Loading svg Please wait while we translate the article

Mail: Konflikt mit den Tuareg bringt Präsidenten zu Fall

Wenige Länder in Afrika haben in den letzten Jahren eine solch positive Presse erhalten wie der Wüstenstaat Mali. Zusammen mit Ghana zählt die frühere französische Kolonie zu den wenigen wirklich demokratischen Ländern des Kontinents. Anders als in den meisten anderen Staaten ist der Präsident hier auf nur zwei Amtszeiten beschränkt - und die Rolle der Opposition fest in der Verfassung verankert. Unter Präsident Amadou Toumani Toure hat sich Mali als ein solch verlässlicher Partner erwiesen, dass die Amerikaner hier den Bau von Militärbasen im Kampf gegen den sich ausbreitenden Terrorismus in Nordafrika erwägen.

Umso besorgniserregender ist, dass nun auch diese Insel der Stabilität zu kippen droht. Nachdem aufständische Truppen am Mittwoch vergangener Woche die staatliche Radio- und Fernsehstation in der Hauptstadt Bamako übernommen hatten, verkündeten sie tags darauf, unmittelbar nach einem erfolgreichen Angriff auf den Präsidentenpalast, die Übernahme des Staates. Offenbar wurden dabei auch mehrere Minister der Regierung festgenommen. Eine unabhängige Quelle bestätigte zudem, dass sich Präsident Toure nicht im Palast befunden habe und offenbar auf der Flucht sei. Zusammen mit einigen loyalen Soldaten soll er in ein Militärcamp gebracht worden sein, berichtete das staatliche Fernsehen. Gleichzeitig wurden die Verfassung außer Kraft gesetzt und eine strikte Ausgangssperre verhängt. Begründet wurde der Staatsstreich mit der "Unfähigkeit" der malischen Regierung, die jüngste Revolte der Tuaregs im Nordosten des Landes niederzuschlagen und die reguläre Armee dafür mit ausreichend Waffen zu versorgen.

Sowohl der Putsch als auch die jüngste Rebellion der Tuareg sind eine Spätfolge des Krieges in Libyen. So sind nach dem Sturz des dortigen Gaddafi-Regimes bis zu 2000 malische Tuaregs in ihre Heimat zurückgekehrt, die zuvor in den Diensten des libyschen Diktators gestanden hatten. Gaddafi hatte die (hellhäutigen) Tuareg 2008 im Anschluss an deren letzte Revolte in Mali in seine Armee integriert. Nach malischen Angaben bedienten sich die Tuareg-Söldner nach dem Sturz Gaddafis an dessen Waffenarsenal - und kehrten im Oktober schwer bewaffnet auf Pritschenwagen mit darauf montierten Maschinengewehren in ihre Heimat zurück. Neben Stalinorgeln und Minenwerfern sollen sie auch über Boden-Boden- und sogar Boden-Luft-Raketen verfügen.

Die nur auf rund 7000 Soldaten geschätzte und auch nur schwach bewaffnete malische Armee moniert seit längerem die Nachgiebigkeit ihrer Regierung gegenüber den Tuareg-Rebellen und lehnt auch mögliche Verhandlungen mit ihnen ab. Präsident Toure hatte den Tuareg nach der Rückkehr ihrer Kämpfer aus Libyen weitreichende Zugeständnisse offeriert, darunter eine Quasi-Autonomie auf Provinzebene. Allerdings hatten die Rebellen all diese Konzessionen abgelehnt.

Stattdessen haben die Tuareg in den letzten Monaten die malische Armee aus mehreren Orten im Norden des Landes verdrängt. Nachdem sie Mitte März auch die strategisch wichtige Militärbasis Tessalit erobert hatten, drängte die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas ihre Mitglieder Mitte März, der stark unter Druck geratenen Regierung in Mali militärisch wie logistisch zu helfen.

Für Mali, aber auch die zuletzt von Unruhen in Senegal und Nigeria erschütterte Region steht viel auf dem Spiel: Eigentlich sind in Mali für den kommenden Monat allgemeine Wahlen geplant, an denen der bisherige Präsident Toure nach zwei Legislaturperioden aber nicht mehr teilnehmen darf. Daneben gilt der Norden des Landes seit längerem als Rückzugsgebiet eines lokalen Ablegers der islamistischen Terrororganisation Al Qaida.

In westlichen Militärkreisen wird befürchtet, dass die Tuareg sich mit den islamistischen Fundamentalisten verbünden werden, weil beide nicht nur den gleichen Feind, sondern auch ethnisch enge Bande haben. Dies könnte den religiösen Frieden im Land nachhaltig erschüttern. Obwohl 80% der Bevölkerung muslimischen Glaubens sind, wurde das Land zuletzt von einem christlichen Präsidenten regiert. Allerdings bestreiten die Tuaregs eine Verbindung zu dem Al-Qaida-Ableger. Gleichwohl wird vermutet, dass sich die Islamisten bei den Tuaregs längst mit hochmodernen Waffen aus libyschen Beständen eingedeckt haben.

Seit Jahren bereitet die große Ausdehnung des Landes, das mehr als dreimal so groß wie Deutschland ist, der Zentralregierung in Bamako Probleme. Erschwert wird seine Kontrolle zum einen von den fehlenden Geldmitteln, zum anderen dadurch, dass die meisten Gegenden der Sahara kaum zugänglich sind. Vor allem das Wüstennest Gao, ein Hauptumschlagplatz für auswanderungswillige Afrikaner aus West- und Zentralafrika nach Europa, ist zu einer Hochburg krimineller Elemente geworden. Kein Wunder, dass ausgerechnet dort am Mittwoch auf einer Militärbasis auch die ersten Ausschreitungen meuternder Soldaten gegen die Regierung in Bamako begannen.

Info
Die Tuareg rebellieren seit der Unabhängigkeit von Mali und Niger im Jahre 1960 regelmäßig gegen die dort ansässigen Zentralregierungen. Dabei geht es den einstigen Nomaden inzwischen nicht mehr um den Zugang zu ihren alten Wanderrouten, sondern um eine stärkere wirtschaftliche Entwicklung der von bis vor kurzem noch sehr vernachlässigten Region. Obwohl Mali mittlerweile größere Summen in Schulen und Krankenhäuser im Norden des Landes steckt, wurden die den Tuareg gemachten Zusagen in der Vergangenheit oft gebrochen.

Hintergrund
Berlin (dpa) - Mali zählt zu den 25 ärmsten Ländern der Welt. Auf 1,24 Millionen Quadratkilometern leben geschätzt rund 14,5 Millionen Menschen. 90 Prozent von ihnen sind Muslime. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 53 Jahren.
Korruption und hohes Bevölkerungswachstum stehen der wirtschaftlichen Entwicklung in dem zu 60 Prozent von Wüste bedeckten Land im Weg. Als einer der wichtigsten europäischen Handelspartner liefert Deutschland vor allem Textilien, Fahrzeuge, Maschinen und chemische Erzeugnisse.

Die meisten Menschen in Mali leben vom Ackerbau, das Land ist einer der wichtigsten Baumwoll-Produzenten in Afrika. Verheerende Dürreperioden haben der Landwirtschaft jedoch nachhaltig geschadet. Derzeit wird die westafrikanische Sahelzone zum dritten Mal in einem Jahrzehnt von der Dürre heimgesucht, Mali gehört zu den am stärksten betroffenen Ländern.

Vor dem Putsch herrschten in dem von Frankreich seit 1960 unabhängigen Wüstenstaat seit den ersten freien Wahlen 1992 stabile und demokratisch legitimierte Verhältnisse. Frauen sind jedoch weiterhin stark benachteiligt, Männer haben das Recht zur Polygamie.

Mali hat einige der bekanntesten afrikanischen Musiker hervorgebracht. Viele Europäer besuchen das weltberühmte alljährliche "Festival in der Wüste" in der Oase Essakane. Die Gefahr von Entführungen mit islamistischem oder kriminellem Hintergrund ist stets gegeben, weshalb vor Reisen in nördliche und nordöstliche Gebiete gewarnt wird. Bei der Entführung mehrerer Touristen war dort im November 2011 ein Deutscher erschossen worden.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

Katima Mulilo: 23° | 38° Rundu: 24° | 35° Eenhana: 23° | 35° Oshakati: 25° | 34° Ruacana: 24° | 35° Tsumeb: 22° | 33° Otjiwarongo: 20° | 32° Omaruru: 22° | 36° Windhoek: 21° | 33° Gobabis: 23° | 34° Henties Bay: 15° | 19° Swakopmund: 15° | 16° Walvis Bay: 14° | 23° Rehoboth: 21° | 34° Mariental: 21° | 36° Keetmanshoop: 18° | 36° Aranos: 22° | 36° Lüderitz: 15° | 26° Ariamsvlei: 18° | 36° Oranjemund: 14° | 22° Luanda: 24° | 25° Gaborone: 22° | 36° Lubumbashi: 17° | 34° Mbabane: 18° | 32° Maseru: 15° | 32° Antananarivo: 17° | 29° Lilongwe: 22° | 35° Maputo: 22° | 36° Windhoek: 21° | 33° Cape Town: 16° | 23° Durban: 20° | 26° Johannesburg: 18° | 33° Dar es Salaam: 26° | 32° Lusaka: 22° | 36° Harare: 20° | 31° #REF! #REF!