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Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 19)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 19)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 19)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Gefühlschaos

Seit längerem suche ich bereits nach einem kleinen Appartement für mich. Ich möchte etwas Abstand vom Jürgen-Wahn-Heim, auf dessen Grundstück ich seit fast zwei Jahren wohne. Ich fühle mich unter ständiger Beobachtung und irgendwie bin ich immer im Dienst. Ein junger Mann, den ich aus der Stadtmission kenne, geht aufs Missionsfeld und vermietet mir seine voll möblierte Doppelgarage, die ganz zentral, nahe der Innenstadt, liegt. Endlich habe ich eine richtige Küche und sogar eine vollautomatische Waschmaschine, Trockner und Staubsauger. Dazu ein kleines Wohnzimmer. Der stellvertretende Minister für Rehabilitation hilft mir beim Umzug. Mit seinem Bakkie, auf dem er sonst seine Schafe und Ziegen transportiert, lädt er meine Möbel. Ich mag Männer, die auch anpacken können. Überhaupt mag ich den Minister sehr gerne. Seit Monaten treffen wir uns bereits regelmäßig und sind bereits mehr als nur gute Freunde. Kaum ist das Bett aufgebaut, kommen wir uns nun endgültig näher. Näher als ich es eigentlich wollte. Aber ich kann meine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Ich empfinde zu viel für ihn. Liebe macht blind, sagt der Volksmund. Macht sie vielleicht auch taub? Ich hatte immer verstanden, dass er verwitwet ist. Seine Frau sei bei der Geburt des ersten Kindes verstorben. An Eklampsie. An diese Geschichte kann ich mich deshalb so gut erinnern, weil meine Mutter bei meiner Geburt auch beinahe an der gleichen Schwangerschaftserkrankung verstorben ist. Und wir Zwillinge gleich mit. Glücklicherweise hat meine Mutter das wochenlang andauernde Koma und Nierenversagen überlebt. Wir Kinder haben es nur durch die monatelange „Nachreifung“ im Brutkasten geschafft. Irgendwann kapiere ich, dass er wieder verheiratet ist. Das stürzt mich in ein echtes Gefühlschaos. Mein Verstand sagt mir, dass ich mich sofort und entrüstet von ihm trennen muss. Mein Herz sagt etwas anderes. Ich bin so dermaßen verliebt, dass ich es nicht schaffe, die Beziehung zu beenden. Und habe ein permanentes schlechtes Gewissen. Das trübt die Beziehung. So wirklich glücklich kann ich mit der derzeitigen Beziehungskonstellation nicht werden. Er verspricht, sich von seiner Frau zu trennen. Dabei erwarte ich das überhaupt nicht. Dann fürchtet er, dass seine politische Karriere Schaden nimmt. Dann wiederum stehen seine Kinder einer Trennung im Wege. Es gibt immer einen guten Grund, sich nicht konsequent für mich oder seine Frau zu entscheiden. Ich bin zudem todunglücklich über das Versteckspiel. Meine Missionsgesellschaft soll von der Beziehung nichts wissen, die Öffentlichkeit auch nicht. Ich fühle mich als Verräterin. Ich habe noch nie etwas von Unwahrheiten oder Halbwahrheiten gehalten. Letztendlich wird das Schicksal unsere intime Beziehung nach zwei Jahren beenden. Mein Freund wird zum Botschafter in ein tausende km entferntes sozialistisches Land berufen werden. Es wird mir das Herz brechen.

Eine ganz „normale” Arbeitswoche

Die Monate sind angefüllt mit der Organisation des Projektes und der Anleitung der Mitarbeiter. Hinzu kommen immer mal wieder Empfänge bei verschieden Botschaften und der Teilnahme an der Geburtstagsfeier des Präsidenten. Unsere Heimbewohner sind begeistert bei dem Spektakel dabei zu sein und sogar in der ersten Reihe sitzen zu dürfen, obwohl sie von den langen Reden nichts verstehen. Sie sind schon glücklich über den leckeren Kuchen und die Abwechslung.

Ansonsten ist mein Arbeitsalltag weniger spektakulär. Wie sieht so eine typische Arbeitswoche bei mir aus? Das fragen mich immer wieder meine Freunde und Verwandte in Deutschland. Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, da die Aufgaben sehr abwechslungsreich und vielfältig sind, um einen klaren Überblick über meinen Alltag als Managerin eines Projektes zu geben. Ein kleiner Auszug davon sieht folgendermaßen aus.

Montag

Ich rase zu meinem Büro in Katutura, um meinen Tag zu organisieren und den Anrufbeantworter abzuhören. An und für sich startet die Woche nicht gerade sehr aufregend mit allgemeinen Schreibarbeiten, bis…na, bis ich die Botschaften vom Anrufbeantworter abgehört habe. Der erste Anrufer bittet mich den Direktor des MoHSS, dem Gesundheitsministerium, zu kontaktieren. Die Direktorin mit dem wohlklingenden Namen Bathseba Katjiongua bittet mich, morgen (!) nach Gobabis, einer drei Stunden entfernt liegenden Stadt im Osten Namibias, zu fahren. Ich soll mir einen schwerbehinderten Jungen ansehen, der seit fünf Jahren im dortigen Krankenhaus lebt. Zehn Betten hätte er bereits zerstört. Das Krankenhauspersonal sei verzweifelt, die Eltern unauffindbar. Ob wir den Jungen vielleicht in unserem Behindertenheim unterbringen können, fragt sie. Das ist uns allerdings nahezu unmöglich nach den neuen Bestimmungen, die unsere Sponsoren mit uns vereinbart haben. Außerdem haben wir weder das dementsprechend ausgebildete Personal, noch die nötigen Finanzen. Wir verständigen uns darauf, dass sich zu einem anderen Zeitpunkt nach Gobabis reise. Dabei möchte ich dann gleichzeitig andere Familien mit behinderten Angehörigen besuchen und einen Workshop über CBR für die dortigen Sozialarbeiter durchführen.

Der nächste Anruf kommt von einem Kameramann, Simon, der unbedingt einen Film über Behinderte drehen will. Dazu benötigt er meinen Rat. Da ich gerade sowieso an der Multi-Media-Kampagne der amerikanischen Botschaft mitarbeite, willige ich ein. Ich empfehle ihm, sich in der Zwischenzeit mit einem mir bekannten, sehr charismatischen und dichterisch begabten Rollstuhlfahrer, in Verbindung zu setzen. Wir verabreden uns für die nächste Woche.

Eine Friseuse, die freiwillig in einem Zentrum für Jugendliche arbeitet, fragt ob ich ihr nicht ein paar kreative Ideen für Kinderspiele liefern könnte. Nur kosten dürften die Spiele nicht viel. Ich versichere ihr, dass unsere Spiele nichts kosten würden, da wir sie alle aus „Abfall” wie Dosen, leeren Yoghurtbechern und Toilettenrollen herstellen würden. Ich gebe ihr ein paar praktische Ideen und sie ist ganz begeistert davon, was man mit einfachen Mitteln und „Abfall” alles herstellen kann.

Der nächste Anruf kommt aus Arandis, eine Küstenstadt im Westen des Landes, nahe Swakopmund. In Arandis war ich maßgeblich an der Planung eines CBR-Projektes beteiligt. Ich werde eingeladen, dort an einem ein-wöchigen Workshop teilzunehmen. Ich sage für zwei Tage zu. Mehr Zeit ist einfach nicht dafür vorhanden. Mein Terminkalender ist voll.

Der Rest des Tages ist angefüllt mit Hausbesuchen in Katutura, gemeinsam mit meinen Family Visitors. Bis zum Feierabend muss ich noch die Budgetplanung des Projektes zu Papier bringen und einen Halbjahresbericht für die Spenderorganisationen schreiben.

Dienstag

Ein „Notfall”-Treffen mit der Leiterin des Jürgen-Wahn-Zentrums, Jannie, steht an. Kurzfristig, was gewöhnlich einen Tag vorher bedeutet, wurden wir vom MLRR, dem Ministerium für Landbesiedelung und Rehabilitation, darüber informiert, dass eventuell Gelder für Projekte zur Verfügung stehen würden. Wir werden aufgefordert, schnell einen Projektvorschlag zu Papier zu bringen.

Der Rest des Tages ist angefüllt mit dem Treffen verschiedener Besucher, die das Projekt kennenlernen wollen, und Planungsgesprächen zu Gesetzentwürfen für behinderte Menschen im MLRR. Die am Abend stattfindende Abschiedsparty des Finnischen Botschafters bietet eine gute Gelegenheit, um vorhandenen Kontakte zu vertiefen und neue aufzubauen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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