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Leben am Rande der Existenz

Erbarmungslos brennt die Sonne auf das öde Land. In der vor Hitze flirrenden Fläche schwimmen Schatten, nehmen allmählich Konturen an. Ein Hengst und zwei Stuten. Mühsam setzen sie Huf vor Huf. Weit ist der Weg zwischen Weide und Wasserstelle. Mit jedem Tag ohne Regen wird er weiter, wird das Gras spärlicher. Scharf zeichnen sich die Rippen der Pferde unter dem Fell ab...

Die Wilden Pferde in dem Gebiet um Garub 20 km westlich von Aus in der Namib führen ein hartes Leben. Regen fällt wenig und nicht zuverlässig - oft gerade genug für Sukkulenten, dornige Sträucher und Gräser. Normalerweise finden die Pferde genug Weide. Aber ab und zu gibt es Dürrejahre. Dann wird die Nahrung knapp und schwächere Tiere sterben. Wie 1991/92 oder 1998/99. In beiden Fällen sorgte das Leiden der Pferde für Schlagzeilen und kostenträchtige Hilfsaktionen.

Und für das Aufflammen einer alten Diskussion: Soll man die Pferde dort dulden? Schließlich handelt es sich um Eindringlinge, die möglicherweise einheimische Pflanzen und Tiere verdrängen - was natürlich in krassem Widerspruch zu den Zielen eines Naturschutzgebietes steht. Andererseits haben sich die Pferde zu einer Attraktion für Touristen entwickelt und schaffen damit Einnahmen und Arbeitsplätze für die Menschen der Umgebung. Doch was geschieht in Jahren der Not? Überlässt man die Pferde ihrem Schicksal? Oder greift man ein? Und wenn ja, wie?

Diesen und weiteren Fragen ist die Biologin Telané Greyling in ihrer Doktorarbeit nachgegangen, unterstützt vom Ministerium für Umwelt und Tourismus sowie von Klein-Aus Vista und der Gondwana Desert Collection. Die Ergebnisse präsentierte sie im November 2005 auf einem Arbeitstreffen im Cañon Village, auf dem über zukünftige Maßnahmen hinsichtlich der Wilden Pferde debattiert wurde. Zu den Teilnehmern zählten Vertreter von Ministerium, Naturschutz, Veterinärwesen, Tourismus und Medien sowie Wissenschaftler aus Namibia, Südafrika und Großbritannien.

Geheimnisumwitterte Herkunft

Am meisten wird bis heute wohl darüber gerätselt, woher die Pferde eigentlich stammen. Klar ist nur, dass es im Südlichen Afrika ursprünglich keine Pferde gab. So handelt es sich bei den Wilden Pferden der Namib also um Nachkommen importierter Pferde, die ähnlich wie die Mustangs Nordamerikas verwildert sind.

Wie aber kamen die Pferde in diese Gegend? Mancher verweist auf einen Frachter mit Pferden und anderen Nutztieren, der Ende des 19. Jahrhunderts etwa 25 km südlich der Oranjemündung gestrandet ist - also rund 200 km von Garub entfernt. Andere führen die Pferdezucht Duwisib von Hansheinrich von Wolf ins Feld - rund 250 km nordöstlich von Garub. Allerdings lag die Farm auch während Abwesenheit und Tod von Wolfs im Ersten Weltkrieg in den Händen eines Farmverwalters. Und den Büchern zufolge sind bis Ende der Dreißiger Jahre keine Pferde verloren gegangen. Gegen beide Theorien spricht zudem, dass Pferde nicht über weite Strecken wandern, sondern in der Regel in dem Gebiet bleiben, das sie kennen.

Das legt den Schluss nahe, dass die Wilden Pferde von Tieren abstammen, die in der Nähe von Garub und Aus verloren gingen. Zahl der Pferde und Vielfalt der Merkmale lassen zudem auf eine große Ursprungsgruppe schließen.

Die deutsche Schutztruppe hatte während des Ersten Weltkriegs bei Aus Pferde in großer Zahl stationiert. Die südafrikanische Armee rückte mit noch größerem Aufgebot an: Im März 1915 schlugen 10.000 Soldaten mit 6.000 Tieren bei Garub ihr Lager auf. Dort gab es ein Bohrloch, aus dem die Dampfloks der nahe gelegenen Eisenbahnlinie mit Wasser versorgt worden waren; es wurde zwar von den Deutschen gesprengt, aber rasch wiederhergestellt.

Aber es kommt noch besser. In einem später verfassten Bericht der Deutschen heißt es nämlich: "Am Morgen des 27. 3. flog der unermüdliche Fliegerleutnant Fiedler nach Garub und warf mit gutem Erfolg Bomben in das feindliche Lager und unter etwa 1700 weidende Pferde der Kavallerie und richtete eine große Verwirrung an" (Hans von Oelhafen: Der Feldzug in Südwest 1914/15, Berlin 1923, S. 117). Die südafrikanischen Verbände standen kurz vor der Offensive und sollten den zurückweichenden deutschen Soldaten hart auf den Fersen bleiben, so dass sie in der Eile wohl darauf verzichteten, alle versprengten Tiere einzufangen.

Der Hobby-Historiker Walter Rusch stieß auf ein weiteres Puzzlestück, das das Bild vervollständigt: In Fotoalben von Emil Kreplin, 1909 bis 1914 Bürgermeister von Lüderitz, fand er Aufnahmen einer Pferdezucht auf Kubub südlich von Aus. Dort ließ Kreplin Arbeitstiere für den Bergbau züchten - und Rennpferde für das aufblühende Lüderitz. Zuchthengste von Kubub und Duwisib weisen sehr starke Ähnlichkeiten auf. Auf den Fotos der Kreplin-Zucht erkennt man zudem Pferde mit Merkmalen, die sich auch 90 Jahre später noch bei den Wilden Pferden finden (siehe Grafik). Im Wesentlichen handelt es sich um Charakteristika von Kap-Boerperd, Hackney und Trakehner.

Biologisch und historisch fundiert, lassen sich damit mehrere Theorien zusammenführen. Der Kern der Herde dürfte aus Pferden der Südafrikaner, der Schutztruppe und der Kreplin-Zucht bestehen (mit Verbindung zu Duwisib). In den Wirren des Krieges sammelten sich die versprengten oder zurückgelassenen Tiere in den Bergen um Aus, wo sich viele natürliche Wasserstellen finden; Zäune gab es damals noch nicht. Unter dem Schutz des Diamanten-Sperrgebietes II haben sich die verwilderten Pferde 90 Jahre lang fast isoliert entwickeln können, so dass man heute von einer eigenen Pferderasse, den 'Namibs', sprechen kann.

1986 wurde das Sperrgebiet II freigegeben und dem Namib Naukluft Park angegliedert. Damit aber begann auch die Debatte über die Zukunft der Pferde. Einige Experten befürchteten, dass die 'Eindringlinge' heimische Pflanzen und Tiere verdrängen, und wollten sie aus dem Park entfernen. Auf massiven Druck durch Öffentlichkeit, Medien und Pferdefreunde im Ministerium wurde dieses Vorhaben allerdings aufgegeben.

Solides Management statt Krisenhilfe

Die Fragen waren damit jedoch nicht beantwortet. Das zeigte sich während der Dürrejahre 1991/92 und 1998/99, als die Pferde hungerten und schwache Tiere starben. Nach dem öffentlichen Aufschrei in und außerhalb Namibias wurden teure Fang- bzw. Fütterungsaktionen gestartet. Beides mit nur mäßigem Erfolg. Und Dürren waren in dem Randgebiet der Namibwüste immer wieder zu erwarten.

Deshalb ging es der Biologin Telané Greyling und den Teilnehmern des Arbeitstreffens darum, fundierte Antworten zu finden und Empfehlungen für einen möglichen Management-Plan des Ministeriums zu formulieren. Also: Verdrängen die Pferde die heimische Flora und Fauna? Greyling hat dafür keine Anzeichen finden können: Im Gebiet der Pferde gibt es im Großen und Ganzen die gleichen Arten und ähnliche Zahlen an Individuen wie in nahe gelegenen Vergleichsgebieten ohne Pferde.

Dennoch handelt es sich bei den Pferden nicht um gewöhnliches Wild wie Gemsbock oder Springbock. Einerseits sind sie keine Haustiere mehr, sondern Teil der 'freien' Natur und unterliegen deren Regeln. Der Tod schwacher Tiere in der Dürre gehört daher zum natürlichen Zyklus. Andererseits kann sich der Mensch nicht völlig aus der Verantwortung stehlen. Zäune blockieren im Osten den Zugang zu natürlichen Wasserstellen und besserer Weide auf den angrenzenden Farmen (übrigens auch für Gemsböcke eine Todesfalle). Und in Dürrejahren mögen die Tiere so stark dezimiert werden, dass der Gen-Pool leidet und Inzucht ihren Fortbestand gefährdet. 'Ja' zu den Pferden heißt daher auch 'Ja' zur Hege.

Auf dem Arbeitstreffen wurden zunächst mögliche Ziele formuliert: eine stabile Population der Wilden Pferde gewährleisten, die Kosten für ihre Hege möglichst niedrig halten, die Attraktion für den Tourismus besser nutzen, mehr Wissen über die Tiere sammeln und die Öffentlichkeit besser informieren.

Die Kontrolle der Population setzt voraus, dass Regen, Weide, Zahl und Zustand der Pferde regelmäßig beobachtet werden. Als Orientierungswert für eine stabile Population einigte man sich auf 130, wobei die Zahl kurzfristig zwischen 80 und 180 schwanken darf. Solche Schwankungen gab es auch in der Vergangenheit. In den Siebziger und Achtziger Jahren wurde die Zahl der Pferde auf 250 geschätzt, mit Errichtung der Zäune Ende der Achtziger ging sie stark zurück. Im Juni 1992 wurden 104 Pferde gefangen. 1993 gab es 110, 1997 wieder 149 Pferde, 1999 nur noch 89 und heute wieder rund 150 Tiere.

Empfohlen wird zudem in Zeiten der Dürre, in einem 'Not-Weidegebiet' eine Wasserstelle öffnen, um den Weg zum Wasser zu verkürzen. Die Pferde können zwar länger und ohne Stress auf Wasser verzichten als Hauspferde: Im Sommer (November bis März) kommen sie im Schnitt alle 30 Stunden, im Winter (Mai bis September) alle 72 Stunden zur Tränke. Aber je länger der Weg, desto mehr Energie verbrauchen sie. Auch zu Fütterung und Fangaktion wurden Vorschläge erarbeitet.

Bei der Tagung ging es jedoch nicht nur um die Pferde, sondern auch um die Menschen. Zurzeit können Touristen die Tiere am Unterstand an der Tränke bei Garub beobachten; ab Mitte 2006 erhalten sie im 20 km entfernten Aus Info Centre viele Hintergrundinformationen. Dort soll auch ein Büchlein zu den Pferden verkauft werden, das derzeit geplant ist. Das Centre dient als Einnahmequelle für die Gemeinschaft von Aus und könnte in ferner Zukunft mit einem Forschungszentrum zu den Pferden kombiniert werden.

Eine längere Artikelfassung ist in der aktuellen Ausgabe der Gondwana News erschienen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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