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Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 31)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 31)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 31)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Arbeitssuche

Johan bekommt sofort eine Arbeitserlaubnis. Innerhalb von einer Woche hat er einen Job als Schweißer bei einer Leiharbeitsfirma. Allerdings verliert er den bereits nach drei Tagen wieder. Das wird ihm noch öfter passieren. Ich weiß nicht warum ihm nach so kurzer Zeit gekündigt wird. Ich bin mir nicht sicher, ob Johan es immer pünktlich zur Arbeit schafft. Ganz häufig muss ich ihn wecken und er verpasst einen Bus. Aber ich merke auch wie Johan sich seit unserer Ankunft in Deutschland verändert hat. Und das nicht gerade positiv. Er verhält sich merkwürdig, ist oft den ganzen Tag im Sportclub und verhält sich irgendwie so als würde er mir etwas verschweigen. Ich schiebe das erst einmal auf den Kulturschock.

Für mich sieht es auf dem Arbeitsmarkt eher schlecht aus. Fachkräfte scheinen nicht benötigt zu werden. Oder die Stellenangebote sind so weit entfernt, dass wir wieder umziehen müssten. So schlimm finde ich das erst einmal nicht. Ich muss mich mal wieder um meine Bilhaziose kümmern und zu diesem Zweck nach Tübingen reisen. Das lässt sich gut mit einem Besuch bei meiner Missionsgesellschaft im Süden Deutschlands verbinden. Ich möchte Johan gerne meinen alten Kollegen vorstellen. Sie bieten uns an, in den Gästeräumen der Missionsgesellschaft zu übernachten. Meine ehemaligen Kollegen sind von Johan ganz angetan. Sie schätzen seine freundliche und ruhige Persönlichkeit. Interessanterweise bekommen wir, mit wochenlanger Verspätung, nun auch eine Glückwunschkarte von meinem Missionsleiter zur Hochzeit zugeschickt. Ich werte das als Versöhnungsangebot.

Ärger im Paradies

Die Würmchen sind noch da und ich benötig eine erneute Chemotherapie. Die lasse ich dieses Mal lieber in Hamburg, in der Bernhardt-Nocht-Tropenklinik, durchführen. Das liegt viel näher an Bremen dran. Dann kann Johan mich abholen und wir können danach noch einen netten Tag in Hamburg verbringen. So der Plan. Nachdem meine Behandlung nach fünf Tagen abgeschlossen ist, warte ich darauf, dass Johan mich, wie verabredet am späten Vormittag, abholt. Aber er kommt nicht. Hat er sich etwa verfahren? Oder hat er den Zug verpasst und kommt eine Stunde später? Johan ist weder auf unserem Festnetz, noch auf seinem Handy zu erreichen. Nach drei Stunden mache ich mir ernsthaft Sorgen. Nach sechs Stunden bin ich stinksauer. Als ich mich gerade entschließe mit dem nächsten Zug nach Bremen zu fahren, erreiche ich Johan Zuhause. Er hört sich verschlafen an. Wir haben 16 Uhr und mein Mann kriecht gerade aus dem Bett? Meine Vermutung bestätigt sich. Johan ist gerade erst wach geworden. Er sei die ganze Nacht in einer Diskothek gewesen. Ich bin fassungslos. Insbesondere weil es Johan total egal ist, dass er sich nicht an unsere Verabredung gehalten hat und ich bereits stundenlang in der Tropenklinik auf ihn warte. Wie ich später herausfinde, hat er mit irgendwelchen Afrikanern, die Nacht hindurch gefeiert. Dagegen habe ich ja im Prinzip nichts. Aber es entschuldigt nicht, dass er mich nicht wenigstens anruft und unsere Verabredung absagt. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass neben erhöhtem Alkoholkonsum noch mehr passiert ist. Johan gesteht mir, dass er irgendwelche Drogen konsumiert hätte. Er sei frustriert gewesen. Er hätte Angst gehabt, dass ich sterben würde und er dann nach Namibia zurückkehren müsste.

Zum ersten Mal fällt mir sein narzisstisches Verhalten auf. Er hat sich keine Sorgen um meine Gesundheit gemacht, sondern ganz alleine um seine Zukunft. In dem Moment erleidet unsere Beziehung einen nicht wieder gut zu machenden Schaden. Ich denke das erste Mal ernsthaft über eine Trennung nach.

In der Situation bietet uns Carsten, ein Freund aus der Gemeinde, seine Wohnung an, die sich im Zentrum Bremens befindet. Im März 2001 könnten wir einziehen. Vielleicht hilft uns ein „eigenes Nest”, das auch Johan das Gefühl gibt, in einem Zuhause angekommen zu sein. Carstens Tante möchte ihre komplette Wohnungseinrichtung erneuern. Von ihren ausgesprochen gut erhaltenen Möbeln dürfen wir uns aussuchen was wir möchten. So kommen wir zu einer fast vollständigen, kostenlosen Wohnungseinrichtung. Da ich mit dem Gedanken spiele, spätestens wenn Johan seine permanente Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland hat, nach Namibia zurückzukehren, bin ich begeistert über dieses Angebot. Da wären Möbel nur unnötiger teurer Ballast. Die Ausländerbehörde ruft an, da sie vom Einwohnermeldeamt gehört hat, das wir umziehen. Sie vermutet, dass wir uns räumlich trennen. Ich kann ihnen jedoch glaubwürdig versichern, dass wir gemeinsam in die neue Wohnung einziehen werden. Damit geben sie sich zufrieden. Erstaunlich wie gut die Ämter miteinander vernetzt sind und Informationen austauschen.

Meine Hoffnung bestätigt sich nicht. Meine Ehe verschlechtert sich weiterhin. Johan verhält sich merkwürdig und ich habe den Eindruck, dass er sich mit anderen Frauen trifft. Von Frauen in der Sauna höre ich, dass er sie auch zwecks persönlicher Treffs anspricht. Dabei sind wir erst ein paar Wochen verheiratet. Ich finde heraus, dass er sich bei der Post ein privates Postfach eingerichtet hat, wo er von irgendwelchen Frauen Briefe erhält, denen er in einer Zeitungsanzeige vorgaukelt hat, alleine in Deutschland zu sein und Kontakt zu suchen. Warum macht er so etwas? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Außerdem baggert er meine Freundinnen aus meinem Hauskreis an, von denen zwei, zu meinem Entsetzen, seinen Annäherungsversuchen gegenüber nicht abgeneigt sind. Johan versucht, sein Verhalten zu verharmlosen. Hält der mich für blöd? Nach bereits zwei Monaten Ehe erkläre ich diese für gescheitert. Ich habe nicht vor, mich betrügen und demütigen zu lassen. Hatte meine Missionsgesellschaft recht mit ihren „Vorurteilen”, dass sich viele Einheimische nur deutsche Frauen suchen als Freifahrtschein in ein besseres Leben, im „Paradies” Deutschland? Ich hatte nicht den Eindruck, dass Johan mir seine Gefühle nur vorspielt. Auch hat er mich nie dazu gedrängt, mit ihm nach Deutschland zu gehen. Hätte ich in Namibia Arbeit bekommen, wäre das für ihn auch o.k. gewesen. Was auch immer Johans Motive sind. So will ich nicht leben. Ich bin todunglücklich. Neben all den emotionalen Umbrüchen und der Wiedereingliederung in Deutschland mit all seinen diesbezüglichen Herausforderungen brauche ich Stabilität und Sicherheit in meiner Beziehung. Und kein emotionales Chaos. Da sich an Johans Verhalten, trotz aller Beteuerungen nichts ändert, mache ich einen Termin beim Scheidungsanwalt. Der ist erstaunt, dass unsere Ehe bereits nach zwei Monaten gescheitert ist. Das gäbe es eher selten. Als Johan merkt, dass es mir bitterernst ist mit der Scheidung, ändert sich sein Verhalten schlagartig. Aber ich traue ihm nicht mehr. Mein Pastor, dem ich mich anvertraue, meint, dass das erste Ehejahr immer schwierig ist und man sich erst aneinander gewöhnen muss. Ich bin verunsichert. Habe ich Johans Verhalten überbewertet? Ich will uns noch eine Chance geben. Allerdings lasse ich von meinem Anwalt einen Ehevertrag aufsetzen, der uns gegenseitig von der Zugewinngemeinschaft ausschließt. Das gefällt Johan gar nicht, aber er spürt, dass er dem zustimmen muss, wenn unsere Ehe weiter Bestand haben soll. Einige Wochen ist alles so wie ich es mir in einer Ehe vorstelle. Johan ist aufmerksam. Wir unternehmen in unserer Freizeit nette Sachen zusammen. Konzertbesuche, Tanzabende, Sportnachmittage, Raclette Abende mit Freunden. Der Sex ist aufregend. Trotzdem merke ich wie er sich wieder verändert. Langsam, aber doch wahrnehmbar. Das „Spielchen“ wiederholt sich einige Male. Immer wenn Johan spürt, dass ich ihn verlassen will, verhält er sich so wie ich ihn lieben und schätzen gelernt habe. Dann folgt eine Phase mit verbalen und verhaltensmäßigen Demütigungen. Dieses Auf und Ab der Gefühle macht mir emotional zu schaffen. Aber ich habe das Gefühl noch nicht alles probiert zu haben, um unsere Ehe zu retten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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