Loading svg Please wait while we translate the article
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 32)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 32)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 32)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Langeweile

Ich langweile mich. Und dafür kann Johan schließlich nichts. Johan hat immer mal wieder eine Beschäftigung über eine Leiharbeitsfirma, dieses Mal in einer Fleischerei, und ist deshalb oft nicht zu Hause. Er arbeitet in drei Schichten. Es macht mich traurig für wie wenig Stundenlohn er harte körperliche Arbeit verrichten muss. Mir ist es zu wenig, nur den Haushalt zu führen. Ich brauche eine sinnvolle Beschäftigung. Im sozialen Bereich gibt es keine Arbeitsplätze in Bremen. Nach mehr als 50 Bewerbungen bin ich es leid. In meinem ersten Beruf als Krankenschwester sehen die Chancen auf dem Arbeitsplatz deutlich besser aus. Ich versuche es im ambulanten Pflegedienst. Hier macht mir meine Katzenallergie einen Strich durch die Rechnung. Viele ältere Menschen haben Haustiere auf die ich mit heftigem Asthma reagiere, so dass ich in dem Bereich nicht mehr arbeiten kann. Es ist sowieso nur eine Notlösung gewesen. Nach einem Jahr in Deutschland lese ich zufällig in der Zeitung, dass das Arbeitsamt die Kosten für eine Zusatzausbildung zum lösungsorientierten Psychotherapeuten und Berater, für geeignete Kandidaten, übernimmt. Ich will mein Glück versuchen und mache einen Termin mit meinem Arbeitsberater aus. „Sie sind bereits qualifiziert genug. Außerdem gibt es dort nur ganz wenige Plätze. Man muss sich darum bewerben. Da bekommen Sie wahrscheinlich sowieso keinen Platz”, meint er. Damit lasse ich mich nicht abspeisen. „Ich bin seit über einem Jahr arbeitslos. Ich brauche eine Beschäftigung, sonst werde ich noch verrückt. Außerdem dachte ich immer, dass jeder die gleichen Chancen bekommen sollte. Lassen Sie uns einen „Deal” machen. Wenn die mich nehmen, finanziert mir das Arbeitsamt die Fortbildung. Bitte geben Sie mir diese Chance!”, versuche ich ihn zu überzeugen. Zu meinem Erstaunen lässt er sich darauf ein. Ich stelle mich beim NIK, dem Norddeutschen Institut für Kurzzeittherapie, vor. Bereits nach fünf Minuten ist klar, dass ich an der Zusatzausbildung teilnehmen kann. Mein Arbeitsberater ist erstaunt, dass ich eine Zusage bekommen habe, hält sich aber an unsere Vereinbarung. Ich bin begeistert. Wie sich herausstellt, muss ich mir noch einen Praktikumsplatz suchen, wo ich die theoretisch erworbenen Kenntnisse praktisch ausprobieren kann. Ich bekomme sofort einen Platz in einer Drogenambulanz.

Noch einmal die Schulbank drücken

Die einjährige Ausbildung ist spannend. Die Beratung und Therapiesitzungen mit den Drogenabhängigen macht mir Spaß. Mit meinen Mitstudenten und Studentinnen verstehe ich mich großartig. Ich fühle mich nach langer Zeit wieder glücklicher. Außerdem habe ich einen Zehn-Stunden-Vertrag als freiberufliche stellvertretende Geschäftsführerin bei einer Klinik in Gyhum bei Rotenburg ergattert. Ich soll mich um eine neues Projekt kümmern, bei dem es darum geht, dass sich ausländische Patienten, die in ihrem Heimatland nicht behandelt werden können, unter Berücksichtigung ihres speziellen kulturellen Hintergrundes, in der Klinik in Gyhum operiert und begleitet werden. Englische und holländische Sprachkenntnisse werden für diese Aufgabe benötigt. Der ideale Job für mich. Hier kann ich endlich mal mein ganzes Fachwissen nutzen. Ich kann außerdem vorwiegend von zu Hause aus arbeiten. Ich bekomme sogar einen Computerkurs gesponsert und eine PC-Ausstattung gestellt. Das eröffnet mir zum ersten Mal die digitale Welt. Mein Chef ist einfach großartig. Er lädt mich und Johan sogar zu einem Abendessen bei sich Zuhause ein. Endlich entwickeln sich die Dinge in eine sehr positive Richtung. Die bestandene Zusatzausbildung und den neuen Job möchte ich gebührend feiern.

Ausflug nach Afrika

Es wird Zeit für eine Hochzeitsreise. Wir buchen eine 14-tägige Reise in die Türkei. Eine Woche bevor es losgehen soll, ruft das Reisebüro an. „Ihr Mann bekommt kein Visum für die Türkei”, überbringt die Dame im Reisebüro die Hiobsbotschaft. Geht es nicht einfach mal ohne irgendwelche stressigen Komplikationen? Was nun? Das Reisebüro bietet uns an, die Reise umzubuchen. Es besteht die Chance in Tunesien einzureisen. Sicher ist es jedoch nicht. Einen Tag vor unserem geplanten Abflug hole ich mir persönlich Johans Pass von der Tunesischen Botschaft in Hamburg ab. Er wird mir an der Tür überhändigt, die mir erst nach etlichen Klingelversuchen geöffnet wird, obwohl ich einen Termin habe. Sehr merkwürdig. Und was für ein Aufwand, um ein paar Tage zu verreisen. Aber ich bin erleichtert, dass ich das nötig Einreisedokument in Händen halte. Ich schwöre mir, mit Johan nur noch gemeinsam in Länder zu reisen, wo er mit seinem Schengen-Visa ohne Probleme einreisen kann. Die nächste Reise geht nach Mallorca. Das nehme ich mir fest vor. Es wird ein schöner Urlaub, nicht zuletzt deswegen, weil in der ersten Woche meine beste Freundin Kirsten mit dabei ist. Wir genießen die herrliche Wärme, das afrikanische Flair und die Ausflüge ins Landesinnere. Besonders beeindruckt sind wir von der in der Sahara gelegenen Stadt Tozeur mit seinen tausenden Palmen. Trotz der entspannten Atmosphäre und den schönen Erlebnissen sind wir uns während des Urlaubs nicht wirklich nah. Von heißem Flitterwochensex kann ich nur träumen. Das einzige was hier heiß ist, ist Tunesiens Sonne.

Die Offenbarung

Wieder zurück bin ich schockiert, als ich eines Morgens Johans Mutter in Südafrika anrufe. Ich möchte ein wenig mit meiner Schwiegermutter plaudern, da wir uns bisher so gut wie gar nicht kennen. Außerdem ist sie sicher daran interessiert, wie es ihrem Sohn im fernen Deutschland so ergeht. Ich erzähle von unserem Tunesienurlaub und erwähne, dass Johan gerne den nächsten Urlaub in den Arabischen Emiraten verleben würde, um seinen biologischen Vater wiederzusehen. Am anderen Ende der Leitung ist es einen Moment lang totenstill. Seine Mutter fragt: „Welchen biologischen Vater?”

„Johan hat erzählt, dass sein Vater ein arabischer Scheich ist mit dem Sie in Namibia ein Verhältnis gehabt hätten. Der habe sie aber nicht geheiratet und sei wieder in seine Heimat verschwunden. Er hat mir Fotos von ihm und seinen Halbbrüdern gezeigt. Sie hätten kurz nach der Affäre ihren jetzigen Mann kennengelernt, der sie noch während ihrer Schwangerschaft geheiratet hat“, erläutere ich. Wieder herrscht völliges Schweigen am Telefon. Endlich sagt seine Mutter: „Der zweite Teil der Geschichte stimmt. Aber der erste Teil stimmt nicht. Johans Vater war ein Mischling, der in dem gleichen Dorf gewohnt hat wie ich. Noch während meiner Schwangerschaft hat er mich verlassen. Aber er ist bereits seit langem verstorben. Außerdem hat Johan seinen Vater nie persönlich kennengelernt.” Ich bin fassungslos. Was für einen Mann habe ich da nur geheiratet? Was stimmt überhaupt von all seinen Erzählungen? Welche dunklen Geheimnisse hat er noch? Leise fügt sie hinzu: „Johan hat manchmal Probleme. Ich weiß auch nicht was mit dem Jungen los ist.” Als ich Johan mit dem neu erworbenen Wissen konfrontiere, fällt ihm nichts Besseres ein als zu sagen: „Sie lügt.“ Damit ist für ihn das Thema erledigt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

Katima Mulilo: 20° | 36° Rundu: 20° | 37° Eenhana: 22° | 36° Oshakati: 25° | 35° Ruacana: 22° | 36° Tsumeb: 23° | 36° Otjiwarongo: 22° | 35° Omaruru: 23° | 36° Windhoek: 23° | 34° Gobabis: 23° | 35° Henties Bay: 14° | 19° Swakopmund: 14° | 16° Walvis Bay: 13° | 20° Rehoboth: 23° | 35° Mariental: 24° | 38° Keetmanshoop: 24° | 39° Aranos: 28° | 38° Lüderitz: 13° | 25° Ariamsvlei: 23° | 40° Oranjemund: 13° | 21° Luanda: 25° | 26° Gaborone: 22° | 36° Lubumbashi: 17° | 32° Mbabane: 18° | 31° Maseru: 16° | 32° Antananarivo: 17° | 31° Lilongwe: 22° | 33° Maputo: 23° | 31° Windhoek: 23° | 34° Cape Town: 17° | 27° Durban: 20° | 25° Johannesburg: 19° | 31° Dar es Salaam: 26° | 32° Lusaka: 22° | 33° Harare: 21° | 31° #REF! #REF!