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Missionarin ohne Heiligenschein
Missionarin ohne Heiligenschein

Missionarin ohne Heiligenschein

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia (Teil 50)
Wiebke Schmidt
Neue Wohnung

Am 26.12.2007 ziehe ich um. Fast könnte ich die Möbel in mein neues Zuhause rüber werfen. Sie ist gerade mal 50 Meter von meiner alten Wohnung entfernt. Nachdem die Möbelpacker da waren, sehen meine Möbelstücke teilweise auch so aus, als wenn sie das versucht hätten…

Während ich meine Kisten in einen Raum trage, räumt Frau Ernsting ihre aus dem angrenzenden Raum aus. Auch sie zieht gerade mal 20 Meter weiter und ist damit meine zukünftige Nachbarin. Allerdings zieht Maria nun doch nicht mit ein. Die Wohnung entspricht nicht ihren Fengh Shui-Grundsätzen. Das Schlafzimmer hat kein Parkett, sondern nur einen Bodenbelag aus Linol. Außerdem gefällt ihr mein Kochen mit Fleisch nicht, da sie strenge Vegetarierin ist. Und mir gefällt als Nichtraucherin nicht, dass sie permanent Zigarillos qualmt. Von den Dingern werde ich ohnmächtig. Tatsache. Ist mir schon mal auf einem Flug nach Ungarn passiert. Also lassen wir unser Experiment Wohngemeinschaft lieber wieder, bevor wir uns deswegen völlig zerstreiten und unsere Freundschaft zerbricht. Maria zieht erst einmal wieder ins Hotel.

Die Wohnung ist der Hammer. Frau Ernsting hat alles blitzsauber putzen und die Wohnung komplett renovieren lassen. Die Maler sind pünktlich zum Einzug fertig geworden. Es riecht noch überall nach frischer Farbe. Ich erstehe noch einige selbstgezimmerte Möbel auf dem Markt und richte zusätzlich ein Gästezimmer ein. In meinen neuen vier Wänden fühle ich mich ausgesprochen wohl. Sie ist mein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk - von Gott höchstpersönlich an mich. Davon bin ich überzeugt. Meine Vermieterin ist auch ein echtes Geschenk. Sie erhöht nie die Miete, in all den Jahren die ich dort wohnen werde. In Namibia ist es normalerweise üblich, die Mieten jedes Jahr um zehn Prozent zu erhöhen. Und wenn ich mal nicht ganz pünktlich zahlen kann, ist sie immer nachsichtig und verständnisvoll. Das werde ich ihr mein ganzes Leben lang nicht vergessen.

Nach Weihnachten brauche ich eine Pause. Das Umziehen hat mich geschafft. Maria und ich fahren an die Atlantikküste nach Swakopmund und ins Damaraland, auf der Suche nach den Wüstenelefanten.

Das Jahr 2007 war das Jahr der großen Veränderungen. Neue Freundschaften. Neuer Job. Neue Wohnung. Neues Auto. Wer weiß, was das nächste Jahr für mich an Neuem bereit hält - vielleicht einen neuen Mann?



Kleinere und größere Boshaftigkeiten

Zunächst einmal wartet einiges an Arbeit auf mich. Beim Radio bringt mein Job Wochenenddienste, Spät- und Frühschichten mit sich. Manchmal auch einiges an Überstunden, wenn wir mit dem Ü-Wagen unterwegs sind. Zudem erhöht sich stetig die Zunahme an leitenden Aufgaben. Anfangs habe ich mich mehr als Praktikantin gefühlt, soviel Neues gab es zu lernen. Vor allem die Technik war für mich ein Brief mit sieben Siegeln. Aber es half alles nichts. Ich musste das lernen. Allerdings bin ich an der Stelle immer noch keine Leuchte. Beim deutschen Rundfunk sind alle Redakteure für alle Abläufe, Vor- und Nachbereitungen der Radiosendungen selbst verantwortlich. Das heißt, ich muss alle Musikstücke für meine Sendungen selbst zusammenstellen, Interviews organisieren und durchführen, Bänder aufnehmen, schneiden und überarbeiten, die Technik im Studio bedienen, Nachrichten übersetzen und lesen und mir immer wieder neue Hörfunk-Programme ausdenken, sowie Live-Übertragungen mit dem Ü-Wagen durchführen. Das erfordert sehr viel Konzentration und Kreativität den ganzen Tag über. Außerdem muss alles auf die Sekunde genau klappen. Besonders hektisch wird es, wenn die Nachrichten zum Übersetzen sehr spät reinkommen oder jemand krank wird. Zu meinem eigenen vollgepackten Tag muss ich hin und wieder die Sendungen eines Kollegen oder einer Kollegin mit übernehmen. So manches Mal sitze ich bis Mitternacht im Studio. Zudem muss ich noch jeden Tag zwei Stunden zu den Johannitern, einmal die Woche meine Talk-Show vorbereiten und einmal im Monat etwas für die Ratgeberkolumne der Allgemeinen Zeitung schreiben. Dazu noch Haushalt, Einkaufen, Essen kochen…

Da bin ich alles in allem gut beschäftigt. Nach zwei Monaten bittet mich meine Chefredakteurin zum Gespräch unter vier Augen. Sie fragt mich, ob ich mir vorstellen kann. das äußerst beliebte Melitta-Morgenmagazin zu moderieren. Diese Sendung ist das Herzstück des Deutschen Rundfunks. Der Kollege würde gerne mal etwas anderes machen. Er sei ausgebrannt. Jeden Morgen um vier Uhr aufstehen, kann man auf die Dauer nicht durchhalten. Wie der Kollege Willi das bisher all die Jahre geschafft hat, ist mir ein Rätsel. Da ist nur allzu verständlich, dass er eine Pause benötigt. Ich habe einen komplett anderen Schlafrhythmus. Am Liebsten gehe ich gegen Mitternacht ins Bett und schlafe dann gerne so bis sieben Uhr. Um vier Uhr aufstehen traue ich mir auf Dauer nicht zu. Ich verspreche aber die Sendung einmal mitzumachen und mir alles anzuschauen. Das sie mir die Sendung nach so kurzer Zeit beim Radio anbietet, ist eine echte Auszeichnung. Ich freue mich natürlich über das Vertrauen, dass meine Chefin in mich hat. Das Melitta-Morgenmagazin ist eine sehr schnelle Sendung, in der ständig etwas anderes passiert. Damit fühle ich mich um die Uhrzeit überfordert. Eine meiner Kollegin triumphiert. Vom ersten Tag meiner Anstellung an, habe ich gemerkt, dass sie mich loswerden will. Ich habe den Eindruck, dass sie mich als Konkurrenz sieht. Und dann bin ich auch noch Deutsche und keine Namibia-Deutsche. Ich erlebe das erste Mal was Mobbing bedeutet und wie es funktioniert. Sie nutzt jede Gelegenheit, um etwas Negatives über mich zu erzählen und macht bei den Kollegen Stimmung gegen mich. Und wie das so ist mit den Gerüchten - wenn man sie oft genug wiederholt, glauben die meisten Menschen Gerüchten eher als der Wahrheit.

Meine Chefin hat sicherlich nicht bedacht, was das Angebot bei meinen Kollegen auslösen kann. Bei einer zumindest löst es noch mehr Neid aus. Sie agiert auch immer öfters offen boshaft gegen mich. Ich versuche, diese Anfeindungen zu ignorieren. Mich wundert nicht, dass sie sich nach meiner Absage, die Sendung „schnappt”. Sie kapiert überhaupt nicht, dass ich darüber sogar froh bin. Ich bin mehr als zufrieden mit meinen anderen Aufgaben. Ein Ausbilder der Deutschen Welle begleitet mich einige Wochen. Er gibt mir wertvolle Tipps und zeigt mir einige Tricks für die Arbeit als Journalistin. Ich mag meine Arbeit beim Radio, aber das Klima ist vergiftet. Das spürt auch der Kollege aus Deutschland. Er bescheinigt mir jedoch, dass ich meine Arbeit gut machen würde und rät mir, mich einfach weiterhin auf meine Aufgaben zu konzentrieren.

Unerwartetes Wiedersehen

Beim Fernsehen läuft dagegen alles bestens. So denke ich jedenfalls. Die Sendung ist weiterhin erfolgreich. Besonders schön ist, dass ich Jackson überraschenderweise, ein paar Monate nach der Musikpreisverleihung, als meinen Gast in meiner Show begrüßen kann. Ein großartiger Interviewpartner. Humorvoll. Authentisch. Guter Zuhörer. Clevere Antworten. Leider verschwindet Jackson nach der Show wieder zügig und es bleibt keine Zeit zum Klönen und Kennenlernen.

Ich soll mir eine Show von zwei südafrikanischen Komikern im Warehouse ansehen und am nächsten Tag darüber im Radio berichten. Ich finde die beiden überhaupt nicht lustig. Die Witze sind unter der Gürtellinie, einfach geschmacklos. Als einer dieser Witzbolde sich dann während der Show auf meinen Schoß setzt und mir am Ohr langleckt, bin ich bedient. Auf so eine Art Entertainment kann ich verzichten. Ich schnappe mir meine Jacke, und versuche so schnell wie möglich an der Menschenmenge vorbei ins Freie zu gelangen. Ich bin stinksauer. Plötzlich spüre ich, dass mich jemand sanft am Arm festhält und meinen Namen mit einer ganz wunderbaren Stimme sagt. Eine Stimme, die ich aus Tausenden herausfinden könnte. Die Stimme gehört - Jackson. „Willst du schon nach Hause gehen”, fragt er mich. Ich spüre, dass er das nicht möchte. „Eigentlich ist es noch zu früh dazu. Aber ich muss hier raus. Ich finde die Show ganz schlimm.” „Ich habe mich auch schon geärgert, dass ich 150 N$ Eintrittsgeld dafür ausgegeben habe. Hast du vielleicht Lust, mit mir nebenan noch etwas Trinken zu gehen?”, bietet er mir an. „Sehr gerne”, antworte ich erfreut. Meine Wut ist vollkommen verraucht. Ich bin gespannt darauf diesen Jackson, den ganz Namibia, mit Ausnahme von mir gut zu kennen scheint, auch etwas besser kennenlernen zu können. In der Kneipe nebenan werden wir neugierig beobachtet. Ab und zu kommt jemand an unseren Tisch und begrüßt uns beide. Aber sie merken schnell, dass sie stören und lassen uns nach einem kurzen Smalltalk wieder in Ruhe weiter quatschen.

Wir unterhalten uns bis in die frühen Morgenstunden über Gott und die Welt, Jacksons gescheiterte Ehe, seine Musikkarriere. Es lüftet sich auch das Geheimnis, woher Jackson meinen Namen her kennt und wieso er gerade mich bezüglich seines Outfits um Rat gefragt hat. Er gesteht mir, dass er ein großer Fan meiner Talk-Show ist. Er würde sie jeden Montagabend anschauen. Da ich, seiner Meinung nach, immer sehr gut angezogen sei, hätte er mir einen guten Geschmack zugetraut. Aha. Komplimente machen kann er auch. Es ist ein ausgesprochen unterhaltsamer Abend. Jackson versteht es zu unterhalten, aber auch zuzuhören und auf mich einzugehen. Lange habe ich mich in Gesellschaft eines Mannes nicht mehr so wohl gefühlt.

Er erzählt zu später Stunde, dass er in Kürze zu einer Europatournee aufbrechen würde. Er würde nun nach einer Pension Ausschau halten, wo er günstig ein paar Tage unterkommen und in Ruhe ein paar Projektanträge schreiben könnte. Ich habe Zuhause auch einen Computer“, entgegne ich spontan. „Tagsüber bin ich bei der Arbeit und fast den ganzen Tag nicht Zuhause. Wenn dir das zusagt, könntest du deine Anträge auch bei mir daheim schreiben.“ Habe ich das gerade wirklich gesagt? Ich kenne Jackson doch so gut wie gar nicht und biete einem wildfremden Mann an, sich in meiner Wohnung aufzuhalten? Na, vielleicht lehnt er ja ab. Das Angebot kann ich ja nun schlecht zurücknehmen. Und es soll ja auch nur für ein paar Tage sein, hat er doch gesagt, oder? „Oh, das ist nett“, höre ich Jackson sagen. So langsam muss ich mal in die Federn, sonst muss meine Radiosendung morgen früh ausfallen. Ich nehme Jackson noch im Auto mit bis an die nächste Straßenecke. Von hier aus kann er sich ein Taxi nehmen, das ihn nach Katutura bringt. „Kann ich mir deine Wohnung jetzt noch ansehen?“, höre ich ihn fragen. „Wie bitte?“, antworte ich entrüsteter als gewollt, „um diese Uhrzeit? Was denken denn dann meine Nachbarn, wenn ich mitten in der Nacht einen Mann mit nach Hause bringe? Also, Jackson, das geht wirklich nicht.“ Jackson schaut mich überrascht und peinlich berührt an. Hat der gerade versucht, mich abzuschleppen? Für was für eine Frau hält der mich? Ich bin doch kein Groupie. Macht der das immer so? Mein Respekt ihm gegenüber sinkt. Nun bin ich etwas verstimmt. Jackson merkt das sofort. „Verstehe. Ich ruf dich dann wegen dem Angebot nochmal an“, antwortet er und steigt schnell aus meinem Auto aus. Erst nach drei Tagen traut er sich, mich anzurufen. Später bekennt er mir gegenüber, dass er sich so geschämt hat und sich fast gar nicht mehr getraut hätte, mich zu kontaktieren. Ich hatte intuitiv seine Absichten goldrichtig erraten. Aber nun steht er vor meiner Haustür. Ein Taxi hat ihn gebracht. Er ist begeistert von meiner Wohnung. Sie sei so groß, ruhig und kreativ eingerichtet. „Du hast eine sehr schöne Wohnung. Gerne würde ich für ein paar Tage von hier aus arbeiten. Es gibt nur ein Problem - ich arbeite immer nachts”, teilt er mir mit. „Aha. Hm. Mich stört nicht, wenn du nachts arbeitest, aber das Problem ist, dass mein Computer in meinem Schlafzimmer steht. Aber weißt du was - ich überlasse dir für die paar Tage mein Schlafzimmer und ziehe ins Gästezimmer um”, antworte ich spontan. Jackson schaut mich sprachlos an. Damit hat er wohl nicht gerechnet. Ich bin selber überrascht. Habe ich da schon wieder etwas gesagt, was ich lieber nicht hätte sagen sollen? Manchmal bin ich wirklich zu freundlich, zu hilfsbereit und zu flexibel. Ist wahrscheinlich eine Sozialarbeiterkrankheit - das Helfen, Unterstützen und Finden von Problemlösungen liegt uns im Blut!



Nach einer Show im Warehouse lernen sich Kerstin van Wyk und Jackson näher kennen. Foto: AZ-Archiv

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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