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Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 36)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 36)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 36)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Integration

Ich lese täglich die hiesigen Zeitungen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz, und habe wieder Glück. Die Frau eines Politikers sucht für ihre jugendlichen Zwillinge für die Nachmittagsstunden eine Betreuung. Das Ehepaar ist begeistert, jemanden so professionelles für ihre Kinderbetreuung zu bekommen und bezahlen mir etwas mehr als das was sie gewöhnlich bezahlen.

Ich bekomme sogar ein Auto, damit ich die Kids zu ihren verschiedenen Freizeitaktivitäten wie Fußball, Ballett, Klavierunterricht etc. fahren kann. Zu den weiteren Aufgaben gehört die Hausaufgabenbetreuung und kleinere Gerichte zu kochen. An zwei Abenden in der Woche gebe ich außerdem einer Gruppe von deutschen Rentnern Englischunterricht.

Für eine Freundin, Petra, die die Leitung eines Restaurants hat, aber kein Englisch kann, erledige ich einige Schreibarbeiten. Außerdem kann ich im Restaurant kostenlos essen. So bekomme ich umgerechnet etwa 380 Euro monatlich zusammen. Längst nicht genug, um alle Kosten zu decken, aber ich kann die Miet- und Stromkosten begleichen. Auch reicht es für ein paar Nahrungsmittel. So können wir erst einmal über die Runden kommen. Aber ein Dauerzustand darf es nicht werden. Meine Freundin Petra erzählt mir, dass sie bis vor kurzem bei den Johannitern gearbeitet habe und die Managerstelle neu zu besetzen ist. Ich bewerbe mich und habe ein Vorstellungsgespräch. Man ist sehr interessiert an mir. Leider seien die Gelder für meinen Arbeitsplatz noch nicht genehmigt. Man sei sich aber wieder bei mir melden.

Ich bewerbe mich weiter und bekomme tatsächlich einen Job bei einem der größten Arbeitgeber des Landes als „Employee Wellness Koordinator“ für das HIV-Programm. Die Firma stellt mich an, obwohl meine Aufenthaltsgenehmigung noch aussteht. Das es beantragt ist, genügt ihnen. Die Geschäftsstelle befindet sich mitten in der Windhoeker Innenstadt. Meinem neuen Arbeitgeber gehören Farmen, Hotels, Supermärkte, Bankgebäude, Lodges, Molkereien und Bürogebäude. Über 4500 Menschen sind dort angestellt. Ich bin zusammen mit drei anderen Frauen für diese Angestellten zuständig. Unsere Aufgabe ist, das neue HIV/Aids-Programm für die Mitarbeiter umzusetzen.

In Namibia leben ca. 23 Prozent HIV/Aids-infizierte Menschen, in einigen Gebieten sogar 43 Prozent. Damit steht Namibia weltweit an vierter Stelle.

Ich schule die Mitarbeiter im ganzen Land und halte Vorträge über HIV/Aids.

In der zweiten Phase des Projekts versuchen wir in Vorstellungsgesprächen mit den Mitarbeitern die geeigneten Freiwilligen herauszufinden, die im HIV/Aids-Programm mithelfen sollen, die Aids-Erkrankungen in der Firma zu bekämpfen. Dabei bin ich viel mit dem Auto unterwegs. Jeder „Employee Wellness Koordinator“ hat eigens für seine Aufgabe ein nagelneues Fahrzeug für seine Arbeit bekommen. In zwei Monaten lege ich 6000 km zurück. Und auch ebenso viele km fliege ich mit dem kleinen Privatflugzeug der Firma durchs Land. Die Arbeit ist anstrengend. Manchmal tut da ein Kurzurlaub gut.

Unsere Ehe hat weiterhin ihre Hochs und Tiefs. Wir versuchen ein paar nette Sachen zusammen zu unternehmen, um die Tiefs möglichst gering zu halten. So fahren wir im März ein paar Tage ans Meer nach Swakopmund ins Strand-Hotel. Bei Barbeque, Sonnenbaden und Schwimmen lassen wir die Seele baumeln. Über Ostern gönnen wir uns ein Wochenende auf der Midgard-Lodge. Beide Hotels gehören meinem Arbeitgeber. Wir können uns dort zu Sonderkonditionen einbuchen. Wildbeobachtungsfahrten, Kegeln und Tanz stehen auf dem Programm. Es sind seit langem mal wieder ganz unbeschwerte und glückliche Tage in unserer Ehe.

Die Arbeit ist spannend, aber so richtig wohl fühle ich mich nicht. Ich empfinde das Arbeitsklima in der Firma nicht besonders gut. Es gibt einige Konflikte bezüglich kultureller Unterschiede.

Das empfinde ich als zunehmend emotionale Belastung. Ich habe die Möglichkeit, mich arbeitsmäßig zu verändern und ergreife die Chance. Die Johanniter haben endlich die Finanzen für meine Stelle zusammen, und so fange ich am ersten Mai beim Johanniter-Hilfswerk als Projekt-Managerin an zu arbeiten. Ich bin für die Betreuung mehrerer vorhandener Projekte im Stadtteil Katutura zuständig, wo ich schon einmal vier Jahre lang gearbeitet habe. Vorwiegend geht es um Projekte im Tuberkulose- und HIV/Aids-Bereich, aber auch um Waisenkinder, Kindergärten und Schulungen in Hauskrankenpflege. In Namibia gibt es bereits 80000 Aids-Waisen. Viele leben auf der Straße. Da werde ich mich über Arbeitsmangel sicherlich nicht beklagen.

Endlich verdiene ich genug und kann meine Miet- und Anwaltsschulden abbezahlen. Seit ein paar Wochen habe ich auch meine Aufenthaltsgenehmigung und damit eine Arbeitserlaubnis. Ich kann nur staunen, wie sich fast alle Probleme innerhalb von nur zwei Monaten in Luft aufgelöst haben.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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