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Menschen müssen erst ehrlich sein

Namibia ist für seine Landschaft berühmt, für die weit offenen Flächen, die spektakulären Dünen und Küstenszenen. Ich möchte einen Vergleich zwischen der geologischen und der intellektuellen Landschaft ziehen.

Zwei kürzlich gemachte intellektuelle Äußerungen sollen diese typisch namibischen Erscheinungen illustrieren. Seit Wochen folge ich der Diskussion über die Exkommunizierung des Paters Petrus. Dieser katholische Priester hatte sich auf Übersinnliches spezialisiert. Gert Petrus von der Heiligen-Marias-Hilfe-Christengemeinde in Khomasdal glaubte, er sei von Mitgliedern seiner Gemeinde verhext worden. Deshalb entschloss er sich zu Gegenmaßnahmen, die ihm den "nom de guerre" des "Tokolosche bekämpfenden Priesters" erwarben.

Klapsmühle und Dämonenglauben

Wenn man diesen Mann meinetwegen nach Kopenhagen oder Cupertino versetzen würde, müsste man ihn dort in der Klapsmühle besuchen. Wie kann ich so was behaupten? Zwei Dinge sind außerhalb Namibias (oder Afrikas) anders: 1. Der Glaube in übersinnliche Kräfte von Dämonen, Geistern, Feen und Elfen trifft heutzutage auf große Skepsis. 2. Das Gefühl, dass Religion und ihre Vertreter von weltlichen Angelegenheiten unberührt bleiben sollten, verschwindet zunehmend. Es gibt sogar eine Organisation, die sich verpflichtet fühlt, Rationalität und Zivilrechte in diesem Bereich aufrecht zu erhalten. "The Brights" ist eine internationale Vereinigung von Individuen, die nicht an übernatürliche Kräfte glauben und für zivile Gleichberechtigung und die Abschaffung der Privilegien für Personen und Institutionen eintreten, die an übernatürliche Kräfte glauben Das schließt auch die Hinterfragung der kirchlichen Dogmen mit ein. Unter diesem unafrikanischen Blickwinkel kann Pater Petrus als geistesgestört diagnostiziert werden, er hat Wahnvorstellungen über Erscheinungen, die sich wissenschaftlich nicht bewahrheiten lassen.

Erklärungsbedarf

Darauf antwortet die afrikanische Kultur und Religion, dass Wissenschaft eben nicht alles erklären kann. Das ist völlig richtig! Ich tendiere dazu zu sagen: Es gibt Dinge, die die Wissenschaft noch nicht erklären kann. Aber Wissenschaft kann Aussagen physischer Natur überprüfen, die vom abergläubischen und religiösen (Un-)Verstand gemacht werden. Ich bin sicher, dass die Beobachtungen von Herrn Petrus über die Tokolosche leicht wissenschaftlich verworfen werden können. Jeder, der daran zweifelt, kann eine Million US$ verdienen, wenn er James Randi ein paranormales Ereignis nachweisen kann. Randi ist ein amerikanischer Zauberkünstler, der hunderte Zaubereien und Wunder vorführen kann.

Diese Zurückweisung seiner übersinnlichen Behauptungen ist ein starkes Indiz dafür, dass etwas mit dem Glauben des Pater Petrus nicht stimmt oder seine Einbildung ihm einen Streich gespielt hat. Aber in Afrika ist dieser intellektuelle Status nicht nur geduldet, sondern wird von vielen geteilt. Glücklicherweise hat die Justiz klaren Kopf behalten. Aber Leserbriefe unterstützen ihn mehrheitlich. Dies ist ein echtes Problem für die katholische Kirche:

Kirchliches Spagat

Einerseits muss sie wenigstens halbwegs mit wissenschaftlichen Wahrheiten übereinstimmen und andererseits zollt sie den traditionellen heidnischen Glaubensvorstellungen ,Respekt' indem sie übersinnliche Wesen nicht verneint. Es ist ein wahrer Spagat wo die Grenzlinie zu ziehen ist: glaubst Du es gibt Tokolosche? Glaubst Du die Zahn-Fee existiert? Glaubst Du Jesus Christus ist eine reale Person/Gottheit oder fällt Jesus in die Kategorie des Weihnachtsmanns und des Klapperstorchs? Es könnte jemandem auffallen, dass dort logisch keine Grenze gezogen werden kann: entweder es gibt Übersinnliches oder nicht; es ist wie mit schwanger. Daher darf die Kirche nicht jeden beliebigen Priester mit dieser empfindlichen Angelegenheit betrauen, nur speziell ausgebildete und besonders glaubensfeste Priester, die die genaue Unterscheidung zwischen den heidnischen und den christlichen Dämonen kennen können Exorzismus betreiben. In der Vergangenheit hatte die Kirche große Probleme mit Dämonen, aber sie kann die Dämonen nicht völlig ignorieren, ohne widersprüchlich zu sein. Dies ist der traditionelle (eisenzeitliche) Modus des namibischen Intellekts.

Taschenspieler-Tricks

Am anderen Ende des intellektuellen Spektrums befindet sich ein verwestlichtes afrikanisches Individuum namens Alfredo T. Hengari. (D.Red.: Er publiziert wöchentlich in einer englischsprachigen Tageszeitung.) Derselbe verehrt intellektuelle Tugenden in Stile des zwanzigsten Jahrhunderts französischer Herkunft. Er macht es genau wie Herr Petrus, der sich zum Dämonenspezialisten ernannt hat, er ruft sich als öffentlicher Intellektueller aus, diese Position mit seiner ausgezeichneten Ausbildung begründend. Ebenso wie Vater Petrus mangelt es ihm an Kompetenz, um diese Rolle auszufüllen. Wie die (un)glücklichen Katholiken hat Hengari auch seine Bewunderer, die von seinen Taschenspieler-Tricks beeindruckt sind. Tricks, die er anwendet, indem er die englische Sprache verunstaltet und die Grammatik und Syntax verbiegt, um möglichst fetzige Schlagzeilen zu erhalten. Wenn man sich näher anschaut was Hengari zu sagen versucht, kriegt man das Gefühl dass er auf etwas herumkaut, ohne zu wissen, was es ist. Diese Art von Intellektualität ist gleichwohl nutzlos für die namibische Landschaft, weil sie nichts erhellt und kein kritisches Denken fördert. Es ist die gleiche opportunistische Selbstzufriedenheit, mit der Vater Petrus seine Hexenaustreibungen verfolgt hat.
Diese beiden entgegengesetzten Enden der intellektuellen Bandbreite haben gleiche Eigenschaften, die aus der gleichen Wurzel entspringen:
Verlogenheit. Die Menschen müssen erst lernen ehrlich zu sein, bevor man von Intellektualität sprechen kann. Die 'eiserne Regel':" Ehrlich sein ist dumm" muss erst überwunden werden, um einen sinnvollen Dialog beginnen zu können.

Jochen Becker, Windhoek

(D. Red.: Die Leserzuschrift wurde im vergangenen Jahr aktuell zu einem Konflikt verfasst. - Das Theologische Seminar in Windhoek West/Dorado Park hat zu Beginn dieses Jahres 2012 einen öffentlichen Kursus für Prediger, Studenten und andere Interessierte angeboten, um auf praktizierende Magiker, "Medizinmänner" und Wunderheiler in der namibischen und weiteren afrikanischen Gesellschaft hinzuweisen, aber nicht um solche Praxis zu lehren. Der Kursus hat etliche Bibelstellen behandelt, in denen von Magie und üblen Geistern die Rede ist, beziehungsweise vor ihnen gewarnt wird oder sie ausgetrieben werden. Die Dozenten haben versucht, die Kursteilnehmer auf christlicher Grundlage zu rüsten, nüchtern und vorbereitet mit dem weit verbreiteten Phänomen in der Gesellschaft umzugehen.)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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