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Massenflucht gen Süden: Neues Zuhause in Südafrika
Massenflucht gen Süden: Neues Zuhause in Südafrika

Massenflucht gen Süden: Neues Zuhause in Südafrika

Auf der Flucht vor Armut, Krieg und Gewalt machen sich viele afrikanische Kinder und Jugendliche allein auf den Weg über Grenzen, sei es auf der nördlichen Route nach Europa oder gen Süden in Richtung Südafrika. Ein Heim in Kapstadt bietet ihnen ein Zuhause. Der 19-jährige Samuel war fast zehn Jahre lang unterwegs. Als in seinem Heimatland Kongo ein Bürgerkrieg ausbrach, musste seine Familie fliehen. Im Chaos der Flucht wurde der Junge von seinen Eltern getrennt. Allein überquerte er die Grenze nach Sambia und floh weiter über Angola und Namibia nach Südafrika, wo er endlich ein Zuhause fand. „Es war, als ob alles um mich herum zusammenbrach“, erzählt der zurückhaltende Teenager von der Flucht. So wie Samuel entscheiden sich jedes Jahr Tausende afrikanischer Flüchtlinge, Richtung Süden zu ziehen, statt gen Norden über die Sahara und das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Südafrika ist eines der Hauptziele für Migranten auf dem Kontinent. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge hat das Land bereits mehr als 300000 Asylsuchende und Flüchtlinge aufgenommen. Südafrika ist nicht nur einer der reichsten Staaten des Kontinents, das Land gibt erwachsenen Asylsuchenden auch das sofortige Recht, studieren und arbeiten zu dürfen. Asylbewerber sind Einheimischen rechtlich nahezu gleichgestellt, dürfen sich während der Dauer ihres Antragsverfahrens frei im Land bewegen, Flüchtlingslager gibt es keine. Die letzten fünf Jahre hat Samuel im Lawrence House verbracht, einem Kinderheim in Kapstadt, das sich um unbegleitete und verwaiste Flüchtlingskinder kümmert. In dem ehemaligen Kloster lebt Samuel mit 24 anderen Jungen und Mädchen aus Ländern wie Somalia, Ruanda, Angola, Namibia und Simbabwe. Erstmals seit seiner Ausreise aus dem Kongo hat er einen Ort, an dem sich jemand um ihn kümmert, wo er lernen und sich entwickeln kann und ärztlich versorgt wird. Er hat hier auch Zugang zu Therapeuten und Rechtsberatung. „Es fühlt sich fast wie ein richtiges Zuhause an“, sagt Samuel, während er in einem Schulbuch blättert. Die sechs Sozialarbeiter in dem Kinderheim seien mehr wie Eltern, nicht wie Betreuer, findet er. Das Lawrence House ist ein klappriges Gebäude mit hohen Decken, langen Korridoren und knarrenden Holzfußböden. Die kleinen Schlafzimmer, die von je zwei oder drei Kindern geteilt werden, sind nur spärlich möbliert. Aber die Atmosphäre ist herzlich, und die Kinder und Jugendlichen machen einen glücklichen Eindruck. „Wir wollen ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl und eine eigene Identität vermitteln“, erklärt Heimleiterin Giulia Treves. „Die Kinder sind entwurzelt. Wir wollen ihnen einen Ort bieten, an dem sie wieder Kind sein dürfen.“ Besonders schwierig sind die psychologischen Folgen, mit denen ein alleinstehendes Flüchtlingskind zu kämpfen hat. Wenn die Kinder im Lawrence House ankommen, leiden die meisten unter einem posttraumatischen Stresssyndrom und haben eine Art reduzierten Überlebensmodus eingeschaltet, wie Treves erklärt. Viele seien unterernährt, einige auf ihrer Reise sexuell missbraucht oder anderweitig misshandelt worden. Das 2005 eröffnete Lawrence House ist eine der wenigen Einrichtungen in Südafrika und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, die sich auf die Bedürfnisse von Migrantenkindern ohne gesetzlichen Vormund spezialisiert haben. Da die Behörden nicht systematisch erfassen, wie viele minderjährige Flüchtlinge jedes Jahr ohne Begleitung in Südafrika ankommen, gibt es keine Statistiken. Doch Treves sagt, sie erhalte jede Woche Anfragen. Die meisten muss sie ablehnen, denn die 25 Betten im Lawrence House sind praktisch immer belegt. In Südafrika fallen unbegleitete Flüchtlingskinder durch die Lücken des Systems. Ohne einen Vormund können sie sich nicht um Asyl bewerben, sondern werden stattdessen durch das südafrikanische Kindergesetz geschützt. Sobald sie jedoch mit 18 volljährig werden, entfällt dieser Schutz. Die jungen Erwachsenen gelten nun als illegal Eingewanderte und können gezwungen werden, in ihre Heimatländer zurückzukehren, obwohl sie dort oft keine Familie mehr haben und sich kaum an ihr Leben vor der Flucht erinnern. José aus Angola wird sich bald in diesem rechtlichen Niemandsland befinden, sein 18. Geburtstag steht unmittelbar bevor. Nach einem Aufenthalt in einer Flüchtlingsunterkunft hat José die vergangenen zehn Jahre im Lawrence House gelebt. Er erinnert sich nicht mehr an seine frühe Kindheit in Angola und beherrscht die dortige Landessprache Portugiesisch kaum. „Alle Leute, die ich kenne, sind in Südafrika“, sagt José. „Ich könnte mir zwar vorstellen, Angola eines Tages zu besuchen. Aber leben will ich dort nicht.“ Die Gefahr einer Zwangsdeportation gefährdet all seine Zukunftspläne, nicht zuletzt Josés Hoffnung, in Südafrika Grafikdesign zu studieren. „Kinder auf eine Abschiebung vorzubereiten, kann sehr traumatisch sein“, sagt Heimleiterin Treves. „Was da passiert, ist kompletter Blödsinn.“ Kristin Palitza, dpa

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Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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