Leoparden besser verstehen
Neues Forschungsprojekt untersucht Fress- und Sozialverhalten
Von Katharina Moser, Windhoek
Ein Grollen und Fauchen tönt aus einem Käfig zwischen Dornbüschen hervor. Ruben Portas und Miha Krofel, hochgewachsen, braungebrannt, verschmelzen mit der dornigen Buschsavanne, als sie behutsam auf den Käfig zugehen. Krofel ist mit einer Kamera bewaffnet, Portas hingegen mit Gewehr und Betäubungspfeil. Wir müssen ganz leise sein, bedeutet er uns, und nähert sich so ruhig wie möglich dem Käfig. Das Fauchen wird lauter. Mit bemerkenswerter Zielgenauigkeit richtet Ruben die Mündung auf das Innere des Käfigs und schießt den Pfeil ab. Treffer.
Es ist Samstagvormittag auf der Farm Claratal im Khomas-Hochland, nur eine Stunde von Windhoek entfernt. Portas und Krofel ist heute Nacht eine Leopardin in die Falle gegangen. Die beiden sind Wissenschaftler und arbeiten gerade an einem Projekt, das die Bewegungsmuster und das Futterverhalten von Leoparden genauer unter die Lupe nehmen will. „Verglichen mit manchen anderen Arten wissen wir zwar schon einiges über Leoparden, aber bei so vielen Fragen tappen wir noch absolut im Dunkeln. Was macht der Leopard mit seiner Beute? Teilt er es mit seinen Artgenossen? Ruft er sie, um ihnen Jagderfolg mitzuteilen?“, so Krofel. Er ist gebürtiger Slowake, Portas ist Spanier, aber sie arbeiten schon seit 15 Jahren in Namibia und erforschen Großkatzen. Ihr jüngstes Projekt heißt „InterMuc“ und wird vom Leibniz-Insitut für Zoologie und Wildtierforschung (IZW) und der Universität von Ljubljana koordiniert. Die slowenische Forschungsbehörde finanziert die Forschungsarbeit, und auch die Namibischen Gesellschaft für Umwelt und Wildtiere leistet Unterstützung. Es handelt sich bereits um eine zweite Phase der Leopardenforschung: Schon 2012 untersuchte ein erstes Projekt unter der Leitung von Dr. Joerg Melzheimer und Dr. Miha Krofel in Partnerschaft mit der Auas Oanob Conservancy die Bewegungsmuster und die Beutevorzüge des Leoparden. Nun wollen Krofel und Portas Antworten auf die Fragen zu Beuteteilung und intraspezifischer Kommunikation finden, die sich während der ersten Phase zu stellen begannen.
Das Projektziel: Mindestens zwei weibliche und drei männliche Leoparden fangen, besendern und wieder in die Freiheit entlassen. Anhand der Daten, die der Sender abgibt, können die Wissenschaftler feststellen, wo welcher Leopard Nahrung erbeutet hat. Dort stellen sie dann Kameras und Mikrofone auf, um festzustellen, wie der erfolgreiche Jäger mit seinen Artgenossen kommuniziert und welche Leoparden ebenfalls von dieser Beute fressen können. Interessant wird dies besonders im Hinblick auf das Teilungsverhalten zwischen Männchen und Weibchen.
Der Leopard, der ihnen heute Nacht in die Falle gegangen ist, ist weiblich und etwa sechs Jahre alt. Nach etwa zehn Minuten wirkt die Betäubung und der Leopard kann unter größter Vorsicht auf einer Trage hinaus zu den zahlreichen Gerätschaften gebracht werden. Wie Portas erklärt, verwendet er Ketamin als Betäubung. „Dies ist sehr sicher. Selbst bei einer für das Gewicht höheren Dosis kann das Mittel dem Tier nicht gefährlich werden.“ Dem Leoparden wird eine Augenklappe übergezogen, damit er mit seinen noch offenen Pupillen nicht von der Bewegung um ihn beunruhigt wird. Auch sein Kiefer wird stabilisiert, damit er sich nicht auf die Zunge beißt. „Der Käfig ist mit Platten ummantelt, damit der Leopard sich bei seinen Anstrengungen, sich zu befreien, nicht an den Gitterstäben festbeißt. Da könnte er sich verletzen“, so Portas. „Und die Betäubungsspritze, die wir nutzen, ist mit Gummie umhüllt, damit die Nadel nicht zu tief eindringt. Das Tierwohl muss immer an oberster Stelle stehen.“
Komplexes Beuteschema
Der Leopard ist einer der großen Jäger der namibischen Savanne. Es gibt jüngsten Studien zufolge eine gesunde und gut verteilte Leopardenpopulation in Namibia, mit einer hohen Dichte im Norden und einer geringen Dichte im Süden. Die genaue Zahl ist noch immer unbekannt. Die extrem anpassungsfähigen und scheuen Einzelgänger jagen bei Nacht und benötigen zwischen 1,6 und 4,9 Kilo Fleisch am Tag. Das bedeutet bis zu 60 erlegte Beutetiere im Jahr. Die Großkatzen sind im Gegenzug aber auch beliebte Beutetiere für Trophäenjäger: Im Jahr sind von der namibischen Regierung 250 Tiere zur Trophäenjagd freigegeben, von denen nur die Hälfte wirklich erlegt wird. Gleichzeitig ist der Jäger, der besonders auch auf Farmland lebt, das Tier, bei dem es die meisten Konflikte mit Menschen gibt. Leoparden leben auf zahlreichen Rinderfarmen des Landes und sind nicht selten für den Verriss von einzelnen Kälbern verantwortlich. Problematisch sind diejenigen Individuen, die sich auf den Fang von Kälbern spezialisieren, häufig alte oder verletzte Leoparden, die bei den schnellen Wildtieren keine Chance mehr haben. Diese müssen dem Bestand entnommen werden. Einzelne Farmen in der Auas Oanob Conservancy verlieren bis zu 25% ihrer Kälber an Leoparden, trotz aufwendiger Schutzmaßnahmen wie die Übernachtung der Kühe und Kälber im Kraal. Viele Farmer sehen nur eine Lösung und schießen die auf ihrem Land beheimateten Tiere. Der Abschuss von Problemtieren ist aktuell erlaubt, sofern das Tier das Leben von Vieh oder Mensch bedroht. Die neuen Territorieninhaber erbeuten dann aber oft auch bevorzugt die leichtere Beute wie Kälber, da sie sich in ihrem Revier noch nicht so gut auskennen.
Doch manche Farmer, wie die der Auas Oanob Conservancy, suchen einen anderen Weg und arbeiten mit Wissenschaftlern zusammen, um mehr über die scheuen Tiere zu erfahren. Denn das Wissen ist begrenzt, und auch die Leoparden haben immer mehr mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Unter dem Einfluss der menschlichen Zivilisation haben die afrikanischen Leoparden 63 bis 75 Prozent ihres angestammten Territoriums verloren, und ein starker Abfall der Beutetiere hat eine schrumpfende Leopardenpopulation zufolge. Die Wissenschaftler hoffen, mit ihren Forschungen zum besseren Verständnis der Tiere beizutragen, und so den Konflikt mit den Farmern zu mindern. Ein ähnliches IZW-Projekt unter der Leitung von Dr. Joerg Melzheimer und Dr. Bettina Wachter mit Geparden war damit sehr erfolgreich: Die Forschungsergebnisse wurden in die Rinderzuchtpraxis integriert und konnten so die verursachten Schäden um über 80 Prozent reduzieren.
Territorialverhalten
Das Territorialverhalten der Leoparden ist dabei ein Schlüsselfaktor, den es zu untersuchen gilt. Männliche Tiere haben ein deutlich größeres Revier als Weibchen, doch männliche und weibliche Territorien überlappen sich. Während erstere im Khomas-Hochland Gebiete einer Größe von 115 bis 518 Quadratkilometern für sich beanspruchen, liegt die weibliche Größe bei etwa 26 bis 90 Quadratkilometern. So kann es sein, dass sich ein männliches Territorium mit zwei bis fünf weiblichen überschneidet. „Leoparden passen die Reviergröße dem Angebot an“, so Krofel. „Während an den Rändern der Reviere manchmal auch zwei Leoparden desselben Geschlechts jagen, findet man im Kerngebiet eines Jagdreviers zumeist ein Männchen und ein Weibchen. Und das macht diese Untersuchung so interessant für uns: Wir wollen herausfinden, inwieweit gerade die beiden Geschlechter unter einander teilen und mit ihrer erlegten Beute umgehen. Denn oft fressen sie sie nicht alleine. Das kann dann auch dazu führen, dass Farmer, die den Jäger ihrer Kälber schießen wollen, das falsche Tier töten.“ Gleichzeitig wird ersichtlich, wie wichtig derartige Forschung ist, um das Verständnis der Farmer gegenüber ihren oftmals unerwünschten Mitbewohnern zu erhöhen. „Viele Menschen denken, dass man das Problem eines Leoparden, der Kälber reißt, löst, indem man das Tier erschießt. Doch wenn es sich nicht gerade um ein Problemtier handelt, das sich auf Rinder spezialisiert hat – und wie viele es davon überhaupt gibt, ist eine wichtige Frage, die beantwortet werden muss -, ist das nicht der Fall. Sobald ein Territorium frei wird, wird ein anderes Tier das Gebiet übernehmen. Es kann sogar dazu kommen, dass sich mehrere Leoparden um das Territorium streiten und es erstmal mehr Leoparden auf der Farm gibt als vorher, bis sich die Machtverhältnisse geklärt haben“, erklärt Krofel.
Zusammenarbeit mit Farmern
Inzwischen liegt die junge Leopardin im Schatten neben dem Geländewagen des Teams auf einem Untersuchungstisch. Portas ruft zu absoluter Stille auf. Jedes Geräusch soll vermieden werden, um dem Tier, das zu Anfang trotz der Betäubung noch bestimmte Dinge wahrnehmen kann, bloß nicht in Stress zu versetzen. Die Wissenschaftler haben etwa 50 Minuten Zeit, bis die Betäubung abklingt. Bis dahin wird das Tier nicht nur besendert, sondern auch so weit wie möglich untersucht, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Gewicht, Temperatur, Blutdruck, sämtliche Körperumfänge - und Längen, Krallen und Zähne werden gemessen, um sich ein Bild des Gesundheitszustands zu machen. Die Forschen nehmen Fell-, Schnurrhaar- und Blutproben. Die Leopardin ist, so erfahren wir es später, etwa sechs Jahre alt, wiegt 32 Kilo und hatte bereits einmal Junge. „Sie ist sehr gesund“, so Portas erleichtert. Die Leopardin auf dem Untersuchungstisch erhält währenddessen regelmäßig Wasser und eine Salzlösung-Infusion, damit sie nicht dehydriert.
Mit dabei sind nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Kinder des Farmerehepaars Heiko und Annette Freyer, auf deren Land Portas und Krofel ihr Projekt leiten. Auch für sie bedeutet das große Aufregung, und mit Begeisterung helfen sie Portas und Krofel bei jeder Gelegenheit. „Damals, als wir die ersten Kälberverrisse durch Leoparden hatten, und uns tatsächlich einer in die Falle ging, wollte mein Mann ihn erschießen. Aber er konnte es nicht übers Herz bringen“, so erzählt uns die Farmerin. „Wir haben uns dann mit Begeisterung für dieses Projekt angeboten, weil wir sehr gerne unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten möchten. Diese Tiere sind zu wertvoll, um sie langsam aussterben zu lassen.“ Auf Nachbarfarmen schießen Farmer viele der Tiere, die ihre Rinder bedrohen. „Das ist noch sehr weit verbreitet.“ Doch bei nachhaltiger Ressourcennutzung wie in der Auas Oanob Conservancy können durch die Einnahmen aus der Trophäenjagd auf Leoparden die finanziellen Einbußen der Farmer durch Leopardenrisse gemindert und die Leopardenbestände so langfristig geschützt werden.
Bis Krofel und Portas genug Leoparden besendert haben, werden noch einige Wochen vergehen. Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt – bis dahin, so hoffen die Wissenschaftler, werden sie verstehen können, wie der Leopard jagt und teilt. Der Sender hört nach etwa 1,7 Jahren auf, zu senden, und fällt durch das vorprogrammierte elektronische Schloss und den erodierenden Verschluss nach einiger Zeit von selbst ab. In der Zwischenzeit sind die Tiere zumindest auf dieser Farm sicher, ein Vorteil, den die meisten namibischen Leoparden auf Farmland nicht genießen. Doch immer mehr Menschen hier wird klar, dass die faszinierenden, scheuen Jäger schützenswert sind – und dass man jede Gelegenheit der Forschung nutzen muss, um Viehverluste zu verhindern, um sie besser zu verstehen und für die Zukunft zu erhalten.
Ein Grollen und Fauchen tönt aus einem Käfig zwischen Dornbüschen hervor. Ruben Portas und Miha Krofel, hochgewachsen, braungebrannt, verschmelzen mit der dornigen Buschsavanne, als sie behutsam auf den Käfig zugehen. Krofel ist mit einer Kamera bewaffnet, Portas hingegen mit Gewehr und Betäubungspfeil. Wir müssen ganz leise sein, bedeutet er uns, und nähert sich so ruhig wie möglich dem Käfig. Das Fauchen wird lauter. Mit bemerkenswerter Zielgenauigkeit richtet Ruben die Mündung auf das Innere des Käfigs und schießt den Pfeil ab. Treffer.
Es ist Samstagvormittag auf der Farm Claratal im Khomas-Hochland, nur eine Stunde von Windhoek entfernt. Portas und Krofel ist heute Nacht eine Leopardin in die Falle gegangen. Die beiden sind Wissenschaftler und arbeiten gerade an einem Projekt, das die Bewegungsmuster und das Futterverhalten von Leoparden genauer unter die Lupe nehmen will. „Verglichen mit manchen anderen Arten wissen wir zwar schon einiges über Leoparden, aber bei so vielen Fragen tappen wir noch absolut im Dunkeln. Was macht der Leopard mit seiner Beute? Teilt er es mit seinen Artgenossen? Ruft er sie, um ihnen Jagderfolg mitzuteilen?“, so Krofel. Er ist gebürtiger Slowake, Portas ist Spanier, aber sie arbeiten schon seit 15 Jahren in Namibia und erforschen Großkatzen. Ihr jüngstes Projekt heißt „InterMuc“ und wird vom Leibniz-Insitut für Zoologie und Wildtierforschung (IZW) und der Universität von Ljubljana koordiniert. Die slowenische Forschungsbehörde finanziert die Forschungsarbeit, und auch die Namibischen Gesellschaft für Umwelt und Wildtiere leistet Unterstützung. Es handelt sich bereits um eine zweite Phase der Leopardenforschung: Schon 2012 untersuchte ein erstes Projekt unter der Leitung von Dr. Joerg Melzheimer und Dr. Miha Krofel in Partnerschaft mit der Auas Oanob Conservancy die Bewegungsmuster und die Beutevorzüge des Leoparden. Nun wollen Krofel und Portas Antworten auf die Fragen zu Beuteteilung und intraspezifischer Kommunikation finden, die sich während der ersten Phase zu stellen begannen.
Das Projektziel: Mindestens zwei weibliche und drei männliche Leoparden fangen, besendern und wieder in die Freiheit entlassen. Anhand der Daten, die der Sender abgibt, können die Wissenschaftler feststellen, wo welcher Leopard Nahrung erbeutet hat. Dort stellen sie dann Kameras und Mikrofone auf, um festzustellen, wie der erfolgreiche Jäger mit seinen Artgenossen kommuniziert und welche Leoparden ebenfalls von dieser Beute fressen können. Interessant wird dies besonders im Hinblick auf das Teilungsverhalten zwischen Männchen und Weibchen.
Der Leopard, der ihnen heute Nacht in die Falle gegangen ist, ist weiblich und etwa sechs Jahre alt. Nach etwa zehn Minuten wirkt die Betäubung und der Leopard kann unter größter Vorsicht auf einer Trage hinaus zu den zahlreichen Gerätschaften gebracht werden. Wie Portas erklärt, verwendet er Ketamin als Betäubung. „Dies ist sehr sicher. Selbst bei einer für das Gewicht höheren Dosis kann das Mittel dem Tier nicht gefährlich werden.“ Dem Leoparden wird eine Augenklappe übergezogen, damit er mit seinen noch offenen Pupillen nicht von der Bewegung um ihn beunruhigt wird. Auch sein Kiefer wird stabilisiert, damit er sich nicht auf die Zunge beißt. „Der Käfig ist mit Platten ummantelt, damit der Leopard sich bei seinen Anstrengungen, sich zu befreien, nicht an den Gitterstäben festbeißt. Da könnte er sich verletzen“, so Portas. „Und die Betäubungsspritze, die wir nutzen, ist mit Gummie umhüllt, damit die Nadel nicht zu tief eindringt. Das Tierwohl muss immer an oberster Stelle stehen.“
Komplexes Beuteschema
Der Leopard ist einer der großen Jäger der namibischen Savanne. Es gibt jüngsten Studien zufolge eine gesunde und gut verteilte Leopardenpopulation in Namibia, mit einer hohen Dichte im Norden und einer geringen Dichte im Süden. Die genaue Zahl ist noch immer unbekannt. Die extrem anpassungsfähigen und scheuen Einzelgänger jagen bei Nacht und benötigen zwischen 1,6 und 4,9 Kilo Fleisch am Tag. Das bedeutet bis zu 60 erlegte Beutetiere im Jahr. Die Großkatzen sind im Gegenzug aber auch beliebte Beutetiere für Trophäenjäger: Im Jahr sind von der namibischen Regierung 250 Tiere zur Trophäenjagd freigegeben, von denen nur die Hälfte wirklich erlegt wird. Gleichzeitig ist der Jäger, der besonders auch auf Farmland lebt, das Tier, bei dem es die meisten Konflikte mit Menschen gibt. Leoparden leben auf zahlreichen Rinderfarmen des Landes und sind nicht selten für den Verriss von einzelnen Kälbern verantwortlich. Problematisch sind diejenigen Individuen, die sich auf den Fang von Kälbern spezialisieren, häufig alte oder verletzte Leoparden, die bei den schnellen Wildtieren keine Chance mehr haben. Diese müssen dem Bestand entnommen werden. Einzelne Farmen in der Auas Oanob Conservancy verlieren bis zu 25% ihrer Kälber an Leoparden, trotz aufwendiger Schutzmaßnahmen wie die Übernachtung der Kühe und Kälber im Kraal. Viele Farmer sehen nur eine Lösung und schießen die auf ihrem Land beheimateten Tiere. Der Abschuss von Problemtieren ist aktuell erlaubt, sofern das Tier das Leben von Vieh oder Mensch bedroht. Die neuen Territorieninhaber erbeuten dann aber oft auch bevorzugt die leichtere Beute wie Kälber, da sie sich in ihrem Revier noch nicht so gut auskennen.
Doch manche Farmer, wie die der Auas Oanob Conservancy, suchen einen anderen Weg und arbeiten mit Wissenschaftlern zusammen, um mehr über die scheuen Tiere zu erfahren. Denn das Wissen ist begrenzt, und auch die Leoparden haben immer mehr mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Unter dem Einfluss der menschlichen Zivilisation haben die afrikanischen Leoparden 63 bis 75 Prozent ihres angestammten Territoriums verloren, und ein starker Abfall der Beutetiere hat eine schrumpfende Leopardenpopulation zufolge. Die Wissenschaftler hoffen, mit ihren Forschungen zum besseren Verständnis der Tiere beizutragen, und so den Konflikt mit den Farmern zu mindern. Ein ähnliches IZW-Projekt unter der Leitung von Dr. Joerg Melzheimer und Dr. Bettina Wachter mit Geparden war damit sehr erfolgreich: Die Forschungsergebnisse wurden in die Rinderzuchtpraxis integriert und konnten so die verursachten Schäden um über 80 Prozent reduzieren.
Territorialverhalten
Das Territorialverhalten der Leoparden ist dabei ein Schlüsselfaktor, den es zu untersuchen gilt. Männliche Tiere haben ein deutlich größeres Revier als Weibchen, doch männliche und weibliche Territorien überlappen sich. Während erstere im Khomas-Hochland Gebiete einer Größe von 115 bis 518 Quadratkilometern für sich beanspruchen, liegt die weibliche Größe bei etwa 26 bis 90 Quadratkilometern. So kann es sein, dass sich ein männliches Territorium mit zwei bis fünf weiblichen überschneidet. „Leoparden passen die Reviergröße dem Angebot an“, so Krofel. „Während an den Rändern der Reviere manchmal auch zwei Leoparden desselben Geschlechts jagen, findet man im Kerngebiet eines Jagdreviers zumeist ein Männchen und ein Weibchen. Und das macht diese Untersuchung so interessant für uns: Wir wollen herausfinden, inwieweit gerade die beiden Geschlechter unter einander teilen und mit ihrer erlegten Beute umgehen. Denn oft fressen sie sie nicht alleine. Das kann dann auch dazu führen, dass Farmer, die den Jäger ihrer Kälber schießen wollen, das falsche Tier töten.“ Gleichzeitig wird ersichtlich, wie wichtig derartige Forschung ist, um das Verständnis der Farmer gegenüber ihren oftmals unerwünschten Mitbewohnern zu erhöhen. „Viele Menschen denken, dass man das Problem eines Leoparden, der Kälber reißt, löst, indem man das Tier erschießt. Doch wenn es sich nicht gerade um ein Problemtier handelt, das sich auf Rinder spezialisiert hat – und wie viele es davon überhaupt gibt, ist eine wichtige Frage, die beantwortet werden muss -, ist das nicht der Fall. Sobald ein Territorium frei wird, wird ein anderes Tier das Gebiet übernehmen. Es kann sogar dazu kommen, dass sich mehrere Leoparden um das Territorium streiten und es erstmal mehr Leoparden auf der Farm gibt als vorher, bis sich die Machtverhältnisse geklärt haben“, erklärt Krofel.
Zusammenarbeit mit Farmern
Inzwischen liegt die junge Leopardin im Schatten neben dem Geländewagen des Teams auf einem Untersuchungstisch. Portas ruft zu absoluter Stille auf. Jedes Geräusch soll vermieden werden, um dem Tier, das zu Anfang trotz der Betäubung noch bestimmte Dinge wahrnehmen kann, bloß nicht in Stress zu versetzen. Die Wissenschaftler haben etwa 50 Minuten Zeit, bis die Betäubung abklingt. Bis dahin wird das Tier nicht nur besendert, sondern auch so weit wie möglich untersucht, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Gewicht, Temperatur, Blutdruck, sämtliche Körperumfänge - und Längen, Krallen und Zähne werden gemessen, um sich ein Bild des Gesundheitszustands zu machen. Die Forschen nehmen Fell-, Schnurrhaar- und Blutproben. Die Leopardin ist, so erfahren wir es später, etwa sechs Jahre alt, wiegt 32 Kilo und hatte bereits einmal Junge. „Sie ist sehr gesund“, so Portas erleichtert. Die Leopardin auf dem Untersuchungstisch erhält währenddessen regelmäßig Wasser und eine Salzlösung-Infusion, damit sie nicht dehydriert.
Mit dabei sind nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Kinder des Farmerehepaars Heiko und Annette Freyer, auf deren Land Portas und Krofel ihr Projekt leiten. Auch für sie bedeutet das große Aufregung, und mit Begeisterung helfen sie Portas und Krofel bei jeder Gelegenheit. „Damals, als wir die ersten Kälberverrisse durch Leoparden hatten, und uns tatsächlich einer in die Falle ging, wollte mein Mann ihn erschießen. Aber er konnte es nicht übers Herz bringen“, so erzählt uns die Farmerin. „Wir haben uns dann mit Begeisterung für dieses Projekt angeboten, weil wir sehr gerne unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten möchten. Diese Tiere sind zu wertvoll, um sie langsam aussterben zu lassen.“ Auf Nachbarfarmen schießen Farmer viele der Tiere, die ihre Rinder bedrohen. „Das ist noch sehr weit verbreitet.“ Doch bei nachhaltiger Ressourcennutzung wie in der Auas Oanob Conservancy können durch die Einnahmen aus der Trophäenjagd auf Leoparden die finanziellen Einbußen der Farmer durch Leopardenrisse gemindert und die Leopardenbestände so langfristig geschützt werden.
Bis Krofel und Portas genug Leoparden besendert haben, werden noch einige Wochen vergehen. Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt – bis dahin, so hoffen die Wissenschaftler, werden sie verstehen können, wie der Leopard jagt und teilt. Der Sender hört nach etwa 1,7 Jahren auf, zu senden, und fällt durch das vorprogrammierte elektronische Schloss und den erodierenden Verschluss nach einiger Zeit von selbst ab. In der Zwischenzeit sind die Tiere zumindest auf dieser Farm sicher, ein Vorteil, den die meisten namibischen Leoparden auf Farmland nicht genießen. Doch immer mehr Menschen hier wird klar, dass die faszinierenden, scheuen Jäger schützenswert sind – und dass man jede Gelegenheit der Forschung nutzen muss, um Viehverluste zu verhindern, um sie besser zu verstehen und für die Zukunft zu erhalten.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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