„Miss Namibia“-Chaos im Haus
Alles kommt völlig unerwartet, als ich an einem normalen Freitag (21. Juni) meine Kollegin, gute Freundin und Mitbewohnerin Chantelle Roets von der Arbeit abholen will. Als ich ins Gebäude laufe, ist sie am Telefon - ein überraschender Anruf von Conny Maritz, Organisatorin des Wettbewerbs: Chantelle ist in den Top 30 und ich bin mir sicher, dass ich noch nie jemanden so blass gesehen habe.
Nun aber erstmal ein paar Worte über Chantelle. Sie ist ein 23-jähriges Alternativ-Modell für die südafrikanische Modelagentur Emalyth. Sie ist 1,79 Meter lang, schlank und sarkastisch, wenn es drauf ankommt - und sie ist tätowiert. Für mich ist es ein riesiger Schock zu sehen, wie diese eigenwillige Frau auf einmal hyperaktiv, gestresst und panisch wird. Der Grund: Eine Woche später, am 28. Juni, soll sie in einem Business-Dress im Country Club antanzen - dort werden dann die zwölf Finalistinnen von den 30 Bewerberinnen ausgewählt.
Was hat diese Nachricht für meine Mitbewohnerin und mich bedeutet? Shoppen! Das hat zwei Gründe: Zum einen ist da das Problem, dass alle unsere Schönheitsprodukte sich irgendwo in einem Karton ganz hinten in der Garage unseres neuen Hauses befinden, und zum anderen besitzt Chantelle keinen Business-Anzug. Und - wie sich dann noch an dem gleichen Wochenende herausstellte, hat sie auch keine genaue Vorstellung von einem solchen Dress. Auf dem Heimweg sagt sie noch zu mir: „Ich dachte mir, dass ich einen Jeans-Rock und eine schicke Bluse anziehe.“ Ich bin sprachlos und verspreche mir selber, sie nicht allein in die Geschäfte gehen zu lassen.
Am Samstag gibt es zubnächst kräftig Unterstützung von zwei Frisörinnen. Eine verpasst Chantelle einen neuen Haarschnitt und die andere eine neue Haarfarbe (ihre natürliche Haarfarbe, da ihre Haare gefärbt waren). Am Sonntagvormittag heißt es für uns früh aus den Federn und ab zum Einkaufszentrum bzw. zu diversen Modegeschäften. Einmal im Laden, wird es Chantelle langsam klar, was mit einem Business-Anzug gemeint ist und dann geht das Aussuchen ganz fix. Darauf folgen eine kleine Menge Schönheitsprodukte. Am Abend folgt zuhause erst einmal eine kleinere Modenschau und wir machen uns Gedanken, welches Makeup am besten zu Chantelles Klamotten passt.
Für zwei Tage ist dann auch alles ruhig, bis wir am Mittwoch (26. Juni) der Meinung sind, dass wir nicht genug Schönheitsprodukte haben. Also wieder zum Einkaufszentrum, diesmal zum Speed-Shopping, denn die Mittagspause ist kurz: 30 Minuten und über 1000 Namibia-Dollar später haben wir genügend Schönheitsprodukte - und doch ein recht flaues Gefühl, denn wir beide shoppen eigentlich nicht so gerne.
Am Donnerstagabend herrscht erstmal totales Chaos im Haus. Für Chantelle heißt das: duschen, rasieren, Gesichtsmasken auflegen und am wichtigsten: früh ins Bett. Danach folgt die Ruhe vor dem Sturm, bis am Freitagmorgen erneut Chaos ausbricht. Ich werde wach und finde eine komplett aus der Fassung gebrachte Chantelle vor - was jetzt irgendwie schon lustig wirkt.
Kaum ist sie aus dem Haus, muss ich auch schon wieder los zur Arbeit - und warte dort gespannt auf Neuigkeiten. Endlich um 13 Uhr kommt die Nachricht, dass Chantelle auf dem Weg zum Büro ist. Dann ist sie da. Wie ist es gelaufen? Zu diesem Zeitpunkt ist sie noch recht optimistisch und erklärt mir, dass die aus den 30 Damen ausgewählten Finalistinnen zwischen 16 und 17 Uhr einen Anruf erhalten sollen. Noch nie habe ich meine Mitbewohnerin so nervös gesehen. Um fünf Uhr steht dann fest, dass sie keine Finalistin ist, es also nicht geschafft hat.
Woran lag es? Unsere Vermutung: an ihren Tätowierungen. Sie erzählt mir Schritt für Schritt, was im Country Club abgelaufen ist, damit wir alles analysieren können. Jede der Semifinalistinnen wurde von der Jury zu einem fünfminütigen Gespräch gerufen. Dieses schien für Chantelle recht gut gelaufen zu sein, da sie die Jury öfters zum Lachen brachte - also ganz in ihrem Element war. Auch als sie ihre Brille - ohne die sie praktisch blind ist - abnehmen musste, war noch alles okay. Am Interview hat es nicht gelegen.
Nach dem Interview hieß es ab in den Bikini - der alle ihre Tattoos offenbart. Im Bikini stand das Rumstolzieren vor der Jury auf dem Programm - wie auf einem Laufsteg. Chantelle tat dies ohne Brille und hatte sich ihrer Aussage zufolge prompt verlaufen und musste es nochmal machen.
Am Ende hat es für sie nicht gereicht. Der Versuch, unsere Vermutungen „offiziell“ zu bestätigen scheitert, da Conny Maritz nicht erreichbar ist. Doch aufgegeben habe ich noch nicht.
Carla Rattay
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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