Missionarin ohne Heiligenschein

Geschichten einer Legende Jackson arbeitet täglich bis zu 14 Stunden in einem zwei qm² „großen“ Tonstudio in Katutura an seiner neuen CD. Sie soll „Tales of a Legend“, Geschichten einer Legende, heißen. Am 19. Juli 2008 soll sie der Öffentlichkeit bei einem großen Comeback - Geburtstagskonzert vorgestellt werden. Sponsoren haben bereits eine meterlange Sachertorte gesponsert, von dem jeder Gast ein Stückchen abbekommen soll. Ein Freund von Jackson beteiligt sich an den Produktionskosten. Die Aufregung ist auf allen Seiten groß. Die Medien berichten ständig von dem bevorstehenden Großereignis. Jackson ist so glücklich, wie ich ihn selten erlebt habe. Er hatte nicht mehr daran geglaubt, dass er als Künstler noch mal so richtig durchstarten würde. Jetzt erwacht sein Traum zu neuem Leben. Auch beziehungstechnisch könnte es nicht besser laufen. Das Glück und die Zufriedenheit scheinen uns aus den Augen zu leuchten. Selbst dem Premierminister bleibt das nicht verborgen. Er meint, dass wir beide nie besser ausgesehen hätten. Was denn wohl unser Geheimnis wäre? - wir verraten es (noch) niemandem, dass die Liebe, die wir füreinander empfinden, uns anscheinend so aufblühen lässt.Herausforderungen Wie könnte es anders sein? - es bahnen sich erneut Katastrophen an. Die CD soll eine musikalische Reise durch Namibia sein, bei der jedes Lied in einer anderen Sprache Namibias gesungen wird. Als Jackson und ich, zwei Tage bevor die Lieder nach Südafrika zur Herstellung der Masterkopie geschickt werden sollen, beim Frühstück zusammen sitzen, fährt mir der Schreck in die Glieder. „Jackson. Wir haben eine Sprache vergessen.“ Jackson zählt alle Sprachen durch. „Nein. Du irrst dich. Mehr Sprachen gibt es nicht in Namibia.“ „Doch“, beharre ich, „es fehlt eine - deutsch!“ Ich sehe an Jacksons Gesicht, das ich Recht habe. „Was nun“, fragt er. Na klar. Ich bin seine Managerin. Ich muss eine Lösung für das Problem finden. „Welches einfache, bekannte Lied gibt es, für das es keine Musikrechte gibt und einfach ins Deutsche übersetzt und vertont werden kann“, frage ich ihn. „Gospel“, antwortet Jackson. „Wie wäre es dann mit dem Lied „KumbaYa, my Lord?“, frage ich hoffnungsvoll. Ein Leuchten geht durch Jacksons Gesicht. Jackson schnappt sich seine Gitarre und fängt an das wunderschöne Anbetungslied zu spielen. Ich hole mir Papier und Bleistift. Jackson singt auf englisch, ich versuche es gleichzeitig auf deutsch. In null Komma nix entsteht so eine deutsche Jackson-Version des berühmten Liedes. Ich bin begeistert von Jacksons unglaublichem Improvisationstalent. Außerdem mag ich diese Kreativität zwischen uns. Mit einem ruhigen Frühstück am Morgen ist es nun endgültig vorbei - Jackson springt auf und rauscht in Windeseile erneut ins Tonstudio. Am Abend kommt er sichtlich erschöpft, aber zufrieden, wieder. Diese Herausforderung ist auch gemeistert. Zwischen uns heißt dieses Lied nur noch „der Breakfast-Song“. Eine Katastrophe kommt selten alleine. Leider. Die Produktionsfirma, die wir in Südafrika mit der Produktion der Masterkopie beauftragt haben, teilt uns mit, dass das Video und die Musikstücke vom Datenvolumen zu groß seien und nicht auf eine CD passen würden. Ob man das denn nicht auf einer DVD speichern könnte, frage ich. Eine CD/DVD wäre eine Möglichkeit, würde aber für 500 DVDs ca. 1000 Euro mehr kosten. Oh Gott. Auch das noch. Aber eine bessere Lösung fällt mir nicht ein. Also sagen wir zu. Auch wenn ich das Geld dafür noch irgendwie auftreiben muss. Mir fällt ein, das ich bei der NBC noch einen Rentenfonds habe, den sie mir noch nicht ausbezahlt haben. Der entspricht kurioserweise exakt der Summe für die Mehrkosten. Wie sich die Dinge manchmal schicksalhaft zusammenfügen, erfüllt mich mit einem Gefühl von Ehrfurcht. Dann ist es endlich soweit. Am Morgen kommen, auf den letzten Drücker, die 500 frisch gepressten Musik-DVDs an. Meine Nerven lagen deswegen schon blank. Ein Comeback ohne CD wäre die größte Blamage aller Zeiten geworden. Ich kann das Gefühl kaum beschreiben, das ich habe, als ich dieses Wunderwerk an Kreativität in den Händen halte. Monatelange Arbeit und Riesensummen an Geld stecken in diesem kleinen Stückchen Plastik. Musikalisches Comeback Das Warehouse ist vollkommen ausgebucht. Es wird eine großartiger Abend. Jackson kann zeigen, dass er noch lange nicht „zum alten Eisen” gehört und den Titel „Namibias Musiklegende” zu Recht trägt. An dem Abend lerne ich auch die Mutter seiner ersten beiden Kinder, einem Zwillingspaar, das inzwischen über 30 Jahre alt ist, kennen. Sie ist mir sofort sympathisch. Eine mollige, bodenständige, warmherzige Frau. Zu meiner großen Überraschung ist auch Jacksons Erstgeborene zu dem Konzert extra aus Botswana angereist. Die meisten Verwandten wissen noch nicht einmal etwas von ihrer Existenz. Jackson hatte auf der Flucht ins Exil eine Affäre mit einer Frau in Botswana. Bevor seine Tochter geboren war, musste er fliehen und fand unter anderem Zuflucht in Schweden. Nach seiner Rückkehr nach Namibia, nach dessen Unabhängigkeit 1990, hat er sich auf die Suche nach seinem Kind begeben und wurde in Gaborone fündig. Die junge Frau ist Jackson wie aus dem Gesicht geschnitten. Leider kann sie nur eine Nacht bei uns zu Besuch bleiben, bevor wir die Chance haben, uns besser kennenzulernen. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass Jackson ein Mann mit Geheimnissen ist. Nun ist wieder ein großes gelüftet.

Missionarin ohne Heiligenschein

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-01-16

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