"Liebe Freunde, liebe Feinde"
Joseph Diescho predigt, mit der Inbrunst eines Pfarrers. Aber es sind nicht die Gebote der katholischen Kirche, der er angehört, sondern die Werte des Rechtstaates und der Demokratie, die der in Rundu gebürtige Politikwissenschaftler seinen Landsleuten mit solcher Leidenschaft ans Herz legt.
Heute noch solle man zu Präsident Pohamba gehen und mit ihm sprechen, sagt Diescho. Jetzt, zu Beginn seiner Amtszeit, denn jetzt sei der neue Präsident noch offen für Vorschläge und noch guten Willens; in drei bis vier Jahren werde er nur noch in der Defensive sein.
Dr. Joseph Diescho glaubt an die Integrität des Menschen per se, auch an die ursprüngliche Integrität von Politikern. Zumindest daran, dass sie einmal da gewesen ist, bevor der Kampf um die Macht und die Versuchung, sie zu missbrauchen, begonnen haben. Deshalb soll man auch an das Verständnis von Politikern appellieren, ihnen konstruktive Vorschläge unterbreiten, statt sie zu kritisieren.
Der ESCOM-Berater, der in 19 afrikanischen Staaten Seminare für politische Führungskräfte anbietet, hat am Dienstag einen Vortrag zum Thema "Preparing ourselves for the Future" im Kalahari Sands Hotel in Windhoek gehalten, dem eine Diskussion folgte. "Liebe Freunde, liebe Feinde", begrüßte er die knapp 200 Gäste der Organisation "Forum for the Future", und dann fasste Diescho die heißen Eisen der namibischen Politik an: Korruption, Arbeitslosigkeit, mangelndes Demokratieverständnis, Bildung, die große Schere zwischen Arm und Reich. "Henning Melber hat Recht", sagte er: "Namibia hat die Freiheit erlangt, aber ohne die Demokratie zu gewinnen."
Die Menschen in seinem Heimatort hätten Angst, ihn auf der Straße anzusprechen, erzählt der promovierte Politikwissenschaftler und Jurist, weil sie nicht als reaktionär abgestempelt werden möchten. Das Gros der Namibier hätte nur einen kleinen Aspekt des Begriffes Freiheit verstanden. Dabei habe Präsident Pohamba die Zivilgesellschaft gleich zu Beginn seiner Amtszeit aufgefordert, sich einzubringen. Nur: Die Zivilgesellschaft schweige. Kein Wunder, so Diescho. Wie soll man eine Zukunft bauen mit einem afrikanischen Volk, das - einer südafrikanischen Studie zufolge - kein Selbstvertrauen hat, keinen Begriff seiner eigenen Bestimmung und Ziele. "A life unexamined is a life not worth living", zitiert Diescho den römischen Denker Cicero, und er wiederholt dieses Zitat mehrmals am Abend, so wie ein Pastor den Leitspruch seiner Predigt.
Nachdenken sollte Namibia. Zum Beispiel darüber, warum Kabinettsmitglieder und Parlamentarier den Präsidenten am Flughafen verabschieden, jedes Mal wenn der "nach Übersee - nach Botswana" reist. "Welche Arbeitsethik soll dadurch inspiriert werden?", fragt Diescho, und für einen kurzen Moment klingt er wütend. Nachdenken und hinterfragen, solle man. Etwa darüber, warum Namibia mit einer Einwohnerzahl von 1,8 Millionen 27 Minister braucht. Die USA, "die Besten und die Schlimmsten zugleich", hätten für 296 Millionen Einwohner 14 Minister, Südafrika bei 44 Millionen Staatsbürgern 27 Minister, Botswana bei der gleichen Größe wie Namibia nur 13. Und in Namibias erster Regierung nach der Unabhängigkeit hatte es auch nur 16 Minister gegeben.
"Ich kann Ihnen garantieren, dass mindestens 75% unserer Parlamentarier noch nie die namibische Verfassung angerührt haben", so Diescho. Und verwundern tue auch das nicht, wenn man bedenke, dass die Parlamentarierliste der regierenden Swapo aus einer Liste derjenigen "loyalen" Mitglieder entstanden sei, die die meisten Parteikundgebungen besucht hätten.
Doch nicht verurteilen, will er, sagt Diescho, sondern verstehen. Auch die Ursache von Korruption könne er verstehen. Und man dürfe keine Jagd auf Individuen machen, sondern man solle das Umfeld hinterfragen, das Korruption überhaupt erst möglich macht. Hier sieht der 1955 in Rundu Gebürtige einen eklatanten Fehler in der namibischen Verfassung: die Kabinettsmitglieder sollten von der Legislative getrennt werden. Ein Minister, der niemandem außer sich selbst Rechenschaft ablegen müsse, werde niemals ordentlich Rechenschaft ablegen.
Schließlich und endlich, so Diescho, müsse Namibia 15 Jahre nach der Unabhängigkeit endlich aufhören, gegen Kolonialismus und Apartheid zu kämpfen. Denn er habe es satt, dass Leute ihn ständig fragten: "Wann ist diese 'Independence' endlich vorbei?"
Heute noch solle man zu Präsident Pohamba gehen und mit ihm sprechen, sagt Diescho. Jetzt, zu Beginn seiner Amtszeit, denn jetzt sei der neue Präsident noch offen für Vorschläge und noch guten Willens; in drei bis vier Jahren werde er nur noch in der Defensive sein.
Dr. Joseph Diescho glaubt an die Integrität des Menschen per se, auch an die ursprüngliche Integrität von Politikern. Zumindest daran, dass sie einmal da gewesen ist, bevor der Kampf um die Macht und die Versuchung, sie zu missbrauchen, begonnen haben. Deshalb soll man auch an das Verständnis von Politikern appellieren, ihnen konstruktive Vorschläge unterbreiten, statt sie zu kritisieren.
Der ESCOM-Berater, der in 19 afrikanischen Staaten Seminare für politische Führungskräfte anbietet, hat am Dienstag einen Vortrag zum Thema "Preparing ourselves for the Future" im Kalahari Sands Hotel in Windhoek gehalten, dem eine Diskussion folgte. "Liebe Freunde, liebe Feinde", begrüßte er die knapp 200 Gäste der Organisation "Forum for the Future", und dann fasste Diescho die heißen Eisen der namibischen Politik an: Korruption, Arbeitslosigkeit, mangelndes Demokratieverständnis, Bildung, die große Schere zwischen Arm und Reich. "Henning Melber hat Recht", sagte er: "Namibia hat die Freiheit erlangt, aber ohne die Demokratie zu gewinnen."
Die Menschen in seinem Heimatort hätten Angst, ihn auf der Straße anzusprechen, erzählt der promovierte Politikwissenschaftler und Jurist, weil sie nicht als reaktionär abgestempelt werden möchten. Das Gros der Namibier hätte nur einen kleinen Aspekt des Begriffes Freiheit verstanden. Dabei habe Präsident Pohamba die Zivilgesellschaft gleich zu Beginn seiner Amtszeit aufgefordert, sich einzubringen. Nur: Die Zivilgesellschaft schweige. Kein Wunder, so Diescho. Wie soll man eine Zukunft bauen mit einem afrikanischen Volk, das - einer südafrikanischen Studie zufolge - kein Selbstvertrauen hat, keinen Begriff seiner eigenen Bestimmung und Ziele. "A life unexamined is a life not worth living", zitiert Diescho den römischen Denker Cicero, und er wiederholt dieses Zitat mehrmals am Abend, so wie ein Pastor den Leitspruch seiner Predigt.
Nachdenken sollte Namibia. Zum Beispiel darüber, warum Kabinettsmitglieder und Parlamentarier den Präsidenten am Flughafen verabschieden, jedes Mal wenn der "nach Übersee - nach Botswana" reist. "Welche Arbeitsethik soll dadurch inspiriert werden?", fragt Diescho, und für einen kurzen Moment klingt er wütend. Nachdenken und hinterfragen, solle man. Etwa darüber, warum Namibia mit einer Einwohnerzahl von 1,8 Millionen 27 Minister braucht. Die USA, "die Besten und die Schlimmsten zugleich", hätten für 296 Millionen Einwohner 14 Minister, Südafrika bei 44 Millionen Staatsbürgern 27 Minister, Botswana bei der gleichen Größe wie Namibia nur 13. Und in Namibias erster Regierung nach der Unabhängigkeit hatte es auch nur 16 Minister gegeben.
"Ich kann Ihnen garantieren, dass mindestens 75% unserer Parlamentarier noch nie die namibische Verfassung angerührt haben", so Diescho. Und verwundern tue auch das nicht, wenn man bedenke, dass die Parlamentarierliste der regierenden Swapo aus einer Liste derjenigen "loyalen" Mitglieder entstanden sei, die die meisten Parteikundgebungen besucht hätten.
Doch nicht verurteilen, will er, sagt Diescho, sondern verstehen. Auch die Ursache von Korruption könne er verstehen. Und man dürfe keine Jagd auf Individuen machen, sondern man solle das Umfeld hinterfragen, das Korruption überhaupt erst möglich macht. Hier sieht der 1955 in Rundu Gebürtige einen eklatanten Fehler in der namibischen Verfassung: die Kabinettsmitglieder sollten von der Legislative getrennt werden. Ein Minister, der niemandem außer sich selbst Rechenschaft ablegen müsse, werde niemals ordentlich Rechenschaft ablegen.
Schließlich und endlich, so Diescho, müsse Namibia 15 Jahre nach der Unabhängigkeit endlich aufhören, gegen Kolonialismus und Apartheid zu kämpfen. Denn er habe es satt, dass Leute ihn ständig fragten: "Wann ist diese 'Independence' endlich vorbei?"
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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