, Minderjährige und deutsche Militärtrucks
Tripolis/Istanbul (dpa) - Zwei Landebahnen in der Wüstensonne. Mehr als 40 kleine Hangars. Die Rollfelder wirken in der Weite der Sahara wie ein Fremdkörper. Der nächste Ort: fast 50 Kilometer entfernt. Und doch zeigt der Kampf um die Luftwaffenbasis Al-Watia, der sich in den vergangenen Tagen zugetragen hat, die ganze internationale Zerfahrenheit im libyschen Krieg.
Schüchtern zeigt ein junger Mann in T-Shirt, Jogginghose und mit Badelatschen an den Füßen das Victory-Zeichen in die Kamera. Vor wenigen Momenten haben Einheiten der international anerkannten libyschen Regierung und mit ihr verbündete Milizen den Stützpunkt vom aufständischen Militär Chalifa Haftar eingenommen.
Der Mann sieht nicht aus wie ein Soldat. Aber das tun die wenigsten Kämpfer in Libyen. Im Hintergrund erkennt man ein aufgegebenes Luftabwehrsystem auf einem Militärlastwagen. Es sieht aus wie ein SX 45-Militärlaster des deutschen Konsortiums Rheinmetall MAN Military Vehicles. Ein Fahrzeug, das eigentlich nicht hier sein dürfte.
Der Konflikt in Libyen ist schon lange kein lokaler mehr. Er wird trotz UN-Embargo mit Waffen aus dem Ausland und Söldnern verschiedenster Länder ausgetragen. Haftar, der die Regierung nicht anerkennt und seit rund einem Jahr kurz vor Tripolis steht und die Stadt bombardiert, wird unter anderem von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt.
Schon vor einigen Monaten gab es Hinweise darauf, dass die VAE möglicherweise die Luftabwehrsysteme mit den deutschen Militärtrucks nach Libyen gebracht haben. Die Linksfraktion fragte dazu die Bundesregierung an. Die Antwort wurde als Verschlusssache eingestuft. Rheinmetall verwies auf Anfrage darauf, dass der LKW an bis zu 20 Länder verkauft worden sei. Das auf den Fotos gezeigte Fahrzeug könne „aufgrund fehlender augenfälliger Merkmale (...) nicht eindeutig als SX 45“ identifiziert werden.
Aber auch die Vereinten Nationen registrieren regen Schiffs- und Flugverkehr in das Krisengebiet. Nicht nur aus den Emiraten, auch aus der Türkei, die auf der Seite der Regierung steht. Seit Ankara Ende vergangenen Jahres ein Sicherheitsabkommen mit Tripolis geschlossen hat, konnten Haftars Truppen von der Küste nahe der Hauptstadt zurückgedrängt werden. Auch die Einnahme der Luftwaffenbasis Al-Watia am Montag ist ein daraus resultierender Erfolg. Der Stützpunkt zählt zu den strategisch wichtigsten im Land.
„Der türkische Einfluss ist enorm“, sagt Libyen-Experte Tarek Megerisi vom Europäischen Rat für Internationale Beziehungen (ECFR). Die Türkei habe dafür gesorgt, dass die Einheiten der Regierung zu denen Haftars aufgeschlossen hätten. Inzwischen hat die Türkei eigene Soldaten in Libyen - zu Ausbildungszwecken, wie sie betont. Auch pro-türkische Milizen aus Syrien kämpfen laut lokalen Quellen in Libyen.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von knapp 9000 syrischen Kämpfern. Die Denkfabrik International Crisis Group geht davon aus, dass die Türkei seit Januar mehr als 100 türkische Offiziere und mehr als 2000 verbündete syrische Kämpfer nach Libyen geschickt hat. Zudem sollen die beiden Fregatten „Göksu“ und „Gökova“ der türkischen Marine vor der Küste im Mittelmeer operieren.
Vor allem im Norden Syriens gibt es regelrechte Anwerbebüros, wie ein syrischer Kämpfer der Deutschen Presse-Agentur schilderte. Man könne einen Vertrag für drei Monate unterschreiben und bekomme 2000 US-Dollar pro Monat.
Der Konflikt in Libyen sei längst zu einem Stellvertreterkrieg geworden, sagt der Sicherheitsforscher Andreas Krieg vom King's College in London. Sowohl die Türkei als auch die VAE verstärkten ihre Stellvertreter mit verfeindeten Milizen aus dem Syrienkrieg. Zuletzt gab es Berichte, dass sogar Minderjährige in Libyen an der Front kämpfen sollen.
Ankara selbst hält sich mit Äußerungen zu Aktivitäten in Libyen generell zurück. Im Februar hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan den Tod zweier türkischer Soldaten in Libyen jedoch bestätigt. Er gab auch zu, dass türkische Ausbilder in Libyen mit syrischen Milizen zusammenarbeiten.
Aber auch Söldner aus dem Tschad und dem Sudan sind in Libyen aktiv. Ein interner UN-Bericht hielt zudem vor kurzem fest, dass auch etwa 800 bis 1200 Paramilitärs der privaten russischen „Wagner Gruppe“ mit Beziehungen zum Kreml auf der Seite Haftars kämpfen.
Die Türkei sieht ihren Einsatz in Libyen als legitim an. Schließlich sei sie auf Einladung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und damit auf Wunsch einer von der UN anerkannten Regierung vor Ort. Zudem hatte das türkische Parlament im Januar einer Entsendung von Truppen zugestimmt. Erdogan betont immer wieder, dass dagegen alle Akteure auf Haftars Seite „illegitim“ seien.
Mit der Unterstützung für die Regierung in Tripolis will die Türkei unter anderem ihre Interessen im Mittelmeerraum verteidigen. Dort liegen reiche Erdgasvorkommen. Die Türkei streitet mit anderen Anrainerstaaten wie Griechenland und Zypern über deren Ausbeutung. Dabei steht Ankara alleine da und kann die Allianz mit Tripolis gut gebrauchen. Al-Sarradsch wiederum benötigte militärische Unterstützung.
Claudia Gazzini, Libyen-Expertin der International Crisis Group, sagt, für Haftar und seine Unterstützer sei die Präsenz der Türkei wiederum eine Bedrohung. Es gebe eine Eskalation auf beiden Seiten und ein Vakuum hinsichtlich politischer Initiativen. Zu Verhandlungen sei zurzeit keiner der Gegner bereit.
Auch die amtierende UN-Sondergesandte Stephanie Williams zeigte sich zuletzt frustriert. „Immer wenn eine Seite Fortschritte erzielt, kommt ein ausländischer Unterstützer dazu. Der Konflikt vertieft sich mehr und mehr.“ Aber obwohl man die Unterstützer der Milizen und Söldner kenne: „Es passiert: Nichts.“
Schüchtern zeigt ein junger Mann in T-Shirt, Jogginghose und mit Badelatschen an den Füßen das Victory-Zeichen in die Kamera. Vor wenigen Momenten haben Einheiten der international anerkannten libyschen Regierung und mit ihr verbündete Milizen den Stützpunkt vom aufständischen Militär Chalifa Haftar eingenommen.
Der Mann sieht nicht aus wie ein Soldat. Aber das tun die wenigsten Kämpfer in Libyen. Im Hintergrund erkennt man ein aufgegebenes Luftabwehrsystem auf einem Militärlastwagen. Es sieht aus wie ein SX 45-Militärlaster des deutschen Konsortiums Rheinmetall MAN Military Vehicles. Ein Fahrzeug, das eigentlich nicht hier sein dürfte.
Der Konflikt in Libyen ist schon lange kein lokaler mehr. Er wird trotz UN-Embargo mit Waffen aus dem Ausland und Söldnern verschiedenster Länder ausgetragen. Haftar, der die Regierung nicht anerkennt und seit rund einem Jahr kurz vor Tripolis steht und die Stadt bombardiert, wird unter anderem von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt.
Schon vor einigen Monaten gab es Hinweise darauf, dass die VAE möglicherweise die Luftabwehrsysteme mit den deutschen Militärtrucks nach Libyen gebracht haben. Die Linksfraktion fragte dazu die Bundesregierung an. Die Antwort wurde als Verschlusssache eingestuft. Rheinmetall verwies auf Anfrage darauf, dass der LKW an bis zu 20 Länder verkauft worden sei. Das auf den Fotos gezeigte Fahrzeug könne „aufgrund fehlender augenfälliger Merkmale (...) nicht eindeutig als SX 45“ identifiziert werden.
Aber auch die Vereinten Nationen registrieren regen Schiffs- und Flugverkehr in das Krisengebiet. Nicht nur aus den Emiraten, auch aus der Türkei, die auf der Seite der Regierung steht. Seit Ankara Ende vergangenen Jahres ein Sicherheitsabkommen mit Tripolis geschlossen hat, konnten Haftars Truppen von der Küste nahe der Hauptstadt zurückgedrängt werden. Auch die Einnahme der Luftwaffenbasis Al-Watia am Montag ist ein daraus resultierender Erfolg. Der Stützpunkt zählt zu den strategisch wichtigsten im Land.
„Der türkische Einfluss ist enorm“, sagt Libyen-Experte Tarek Megerisi vom Europäischen Rat für Internationale Beziehungen (ECFR). Die Türkei habe dafür gesorgt, dass die Einheiten der Regierung zu denen Haftars aufgeschlossen hätten. Inzwischen hat die Türkei eigene Soldaten in Libyen - zu Ausbildungszwecken, wie sie betont. Auch pro-türkische Milizen aus Syrien kämpfen laut lokalen Quellen in Libyen.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von knapp 9000 syrischen Kämpfern. Die Denkfabrik International Crisis Group geht davon aus, dass die Türkei seit Januar mehr als 100 türkische Offiziere und mehr als 2000 verbündete syrische Kämpfer nach Libyen geschickt hat. Zudem sollen die beiden Fregatten „Göksu“ und „Gökova“ der türkischen Marine vor der Küste im Mittelmeer operieren.
Vor allem im Norden Syriens gibt es regelrechte Anwerbebüros, wie ein syrischer Kämpfer der Deutschen Presse-Agentur schilderte. Man könne einen Vertrag für drei Monate unterschreiben und bekomme 2000 US-Dollar pro Monat.
Der Konflikt in Libyen sei längst zu einem Stellvertreterkrieg geworden, sagt der Sicherheitsforscher Andreas Krieg vom King's College in London. Sowohl die Türkei als auch die VAE verstärkten ihre Stellvertreter mit verfeindeten Milizen aus dem Syrienkrieg. Zuletzt gab es Berichte, dass sogar Minderjährige in Libyen an der Front kämpfen sollen.
Ankara selbst hält sich mit Äußerungen zu Aktivitäten in Libyen generell zurück. Im Februar hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan den Tod zweier türkischer Soldaten in Libyen jedoch bestätigt. Er gab auch zu, dass türkische Ausbilder in Libyen mit syrischen Milizen zusammenarbeiten.
Aber auch Söldner aus dem Tschad und dem Sudan sind in Libyen aktiv. Ein interner UN-Bericht hielt zudem vor kurzem fest, dass auch etwa 800 bis 1200 Paramilitärs der privaten russischen „Wagner Gruppe“ mit Beziehungen zum Kreml auf der Seite Haftars kämpfen.
Die Türkei sieht ihren Einsatz in Libyen als legitim an. Schließlich sei sie auf Einladung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und damit auf Wunsch einer von der UN anerkannten Regierung vor Ort. Zudem hatte das türkische Parlament im Januar einer Entsendung von Truppen zugestimmt. Erdogan betont immer wieder, dass dagegen alle Akteure auf Haftars Seite „illegitim“ seien.
Mit der Unterstützung für die Regierung in Tripolis will die Türkei unter anderem ihre Interessen im Mittelmeerraum verteidigen. Dort liegen reiche Erdgasvorkommen. Die Türkei streitet mit anderen Anrainerstaaten wie Griechenland und Zypern über deren Ausbeutung. Dabei steht Ankara alleine da und kann die Allianz mit Tripolis gut gebrauchen. Al-Sarradsch wiederum benötigte militärische Unterstützung.
Claudia Gazzini, Libyen-Expertin der International Crisis Group, sagt, für Haftar und seine Unterstützer sei die Präsenz der Türkei wiederum eine Bedrohung. Es gebe eine Eskalation auf beiden Seiten und ein Vakuum hinsichtlich politischer Initiativen. Zu Verhandlungen sei zurzeit keiner der Gegner bereit.
Auch die amtierende UN-Sondergesandte Stephanie Williams zeigte sich zuletzt frustriert. „Immer wenn eine Seite Fortschritte erzielt, kommt ein ausländischer Unterstützer dazu. Der Konflikt vertieft sich mehr und mehr.“ Aber obwohl man die Unterstützer der Milizen und Söldner kenne: „Es passiert: Nichts.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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